sehnsucht

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 26.04.2007, 10:31

sehne mich
nach sucht
erfüllung
unerwünscht


endlich ist das sehnen
unwiederbringlich
sein verlust


rot=ursprungsposting
blau=zweites Gedicht zum Thema Sehnsucht
Zuletzt geändert von Ylvi am 28.04.2007, 19:46, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.04.2007, 09:14

Einen Aspekt hatte ich gestern noch vergessen. Die Sehnsucht bezieht sich meist auf ein Objekt, Mensch oder ein bestimmtes Ereignis. Sobald jedoch durch die Erfüllung der Wunsch in die Realität umgesetzt wird, steht er nicht mehr solitär sondern im Lebenszusammenhang und zieht Konsequenzen nach sich.
es keine "echte Sehnsucht" ist, wenn man am Ende nicht nimmt, was man kriegt .

Aber wirklich Smile, ich denke, wenn man wirklich etwas will, wenn man sich nach etwas "sehnt"...Ist es doch ein Wiederspruch, wenn man dessen Erfüllung nicht beabsichtigt.

Etwas wollen (Verstand) und etwas ersehnen (Gefühl) sind für mich nicht identisch. Der Widerspruch, den du siehst entsteht durch den Menschen an sich, der sowohl emotional als auch vernunftbegabt ist.
Was ihr unter "echte" Sehnsucht versteht, weiß ich nicht. Das völlige Ausschalten der Vernunft?

liebe grüße smile

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.04.2007, 11:02

Hallo Smile!

Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo doch Wikipedia her!

http://de.wikipedia.org/wiki/Sehnsucht

Ein schöner Artikel, der mich sehr berreichert hat.

Nun, ich denke, was die Sehnsucht betrifft eben genauso wie Monsieur Goethe:

„Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide.“


Was Du da schreibst, dass die Erfüllung dieser Sehnsucht bestimmte "Lebenskonsequenzen" mit sich zieht (die man ja gar nicht voraussehen kann, denn es kommt generell anders, als man denkt)-

...empfinde ich wieder als sehr irritierend. Als kleines Mädchen war ich auch in einen von den Backstreetboys verliebt und wusste, dass "Brian" und ich niemals zusammen finden werden :smile: , aber ich habe mich dennoch nach ihm gesehnt.
Insofern kann ich das Gefühl, was Du beschreibst, dass man die Sehnsucht gern hat, auch wieder verstehen.

Aber wie gesagt: Es ist für mich ein Unterschied zu sagen: "Ich habe die Sehnsucht gern." oder "Ich sehne mich gern, aber die Erfüllung strebe ich gar nicht an."

Das finde ich einfach spinnig :smile: !

(...und wäre Brian damals zu mir auf einem Pferd geritten, ich wäre mit ihm geflohen :smile: !)

"Lebenskonsequenzen"... Sowas kann ich gar nicht lesen! Das Leben ist nun Mal absurd! Man muss doch alles in Kauf nehmen für seinen Traum und sein Glück! Man kann sich doch nicht ein Leben lang sehnen. Das finde ich ganz schön masochistisch.

Plädoyer beendet :smile: .

Schönen Sonntag!
l.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.04.2007, 13:42

Liebe Louisa,

"Lebenskonsequenzen"... Sowas kann ich gar nicht lesen! Das Leben ist nun Mal absurd! Man muss doch alles in Kauf nehmen für seinen Traum und sein Glück! Man kann sich doch nicht ein Leben lang sehnen. Das finde ich ganz schön masochistisch.


Ich finde, du siehst es zu konkret. Es gibt Dinge, Situationen im Leben, in denen es genauso ist. Man sehnt sich nach etwas, ein ganzes Leben, ja, das gibt es sehr wohl, und, auch wenn man weiß, dass es sich niemals erfüllen wird, tut man es eben doch. Mit Masochismus würde ich das nicht vergleichen, manchmal kann man einfach nicht anders. Ich sehe es eher als Überlebenstrieb.
Saludos
Mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.04.2007, 14:39

Hallo Mucki!

Es geht doch aber nicht darum, ob ich mich nach etwas sehne, dass nicht erfüllbar ist. Natürlich tut das jeder Mensch.

(PS: Alles ist möglich :smile: !)

Aber es geht darum, dass Smile sagt: "Ich sehne mich, aber ich will nicht, dass es in Erfüllung geht."

Das ist der Punkt! Das ist ein Wiederspruch! Man kann sich nicht nach etwas sehnen, aber nicht wollen das es geschieht. Das ist genau das Gegenteil von "sehnen".

(Das ist vielleicht nicht masochistisch, aber vielleicht die Liebe zur Sehnsucht, zur Melancholie (wenn man es noch weiter ausdehnen möchte) und das wiederum ist ein ganz anderes Feld.)

Es gibt die unerfüllte und die erfüllte Sehnsucht für mich. Beides ist möglich, manchmal auch nur das eine, aber es gibt nicht die Sehnsucht, ohne eine Erfüllung zu wollen.

Für mich nicht.

Liebe Grüße!
l (ohne Bonbon bisher)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.04.2007, 14:57

Hallo Louisa,

alles ist möglich? Nein, ist es nicht. Das ist Illusion. Aber darum geht es hier gar nicht.

Ich sehne mich, aber ich will nicht, dass es in Erfüllung geht."

Das ist der Punkt! Das ist ein Wiederspruch! Man kann sich nicht nach etwas sehnen, aber nicht wollen das es geschieht. Das ist genau das Gegenteil von "sehnen".


Da eben sehe ich keinen Widerspruch. Deshalb schrieb ich: du siehst es zu "konkret".
Ich meine, und so verstehe ich auch die Zeilen von smile, eine andere Ebene, eine von innen gesteuerte, angetriebene Sehnsucht nach der Sehnsucht. Die Sehnsucht, immer einen Traum zu haben, der unerfüllbar ist, damit man diesen Zustand der Sehnsucht in sich aufrecht erhält, weil dieser Zustand in einem selbst etwas ganz Bestimmtes erzeugt. Und dieser Zustand würde durch erfüllte Träume zerstört werden.

Kennst du keine Tagträume, in denen du dich verlierst, die Zeit um dich herum vergisst. Auch wenn diese Träume irreal sind, nicht erfüllbar sind, so bist du dennoch in ihnen drin, fühlst dich wohl darin und möchtest sie niemals missen? Und diese Tagträume z.B. können zur "Sucht" werden, sie lassen dich vergessen, lenken ab vom Alltag, von Sorgen und Zweifeln. Warum lässt man solch eine "Sucht" zu? Weil einem manchmal nichts anderes übrigbleibt, weil es eine Art Überlebenstrieb ist.
Verträumte Grüße ,-)
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.04.2007, 17:13

Hallo Louisa,

Man muss doch alles in Kauf nehmen für seinen Traum und sein Glück!

Ist das nicht ziemlich egoistisch und blauäugig?
Und was machst du, wenn das Ersehnte langfristig nicht das Glück bringt sondern das Unglück?
(...und wäre Brian damals zu mir auf einem Pferd geritten, ich wäre mit ihm geflohen smile !)

Und dann? Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie noch heute?
denn es kommt generell anders, als man denkt

nun, dann können wir ja getrost aufhören zu denken.



Hallo Mucki,
ich denke du bist mit deiner Interpretation meinen Gedanken sehr nah. Das freut mich.


Liebe Grüße smile

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.04.2007, 18:09

Wieso hilft mir hier keiner :smile: ?

Also ich weiß ja nicht, ob das etwas nützt hier immer eine Meinung auf die andere prallen zu lassen, also möchte ich erläutern, was ich nachvollziehen kann:

Mucki, ich kenne Deine "unerfüllbaren Tagträume". Das ist meistens so etwas wie: "Ach, könnte der Tag nur schneller vergehen" oder solche unmöglichen Sachen.

Ich verstehe, dass man gern solche Sehnsüchte hat, die unerfüllbar sind.

Aber wie ich oben bereits schrieb:

Es ist für mich ein Unterschied zu sagen: "Ich habe die Sehnsucht gern." oder "Ich sehne mich gern, aber die Erfüllung strebe ich gar nicht an."


Selbst wenn die Sehnsucht nicht erfüllbar ist, wünscht man sich doch trotzdem das Gegenteil oder?

Das finde ich eigentlich wirklich "verträumt". Aber darum geht es ja auch nicht.

Nun zu Smile, ich denke so: Ich weiß ja nicht, ob das heute mein letzter Tag auf der Erde ist und wieso sollte ich das Glück vorbeiziehen lassen, was mir heute noch begegnet? Weil es nur wieder in Schmerzen enden wird?
Das kann man einfach nicht wissen und selbst wenn es so sein sollte: Mir bedeutet das Leben und das Glück im Jetzt mehr, als die möglichen Schmerzen im Morgen.
Ich sehne mich nicht gern- Deshalb ist es schwer für mich einen Zugang zu diesem Text zu finden. Ich träume (wie Mucki) gern, aber das ist etwas anderes.

Deinen Satz mit dem "aufhören zu denken" finde ich ganz großartig! Das ist eine tolle Schlussfolgerung! Vielleicht können wir das wirklich, was die Zukunft anbelangt! Das ist oftmals sehr erleichternd.

(Hihi...)


...Aber die Verhältnisse, sie sind nicht so!


Liebe Grüße!
l.

PS: Ich befürchte mich zu wiederholen, aber es ist doch schön, wenn jemand Deinen Text nachvollziehen kann. Diese Diskussion hat mir jedenfalls viel gebracht.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.04.2007, 18:29

Hallo Louisa,

Also ich weiß ja nicht, ob das etwas nützt hier immer eine Meinung auf die andere prallen zu lassen, also möchte ich erläutern, was ich nachvollziehen kann:

Mucki, ich kenne Deine "unerfüllbaren Tagträume". Das ist meistens so etwas wie: "Ach, könnte der Tag nur schneller vergehen" oder solche unmöglichen Sachen.


Nur noch eins:
Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, hier die so gänzlich verschiedenen Ansichten aufeinander prallen zu lassen. Da hast du Recht, Louisa. Und solche Tagträume, wie du sie nennst, sind es nicht, die ich meine.
Saludos
Mucki

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.05.2007, 22:59

Hallo Smile!

Seit ich deine Zeilen gelesen habe, spukten am Rande meiner Wahrnehmung ein paar Zeilen herum, die ich aber bis heute Abend nicht zu fassen bekam:


E par che de sua labbia si mova
Un spirito soave pien d'amore,
Che va dicendo a l'anima: Sospira.

Und's ist, als ob von ihrer Lippe her
Ein Hauch sich regte, leise, reich an Liebe,
Und zu der Seele spräche: Sehne dich.


Der Schluss eines Sonetts von Dante, deutsche Übertragung in reimlose Verse von Hugo Friedrich. Was sagt das jetzt über meine Wahrnehmung deines Gedichts? Tja schwer zu sagen... Auf jeden Fall dieses: Es hat mich beschäftigt :smile:

Ferdigruß!
Zuletzt geändert von ferdi am 04.05.2007, 22:16, insgesamt 5-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.05.2007, 07:43

Hallo ferdi,

Das ist ja wunderschön!
Na, wenn meine Zeilen in dir die Erinnerung an diese Zeilen geweckt haben, dann ist das doch schon mal was.
(Ich fand auch die Diskussion, die mein Gedicht ausgelöst hat spannend.)

Vielen Dank, dass du es reingestellt hast.

liebe Grüße smile

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 04.05.2007, 22:23

Hallo Smile!

Stimmt, eine spannende Diskussion :smile: Ich würde mich da eher Muckis Position anschließen wollen. Auch, weil für mich Sehnsucht durchaus rückwärts gewandt sein kann, das Verlangen nach etwas Verlorenem, einem gestorbenen Freund, etc. Und spätestens da greift Louisas Ansatz ja nicht mehr ;-)

Aber natürlich: Dein Text ist so knapp (hart an der Grenze), dass vieles an Sinngebung aus dem einzelnen Leser / der einzelnen Leserin heraus kommen muss, und da wir ja alle verschieden sind, führt das auch zu verschiedenen Meinungen :smile:

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Max

Beitragvon Max » 05.05.2007, 12:52

Lieber Ferdi,

das Dantesonett ist aber schön .. . wunderschön. Kann man das ganze irgendwo erstehen oder einsehen?

Liebe Grüße
max

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 06.05.2007, 17:36

Hallo Max,

wenn Smile mir nicht zu böse ist, dass ich ihren Thread mißbrauche, kann ich es ja hier einstellen, falls es außer euch beiden (ihr habe ich es schon per PN geschickt) noch jemanden interessiert. Im Zweifelsfall einfach diesen Beitrag löschen :smile:

Der Beginn des Sonetts (eine Huldigung Dantes an seine Herrin Beatrice) ist nicht so ganz kompatibel mit dem 21. Jahrhundert, aber doch, wie ich finde, eine gute Vorbereitung des abschließenden Terzetts.

Tanto gentile et tanto onesta pare
La donna mia quand'ella altrui saluta,
Ch'ogne lingua deven tremando muta,
E li occhi no l'ardiscon di guardare.

Ella si va, sentendosi laudare,
Benignamente d'umilta vestuta;
E par che sia una cosa ventuta
Da cielo in terra a miracol monstrare.

Monstrasi si piacente a chi la mira,
che da per li occhi una dolcezza al core,
Ch'entender no la puo chi non la prova;

E par che de la sua labbia si mova
Un spirito soave pien d'amore,
Che va dicendo a l'anima: Sospira.



So edel und so heilig rein erscheint
Die Herrin mein all denen, die sie grüßt,
Dass jede Zunge zittert und verstummt
Und sich kein Aug' auf sie zu richten wagt.

Sie geht vorüber, hört sich ringsum rühmen
Und ist in Demut eingehüllt und Güte.
Ein Wesen scheint sie, das vom Himmel kam,
damit auf Erden sie ein Wunder weise.

Sie weist so lieblich sich dem Schauenden,
Dass Süße durch sein Aug' ins Herze dringt,
Die, wer sie nie erfuhr, auch nie begreift.

Und's ist, als ob von ihrer Lippe her
Ein Hauch sich regte, leise, reich an Liebe,
Und zu der Seele spräche: Sehne dich.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 06.05.2007, 21:26

Hallo ferdi,
nein, da kann ich doch gar nicht böse sein. Es ist doch schön, wenn meine "spärlichen" Zeilen auch zu so einem Gedicht führen. Das gefällt mir gut.
liebe Grüße smile


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