Silber zu braun

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 14.01.2007, 21:11

Fassung 5 (ich werd fassungslos ;-))


Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich

(weil das Wort
nach 19. Jahrhundert klingt
wie Hochrad oder Dampfmaschine)

Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die Mutters Hand
rund sein ließen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als sei es ausgemacht
dass ich in jedem aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

Heute

(und lange schon
seit es mich gibt)

fährt Mutters Hand
wie ein Messer über die
Bügelwäsche

und Vater trägt
mit kurzgeschorenem Haar
die Oleander in den Keller

Dieses Leben da
auf dem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen














Vierte Fassung:


Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

weil das ein Wort ist
das nach 19. Jahrhundert schmeckt
nach längst vergangenen Zeiten

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die Mutters Hand
rund sein ließen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
Nein dann ist mir
als sei es ausgemacht
dass ich in jedem aller möglichen Fälle
nicht dabei sein hätte können

Heute

(und lange schon
seit es mich gibt)

fährt Mutters Hand
wie ein Messer über die
Bügelwäsche

und Vater trägt
mit kurzgeschorenem Haar
die Oleander in den Keller

Dieses Leben da
auf dem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen









Dritte Fassung:

Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre mir so
grundsätzliche Hand
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen











Überarbeitete Fassung:


Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre Hände
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

(Ein unsinniger Gedanke
aber er hilft es
auszumachen)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen












Erste Fassung:

Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich

(weil es für mein Empfinden so unendlich lange her ist)
(weil es für mein Empfinden so unendlich weit weg ist)

Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht mit wilden Locken

(Locken die ihre Hände
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

(Ein unsinniger Gedanke
aber er hilft die Entfernung
auszumachen)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen
Zuletzt geändert von Lisa am 20.01.2007, 11:38, insgesamt 5-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 20.01.2007, 11:41

Liebe leonie,
achso!! (Brett.....)...ja, das habe ich geändert!! Das ist besser so natürlich! (Also manchmal :icon_redface2: hihi)...die 19. habe ich aber gelassen, unbegründbar gefällt sie mir besser und so ist auch die Setzung ästhetischer umzusetzen....
Danke für die hartnäckigkeit! (Hartneckigkeit wäre auch nett ;-)).

Liebe Gerda,
ach, ich dank dir...und gerne komm in ein paar Wochen darauf zurück, das wäre toll...(ich werd das auch so machen).

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.01.2007, 22:57

Liebe Lisa,

ich meinte in meinem posting die Variante, die du am 19.Januar, 18:51 eingestellt hattest (ist wohl Version 5).

Was ich mit dem "als ob" meinte, ist folgendes: die dargestellten Menschen auf der Photographie haben sich doch im laufe dieser Zeit verändert- eigentlich ist nichts mehr so, wie es mal war. Mit Silber verbinde ich was Positives, Glänzendes, Junges, sich im Aufbruch Befindendes, ja Leben schlechtweg... Silber ist außerdem wertvoll.
Das alles hat das Braun nicht- und so wie Mutter und Vater dargestellt werden, haben sie auch alles mögliche eingebüßt in der langen Zeit...
Deshalb dachte ich, das "als ob" sei überflüssig, das Silber ist zu braun zerfallen, zumindest spricht das Gedicht in der Art zu mir mit seinen Bildern.

Ob das jetzt verständlich ausgedrückt ist :12: fragt sich

scarlett


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google [Bot] und 20 Gäste