Blinde Begegnung
Papier?
dachte die Tasthand.
Gehobene Brauen und magere Wangen
als Rahmen für emsigen Lippenton.
Papier!
Glatt, vielleicht glänzend,
dachte er hinter der schwarzen Brille,
die das Licht , das Licht? fernhielt
von seinen erloschenen Augen.
Papier,
das einmal Baum war,
anderswo.
Könnte dienen als Serviette,
auch, Lächeln, intimer,
oder zum Fidibus.
Papier
fiel zu Boden,
zertreten und ungelesen
unsterblich gedachte Verse.
Blinde Begegnung
Hallo Schwarzbeere,
auch mich zieht es hin, zog es oft hin, über die ursächlichsten Dinge des Schreibens nachzudenken. Ich erinnere mich, wie ich nicht nur einmal im Nachdenken über dem Blatt den Stift anzusehen begann und im Absurden der Situation doch für mich sinnig darüber nachdachte, inwiefern ein Stift eigentlich irgendetwas aussagen kann, wo er doch, nirgends zu finden, keinen Mund besitzt!
Da ich mich also für geübt halte in der Betrachtung der ursächlichen Dinge des Schreibens, muss ich dir gestehen, dass ich es viel lieber gehabt hätte, wenn das Papier in deinem Gedicht mehr an Bedeutung gewonnen hätte. Ich glaube, da ist noch vieles zu denken, vor allem könnte man sich zum Beispiel fragen (eine grundsätzliche Frage), warum das Papier weiß ist. Ich grübelte oft darüber nach.
Ehrlich gesagt, kommen mir manche der Ideen in deinem Gedicht eher uninspiriert vor. An anderen Stellen fällt es für mich auseinander, d. h. mir fehlt der Übergang, so zum Beispiel am Anfang: Da ist die tastende Hand, jetzt müsste meiner Meinung nach das folgen, was sie denn ertastet, aber die nächste Zeile springt, und ich weiß kaum wohin, in das Gesicht des Blinden?
Das lyr. ich entwickelt doch gegenüber dem Blatt ein gewisses Begehr (so lese ich), aber wie es begehrt, wird nicht dargestellt. Stattdessen wird auf allgemeine Weise das Blatt assoziiert. Auch hier fällt (für mich) das Gedicht auseinander.
Dann der Schluss: Papier fiel zu Boden..., warum? Hat es der Blinde vom Tisch gestreift? Für mich nicht zu durchdringen.
Nicht bös gemeint.
Liebe Grüße
Peter
auch mich zieht es hin, zog es oft hin, über die ursächlichsten Dinge des Schreibens nachzudenken. Ich erinnere mich, wie ich nicht nur einmal im Nachdenken über dem Blatt den Stift anzusehen begann und im Absurden der Situation doch für mich sinnig darüber nachdachte, inwiefern ein Stift eigentlich irgendetwas aussagen kann, wo er doch, nirgends zu finden, keinen Mund besitzt!
Da ich mich also für geübt halte in der Betrachtung der ursächlichen Dinge des Schreibens, muss ich dir gestehen, dass ich es viel lieber gehabt hätte, wenn das Papier in deinem Gedicht mehr an Bedeutung gewonnen hätte. Ich glaube, da ist noch vieles zu denken, vor allem könnte man sich zum Beispiel fragen (eine grundsätzliche Frage), warum das Papier weiß ist. Ich grübelte oft darüber nach.
Ehrlich gesagt, kommen mir manche der Ideen in deinem Gedicht eher uninspiriert vor. An anderen Stellen fällt es für mich auseinander, d. h. mir fehlt der Übergang, so zum Beispiel am Anfang: Da ist die tastende Hand, jetzt müsste meiner Meinung nach das folgen, was sie denn ertastet, aber die nächste Zeile springt, und ich weiß kaum wohin, in das Gesicht des Blinden?
Das lyr. ich entwickelt doch gegenüber dem Blatt ein gewisses Begehr (so lese ich), aber wie es begehrt, wird nicht dargestellt. Stattdessen wird auf allgemeine Weise das Blatt assoziiert. Auch hier fällt (für mich) das Gedicht auseinander.
Dann der Schluss: Papier fiel zu Boden..., warum? Hat es der Blinde vom Tisch gestreift? Für mich nicht zu durchdringen.
Nicht bös gemeint.
Liebe Grüße
Peter
- Schwarzbeere
- Beiträge: 254
- Registriert: 03.12.2006
- Geschlecht:
Lieber Peter,
Ich hatte diesen Text eigentlich nur gebastelt, weil ich von einem anderen, den ich eben gelesen hatte, der zwar ein heikles Thema betrifft, aber nichts aussagt, so verärgert war, dass ich vorerst eine Persiflage schreiben wollte, was ich auch tat, jedoch, wieder etwas vernünftiger geworden, nicht einstellte. Vielmehr setzte ich auf der gleichen Bildschirmseite das Herumspielen mit einigen freien Assoziationen fort, bei der ich die Sinn– und Wertlosigkeit jenes anderen (nicht von mir stammenden) Textes und das Imponiergehaben seines Schöpfers vor Augen hatte. Dann strich ich alle Anspielungen heraus, gab den Zeilen einen Titel und stellte das Machwerk, das mir langsam zu gefallen begann, hier ein.
Wenn ich jetzt meinen eigenen Text zu interpretieren versuchte, so beginnt er Text mit dem Tasterlebnis, das noch etwas unsicher die Frage nach dem Ertasteten stellt. Gleich folgt in S.1, nicht ganz logisch, ein Bild des Blinden und der Hinweis auf die bekannte Tatsache, dass Blinde ja oft sehr viel sprechen und auch über Vorstellungen, die sie leider als Nichtsehende nicht wirklich begreifen können.
Das zweite „Papier“ wird durch das Rufzeichen als Bestätigung der Annahme gesetzt. Hier folgt dann wieder eine Rückwendung an das aussagende Subjekt und der Hinweis auf die schwarze Brille, die ja eine Antibrille ist, also die zu einer normalen Brille entgegengesetzte Funktion ausübt: nicht um die Sicht zu verbessern, sondern um den Augenausdruck nicht sehen zu lassen.
S.3 setzt die Überlegungen des Blinden fort, und mit Z.4+5 enden sie mit dem Gedanken an die banale zweckgebundene Zerstörung, das Verbrauchen des Papiers (Toilette, Feuer), daher kein weiteres Interesse am Wertlosen, das die Hand vielleicht absichtlich, aber jedenfalls ohne weitere Beachtung auf den Boden fallen lässt.
Ich denke da an die Schlusspointe der Billigesser von T. Bernhard, oder allgemein, dass ein potentieller Wert unbekannt bleibt und in den Anfängen bereits sterben kann, also die beliebte Überlegung, ob Beethovens Symphonien auch eine Existenz hätten, wenn ihre Aufzeichnungen auf Notenblättern verbrannt wären, bevor sie noch jemand außer dem Komponisten gesehen hätte. So ist der Blinde auch als Metapher für das Schicksal brauchbar.
Jetzt, nachdem ich das geschrieben, kommt mir der Text gar nicht einmal so schlecht vor, und das dank deiner Anregung zum Nachdenken, lieber Peter!
Liebe Grüße. Schwarzbeere
Ich hatte diesen Text eigentlich nur gebastelt, weil ich von einem anderen, den ich eben gelesen hatte, der zwar ein heikles Thema betrifft, aber nichts aussagt, so verärgert war, dass ich vorerst eine Persiflage schreiben wollte, was ich auch tat, jedoch, wieder etwas vernünftiger geworden, nicht einstellte. Vielmehr setzte ich auf der gleichen Bildschirmseite das Herumspielen mit einigen freien Assoziationen fort, bei der ich die Sinn– und Wertlosigkeit jenes anderen (nicht von mir stammenden) Textes und das Imponiergehaben seines Schöpfers vor Augen hatte. Dann strich ich alle Anspielungen heraus, gab den Zeilen einen Titel und stellte das Machwerk, das mir langsam zu gefallen begann, hier ein.
Wenn ich jetzt meinen eigenen Text zu interpretieren versuchte, so beginnt er Text mit dem Tasterlebnis, das noch etwas unsicher die Frage nach dem Ertasteten stellt. Gleich folgt in S.1, nicht ganz logisch, ein Bild des Blinden und der Hinweis auf die bekannte Tatsache, dass Blinde ja oft sehr viel sprechen und auch über Vorstellungen, die sie leider als Nichtsehende nicht wirklich begreifen können.
Das zweite „Papier“ wird durch das Rufzeichen als Bestätigung der Annahme gesetzt. Hier folgt dann wieder eine Rückwendung an das aussagende Subjekt und der Hinweis auf die schwarze Brille, die ja eine Antibrille ist, also die zu einer normalen Brille entgegengesetzte Funktion ausübt: nicht um die Sicht zu verbessern, sondern um den Augenausdruck nicht sehen zu lassen.
S.3 setzt die Überlegungen des Blinden fort, und mit Z.4+5 enden sie mit dem Gedanken an die banale zweckgebundene Zerstörung, das Verbrauchen des Papiers (Toilette, Feuer), daher kein weiteres Interesse am Wertlosen, das die Hand vielleicht absichtlich, aber jedenfalls ohne weitere Beachtung auf den Boden fallen lässt.
Ich denke da an die Schlusspointe der Billigesser von T. Bernhard, oder allgemein, dass ein potentieller Wert unbekannt bleibt und in den Anfängen bereits sterben kann, also die beliebte Überlegung, ob Beethovens Symphonien auch eine Existenz hätten, wenn ihre Aufzeichnungen auf Notenblättern verbrannt wären, bevor sie noch jemand außer dem Komponisten gesehen hätte. So ist der Blinde auch als Metapher für das Schicksal brauchbar.
Jetzt, nachdem ich das geschrieben, kommt mir der Text gar nicht einmal so schlecht vor, und das dank deiner Anregung zum Nachdenken, lieber Peter!
Liebe Grüße. Schwarzbeere
Hallo Schwarzbeere,
danke für den Einblick, er macht neugierig, und mir geht es jetzt auch so, ich lese das Gedicht anders.
Es ist also eine Abzugssumme einer Abzugssumme, die hier entsteht, wobei das eine Korrelat verschwindet und das andere als eigenständiger Text verbleibt. Die grundsätzliche Methode wäre das Wortspiel, bis hin zur freien, oder sich befreienden?, Assoziation.
Wenn ich von der neuen Literatur etwas verstanden habe, würde ich diese Methode als postmodern bezeichnen. Der Grundgedanke scheint mir die Vertauschbarkeit aller Dinge. In der Postmoderne gibt es keinen Unterschied mehr zwischen dem Papst und dem Heiden, außer dass beide verschiedene Stellen sind, somit verschiedene Distanzen und Betrachtungsweisen schaffen. Eine Hierarchie aber ist verschwunden - eine Art Tiefendimension. Deswegen kann leichthin der heutige Mensch den Papst besuchen, danach Shoppen gehen, Rom fotographieren, und eine Woche später fährt er mit derselben Touristengruppe zu den Heiden (ohne Gefälle), um auch dort zu fotographieren.
Wie du schreibst: Ein potentieller Wert bleibt unbekannt und kann in den Anfängen bereits sterben.
Ich selbst bin ja so schicksalsgläubig! Tatsächlich. Ich glaube an die Bestimmtheit der Dinge, an die Zielgerichtetheit des Gedankens, an die Möglichkeit, zu werden. Sehe aber ein, glaubte ich nicht so, wäre ich gegenwärtiger. Mir ist die freie, beliebige Assoziation, der vertauschbare Gedanke, ein Greuel. Aber anders gesehen, ist eben das das auch für mich zu ersuchende Licht! Und vielleicht unser einziges Glück.
Liebe Grüße
Peter
danke für den Einblick, er macht neugierig, und mir geht es jetzt auch so, ich lese das Gedicht anders.
Es ist also eine Abzugssumme einer Abzugssumme, die hier entsteht, wobei das eine Korrelat verschwindet und das andere als eigenständiger Text verbleibt. Die grundsätzliche Methode wäre das Wortspiel, bis hin zur freien, oder sich befreienden?, Assoziation.
Wenn ich von der neuen Literatur etwas verstanden habe, würde ich diese Methode als postmodern bezeichnen. Der Grundgedanke scheint mir die Vertauschbarkeit aller Dinge. In der Postmoderne gibt es keinen Unterschied mehr zwischen dem Papst und dem Heiden, außer dass beide verschiedene Stellen sind, somit verschiedene Distanzen und Betrachtungsweisen schaffen. Eine Hierarchie aber ist verschwunden - eine Art Tiefendimension. Deswegen kann leichthin der heutige Mensch den Papst besuchen, danach Shoppen gehen, Rom fotographieren, und eine Woche später fährt er mit derselben Touristengruppe zu den Heiden (ohne Gefälle), um auch dort zu fotographieren.
Wie du schreibst: Ein potentieller Wert bleibt unbekannt und kann in den Anfängen bereits sterben.
Ich selbst bin ja so schicksalsgläubig! Tatsächlich. Ich glaube an die Bestimmtheit der Dinge, an die Zielgerichtetheit des Gedankens, an die Möglichkeit, zu werden. Sehe aber ein, glaubte ich nicht so, wäre ich gegenwärtiger. Mir ist die freie, beliebige Assoziation, der vertauschbare Gedanke, ein Greuel. Aber anders gesehen, ist eben das das auch für mich zu ersuchende Licht! Und vielleicht unser einziges Glück.
Liebe Grüße
Peter
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