verführer

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.12.2006, 01:32

verführer

tag und nacht
beflüstere ich deine sinne
verführe dich
mit mir zu gehen
du willst es
schenke dir vergessen
du atmest auf
schürfe im wundkern
du ringst nach luft
beschleiche anderspfade
du breitest deine flügel
berühre ich trockenes salz
lässt du es fließen

© Gabriella M. C.
23.12.2006



"du lässt es geschehen" geändert in "du willst es"
Zuletzt geändert von Mucki am 05.01.2007, 00:18, insgesamt 1-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 06.01.2007, 03:44

liebe magic,

mich spricht dieser text an, kommt mir in seiner schreibweise / 'webart' viel näher als andere deiner texte.

die bilder finde ich klar und berührend, die perspektive bereitet mir keinerlei schwierigkeiten - nach meiner lesart spricht der "verführer", und ich finde die ambivalenzen spannend, die dadurch entstehen, dass die bewertung des erzählten nicht eindeutig ist - der "verführer" ist weder ausschließlich 'positiv' noch 'negativ', der text verfällt nicht der polarität, die macht der grenze - und zugleich die be-grenzung - bleiben beim lyr.du.

schön finde ich, dass du mit diesem text über das 'erzählen' persönlichen erlebens hinausgehst, d.h. dass der text kraft hat, die von der konkreten, persönlichen bedeutung / 'auflösung', die er für dich haben mag, unabhängig wird.

für mich wird die emotionalität des textes dadurch stärker (ernster/ relevanter), dass sie (gegenüber anderen texten) 'ruhiger' ist, keine 'verwirbelungen' an der oberfläche aufweist.

das schlussbild finde ich besonders schön.

sehr gern gelesen
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.01.2007, 13:09

Hallo aram,

ich freue mich sehr über deine so positive Einschätzung:)
Und vor allem auch, wie du die Merkmale des Schreibstils in diesem Gedicht skizzierst. Ja, er ist ruhiger, distanzierter und, wie du genau richtig erkennst: diesmal habe ich die Polarität nicht so hart gesetzt, wie ich es sonst oft mache.
Danke dir!
Saludos
Magic

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 06.01.2007, 13:54

Liebe Magic,

ganz anders als aram mag ich Oberflächen, die eine Struktur aufweisen. Das kann man auch auf Texte übertragen. Lieber sehe ich Unebenheiten, Risse, Widersprüche und Abgründe. Die marmorenen Oberflächen (Obsidian erinnert mich vom Klang her daran) sind mir unheimlich.

Dennoch hat aram passende Worte gefunden. Auch wenn also Dein Gedicht fließt, gefällt es mir dennoch.

Einzig die Stelle mit dem Salz. Seit "Salz auf unserer Haut" empfinde ich ein gewisses Grauen in Anbetracht der Inflation von Salz-Bildern. Aber vielleicht ist das Geschmackssache! :mrgreen:

Grüße

Paul Ost

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.01.2007, 14:09

Grins, lieber Paul,

es ist immer klasse, dass die Geschmäcker so verschieden sind. Das ist das Salz in der Suppe *smile*
Apropos Salz. Tränen sind bekanntlich salzig.

berühre ich trockenes salz
lässt du es fließen


berührt der Traum trockenes salz, sprich, berührt er traurige Erinnerungen, die das LI längst verdrängt, also "ausgeweint" hat, bringt er das LI dazu, sich wieder daran zu erinnern und erneut fließen die Tränen.
Saludos
Magic ohne Salz,-)


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