trockensträuße

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 22.12.2006, 20:47

trockensträuße


vergänglich
ist alles blühen
da hilft kein binden
kein trocknen

aus liebesrot
wird alltagsgrau
aus hoffungsgrün
todesschwarz

was bleibt
sind gebinde
auf stillen
kommoden

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leonie
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Beitragvon leonie » 22.12.2006, 21:13

Lieber Manfred,

das finde ich sehr gelungen, bei mir stellten sich gleich Bilder und auch Gedanken dazu ein. Ich habe mir überlegt, ob Du nicht statt "todesschwarz" "Trauerflor" schreiben willst, damit kommst Du ein wenig von der Farbaufzählung weg, brichst das Bild und es würde meiner Meinung nach noch interessanter.

Gern gelesen!

Liebe Grüße

leonie

Trixie

Beitragvon Trixie » 22.12.2006, 22:36

Hallo Manfred!

Eine ähnliche Idee wie leonie hatte ich auch, denn das ist mir auch ein bisschen zu viel Farbe! Das mit der Trauerflor passt auch prima, finde ich, denn das wäre dann nur im übertragenen Sinne, weil die getrockneten Blumen werden ja nicht wirklich schwarz (zumindest meine nicht und ich habe viele)! Was mich noch gewundert hat, sind die stillen Kommoden! Gibt es einen bestimmten Grund, warum sie die Eigenschaft "still" besitzen? Es kommt mir fast ein bisschen wie ein Füllwort vor. Ich empfinde es jedenfalls als einen Bruch, denn das will mir nicht so recht das Gewicht auf die Blumen legen. Da kommt dann am Ende nochmal was ganz anderes, verstehst du? Also, ich weiß auch nicht, wie ich das besser erklären kann und im Ersatzwort suchen bin ich auch ganz schlecht...Insgesamt hat mich das Gedicht jedenfalls sehr angesprochen, denn ich habe, glaube ich, noch nie ein Gedicht über getrocknete Blumen gelesen ;-)! Ich finde, du hast das Thema toll umgesetzt!

Lieben Gruß
Trixie

scarlett

Beitragvon scarlett » 22.12.2006, 23:00

Hallo Manfred,

ein schönes, stilles, nachdenklich stimmendes Gedicht (zumindest mich).

Das mit dem "Trauerflor" sehe ich ähnlich wie meine Vorkommentarorinnen - wobei ich es eher wegen des Rhythmus`nehmen würde - als wegen der "zu vielen Farbe".
"ins hoffnungsgrün//sinkt/fällt/... trauerflor
"im hoffnungsgrün weht trauerflor" ... so ähnlich.
Lies es mal laut im Zusammenhang mit dem "aus liebesrot// wird alltagsgrau".

Die "stillen Kommoden" finde ich wiederum großartig, da steckt so viel drin... würde ich keinesfalls rausnehemen.

Sehr gerne gelesen!

Gruß,

scarlett

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annette
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Beitragvon annette » 23.12.2006, 15:17

Hallo Manfred,
was mir sehr gut gefällt, ist die letzte Strophe. „Gebinde auf stillen Kommoden“ finde ich ein tolles Bild. „Gebinde“ enthält das fest Gebundene, die Bewegungslosigkeit, die der Stille der Kommoden entspricht: Auch aus diesen verschlossenen Möbeln scheint das Leben gewichen zu sein.

Das, wofür das Bild steht, nämlich das Beklagen der Vergänglichkeit in seiner Allgemeinheit widerstrebt mir aber. Gerade das Blühen ist ja etwas, das nur für eine Zeit vergeht und dann wiederkehrt. Ich würde daher die ersten beiden Verse sinngemäß so abändern:

Geschnittene Blüten
Sind vergänglich

Die zweite Strophe finde ich ehrlich gesagt in ihrem Lamento klischeehaft. Klingt sehr nach gothic lifestyle. Wenn es ein lyrisches Ich gäbe, könnte ich den Text als individuelle Momentaufnahme einer Lebensphase lesen. Aber als allgemeine Feststellung kann ich mit der Aussage nichts anfangen.

Am ehesten erinnern mich die ersten beiden Strophen an das memento mori der Barocklyrik. Um diese Konnotation zu unterstützen, könnten die Bilder aber etwas gewagter sein, zB

Die Koralle des Kusses
wird alltagsgrau

Ich weiß aber nicht, ob dann der Ton der letzten Strophe (die ich so gelungen finde) noch passt ...

Mein Vorschlag wäre, die zweite Strophe weniger allgemein zu halten. Also etwa:
das rot meiner liebe
verblasst zu grau
mein hoffnungsgrün
von trauer umflort

Es grüßt annette

Max

Beitragvon Max » 23.12.2006, 21:10

Lieber Manfred,

das finde ich ein schönes Gedicht, eines mit viel Potenzial, dessen Schönheit daher kommt, dass es einfach wahr ist.

Was mir weniger gefällt, auch das gibt es noch, ist, dass Du dem Leser in Strophe 2 schon vieles vorgibst - insbsondere weil die Assoziationen zu den Farben in

aus liebesrot
wird alltagsgrau
aus hoffungsgrün
todesschwarz



ja nicht neu sind. Wenn Du spontan assoziieren lässt, kommt bei "rot" meist Liebe, bei "Grün" Hoffnung etc. Wieso lässt Du die Leute nicht selbst drauf kommen und schreibst:

aus rot
wird grau
aus grün
schwarz

zumal das ja wahr ist.

Liebe Grüße
Max

Perry

Beitragvon Perry » 24.12.2006, 11:51

Hallo leonie,
freut mich, dass meine Zeilen Bilder in dir hervorrufen konnten.
In der zweiten Strophe wollte ich einen Übergang von den Farben der Blumen zu den Farben des Lebens schlagen. Deinen Vorschlag mit dem Trauerflor werde ich mir gerne durch den Kopf gehen lassen.
Danke un LG
Manfred

Hallo Trixie,
der Text ist mir eingefallen, als ich die Weihnachtsdekoration aufgestellt und dabei einen Strauß getrockneter Gräser und Blumen vom letzten Urlaub weggeworfen habe. Er war verstaubt, doch die Bilder von dem Spaziergang in den Dünen waren in meiner Erinnerung frisch geblieben.
Was die "stillen Kommoden" anbelangt, so ist es ein Bild, das die Gedanken von den Trockensträußen zu der Weite der Wehmut lenken soll.
Danke und LG
Manfred

Hallo Scarlett,
ich danke dir für deine positive Einschätzung und die Anmerkungen.
Ich werde gerne darüber nachdenken.
LG
Manfred

Perry

Beitragvon Perry » 24.12.2006, 12:17

Hallo Annette,
Wehmut ist eines der traditionellen Themen der Lyrik, neue Bilder dazu zu finden natürlich entsprechend schwierg. Ich werde mir deine Vorschläge durch den Kopf gehen lassen, vielleicht lassen sich ja die allgemeinen Bilder durch etwas Persönliches noch auflockern.
Danke für deine ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Text und LG
Manfred

Hallo Max,
danke für deine überwiegend positive Einschätzung. Ja der 2. Vers ist der problematische Teil, weil ich hier den Übergang vom Naturbild ins Metaphorische schaffen wollte. Vielleicht ist er ja auch gar nicht notwendig oder könnte durch eine persönliche Reflektion mehr Aussagekraft bekommen.
Danke für deinen Eindrücke und LG
Manfred


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