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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Werner
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Beitragvon Werner » 23.04.2016, 17:19

in jenem gebirge spricht man
verschiedene sprachen
in einem dorf sprechen sie bärisch
in einem anderen wölfisch
wieder in einem anderen deutsch
und rumänisch
ungarisch ist auch dabei
und berganemonisch
berganemonisch ist mir
die liebste sprache
und vertraut
in ihr gibt es kein wort
für krieg
die falten des gebirges
können ein lied davon singen

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 23.04.2016, 17:35

Das ist ja bezaubernd!
Bin spontan hingerissen. Danke!
Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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(Ikkyu Sojun)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 23.04.2016, 17:43

ich würd' nach Krieg aufhören ... den Schluss finde ich etwas kitschig.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 23.04.2016, 17:51

Finde ich gar nicht. Von etwas "ein Lied singen können" bezieht sich ja meist auf etwas Unangenehmes, wie "kurzfristig kriegt man keinen Arzttermin - davon kann ich ein Lied singen" oder ähnliches. Aber eigentlich ist Lieder singen ja etwas Nettes. Und Falten - bei mir haben diese zwei Zeilen jedenfalls eine ganze Kette von Annotationen ausgelöst, bis hin zu den Falten in meinem Gesicht, die auch Lieder singen können von diesem oder jenem Ärger, den ich im Leben hatte ... ich mag das sehr.
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 23.04.2016, 17:53

War mir schon klar, das mit dem Lied singen ... gerade deshalb gefällt es mir hier nicht.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 23.04.2016, 18:18

Wieso gibt es auf Berganemonisch kein Wort für Krieg, wenn sogar die Falten des Gebirges ein Lied davon singen können?

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 23.04.2016, 18:44

Ich habe es so gelesen, dass die Falten des Gebirges von dem Umstand, dass Berganemonisch eine kriegsfreie Sprache ist, ein Lied singen können.
Eben deshalb gefällt mir ja die Formulierung "ein Lied davon singen" so gut. Würde es heißen, im Gebirge hat es viel Krieg gegeben und die Falten können ein Lied davon singen (vom Krieg also), würde für mich eine wesentliche Facette verlorengehen. Der Krieg ist etwas, wovon die Gegend vermutlich "ein Lied singen" kann, aber der Umstand, dass der Flora das Wort dafür fehlt, befähigt zum wirklichen Gesang.

Falls das verständlich ist ;o)
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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 23.04.2016, 18:57

Liebe Zefira,

vorhin hast du geschrieben "von etwas ein Lied singen können bezieht sich meist auf etwas Unangenehmes" ...

Diese "Falten des Gebirges" lassen mich eher an Lavaartige Formationen, an Kahlheit, nicht an Flora denken.

Du verteidigst dich sehr gut, spielst du auch Schach?

pjesma

Beitragvon pjesma » 23.04.2016, 19:19

und wie so sprechen sie ungarisch in diesem "gebirge"? ich meine, du bewegst dich in blumigem, dann tierischem und dann kommt eine echt seltene sprache. wo ist in dem bild der mensch?

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 23.04.2016, 19:33

Pjesma, genau das habe ich mich auch gefragt. Habs dann am Schluss, wegen der Schlusszeilen, leider vergessen anzumerken.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 23.04.2016, 20:12

Nach "krieg" würde ich nicht aufhören. Das würde sonst aussehen wie eine Moralkitschpointe.

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Werner
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Beitragvon Werner » 24.04.2016, 22:19

oh, vielen dank für die große resonanz und, ich vermute mal, auch zustimmung. das gebirge kann wahrhaft ein lied von den vielen kriegen singen, denke ich, soll der schluss bedeuten. in berganemonisch gibt es keinen krieg. und ungarisch ist doch klar, neben rumänisch und deutsch in hermannstadt in siebenbürgen, die drei sprachen spiegeln die bevölkerungsgruppen wieder, die dort leben / lebten ... neben den bären und wölfen ... und ja, ich wollte zuerst auch nach krieg aufhören, habe dann aber noch zwei verse dazugeschrieben, weil ich als dichter mit einem gesang aufhören wollte, bin selbst noch im zweifel darüber, aber vielleicht ist das nachträglich draufsetzen dann doch zuviel und die erste intuition stimmte? egal, ich lass mal so, weil's (auch) passt, denke ich?! ich bin doch überrascht, ie sehr das kleine gedicht ankam / ankommt und so oft kommentiert wurde, danke sehr.


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