Beitragvon Pjotr » 12.12.2015, 13:40
Also keine Antwort. Vieldeutigkeit ist Nichts. Und auch mit Latein lässt sich eine Null nicht aufblasen.
"Ich schreibe hier als Künstler, nicht als Jurist."
Das gibt mir die Gelegenheit, zu den Floskeln "ich bin Künstler" oder "das ist Kunst" mal generell das zu sagen, was ich schon seit längerem ergänzen will zu meiner nun seit ein paar Jahren währenden Ablehnung des Kunstbegriffs (ich sage, seit Kunst zur beliebigen Sache erklärt wurde, gibt es keine Kunst mehr, da sie sich ja von Nichtkunst nicht mehr unterscheidet); ich sage, ein Kunstgemälde ist keine Kunst, es ist ein Gemälde; eine Sinfonie ist kein Kunstwerk, sie ist eine Sinfonie; eine Skulputur ist keine Kunst, sie ist eine Skulptur, und so weiter.
Wenn ein Bildhauer zu mir sagt, dies Gehauene hier sei Kunst, dann sagt er nichts zu mir. Seine Antwort ändert nichts am Gehauenen. Das ist so, wie wenn jemand sagt, dieser eine Krater auf dem Mond heiße Kepler. Das ändert nichts am Krater, und auch nichts an seiner körperlichen Geschichte. Es mag bedeuten, dass der Name einen bekannten Astronomen ehren soll. Dann gibt es das zu sagen. Aber nur zu sagen, das Gehauene hieße Kepler oder Kunst, sagt nichts. Wenn es etwas sagt, dann höchstens: "Dies ist etwas wichtiges". Warum es wichtig ist, kann nicht beantwortet werden, weil es in Wahrheit keine Antwort gibt, weil es eben nicht wichtig ist. Wichtig ist nur der Spruch an sich. Er ist die Ausrede im Vakuum.
Wenn ich ein Bild haue, mit dem ich etwas ausdrücken möchte, das mir wichtig ist, dann sage ich nicht, das ist Kunst. Sondern ich sage, dies ist ein Bild. Auf diese Weise wissen meine Mitmenschen, wenn sie nach meiner derzeitigen Tätigkeit fragen, dass ich an einem Bild arbeite, und nicht -- zum Beispiel -- an einem Parfüm.
So muss ich mich nicht um Begrifflichkeiten streiten, wenn ich beispielsweise einen geometrischen Zusammenhang entdecke an den Zebrastreifen eines Straßenübergangs und den Kaugummiflecken darauf. Ich brauche keinen, der sagt, "ich habe diese Geometrie komponiert". Ich brauche keine Person und keine Kunstdeklaration. Ich schaue einfach auf das, was ich sehe, und lasse meine Gedanken und Empfindungen entfalten -- OBWOHL diese Zebrastreifen vom Bauamt generiert wurden und OBWOHL die Kaugummiflecken planlos entstanden. Ob die Sache Kunst sei oder nicht, ändert nichts an den Kontexten der Sache selbst. Der einzige Kontext ist bestenfalls der erwünschte Status des Kunstausrufers. Dieser Kontext aber tut nichts zur Sache. Mich interessiert die Sache. Künstler nenne ich nicht Künstler. Ich nenne sie Macher. Das verstehe ich als Kompliment. Wenn du mir eine Antwort geben kannst, dann bist du kein Künstler (was soll das sein?), sondern ein Antwortmacher. Wenn du nichts machst, dann bist du kein Macher. Du kannst dich wohl Künstler nennen. Du kannst dich auch Herr Meier nennen. Aber das sagt nichts.
Was ich eigentlich ergänzen will: meine Gedanken zur sozialpolitischen Alltagspraxis: Wenn zum Beispiel in der Fußgängerzone etwas "Anstößiges" passiert, fragen sich doch einige, ob das verboten werden sollte oder nicht, und das Verbotskriterium entscheide sich dann an der Feststellung, ob das Passierte Kunst sei oder nicht, oder etwa: ob es Satire sei oder nicht. Diese Denkweise der Beurteilung halte ich für ziemlich umständlich. Letztendlich zählt die Aussage, die Tatsache, die Wirkung. Nicht die Deklaration. Alles andere wäre absurd. So etwas wie Kunstberechtigung oder Kunstdeklarationslizenz kann es nicht geben. Also. Was soll das ganze? Was zählt ist das Gemachte.
So Sprüche wie "Das ist Satire, die darf das" sind hohl. Ich möchte, dass das Dürfen weder vom Satirebegriff noch vom Kunstbegriff abhängen soll, sondern vom Gemachten an sich. Scheiß Etikettengedöns. Inhalt ensteht nicht durch Etikettenaufkleben, sondern durch Inhaltmachen.