Kontemplation

[Kurt]

Kontemplation

am Gefälle vorm Sturz,
kein Sekundenschlaf,
der erhellende Moment,
wenn es hakt, ich zur
Randfigur werde, mein
Geist stromaufwärts
treibt entgegen
aller Schwerkraft, ich
die Welt verleugne, ihren
Kaskadenlauf durchbreche,
dieses ewige Erblühen,
dann Reifen und Vergehen,
wenn ich dusche im Glück,
die Welt verlachen kann,
bis die nächste Springflut
mich mitreißt, flussabwärts.

[Niko]

....lässt mich ratlos zurüvk, lieber kurt!

[Kurt]

Ja, Kontemplation, lieber Niko, für den einen vielleicht etwas Mystisches, für mich etwas Ernüchterndes. Dennoch beschauliche Betrachtung, Innehalten, sich dem Strom also für einen Moment entziehen und zur Randfigur werden. Der Betrachter philosophiert etwa über das menschliche Dasein. Erblühen, Reifen und Vergehen; da gäbe es den Vergleich des Menschenleben mit den Jahreszeiten; also die Frau befände sich im Herbst, sie ist gereift. Das halte ich für keinen guten Vergleich. Mit dem Winter wäre dann das Ende da. Ein Baum, der diese Zeiten durchlebt, stirbt nicht, er erneuert sich quasi im Frühling. Das würden unsere herbstlichen Damen sicher auch gerne, die dem Alter und ihren Erscheinungen trotzen. Körperlich ist es aber nicht möglich. Nur im Geiste kann man jung bleiben, heißt es im Sprichwort. Ich spreche beim Menschen also nicht von Jahreszeiten, sondern lieber von Kaskaden, wobei es ja von Stufe zu Stufe tiefer geht, abwärts. Und irgendwann, wenn wir Pech haben, ist auch unserer Geist verfallen, der an die Körperlichkeit des Gehirns gebunden ist. Aber solange es noch geht, lieber Niko, sollte man Kontemplation ausüben, die Welt eventuell verlachen, denn es ist die eigene Realität die unser Gehirn sich schafft, Mystiker und Buddhisten ihre Traumwelt, ich ein lustigere. Und tatsächlich ist unsere Wachstumsgesellschaft ja kaum an Einfältigkeit zu übertreffen.

LG Kurt