Absage

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 21.06.2014, 18:04

absage

mein gedicht hatte ich – es wollte lange nicht –
auf ein blatt papier hingelegt, verschenkt und
abgeschickt, doch jetzt kam per email zurück,
dass er nichts mehr
annehmen kann.

nun werde ich nicht wissen, ob sich die müde
hoffnung erfüllte, sie zielte nur auf ein kurzes innehalten
bevor das flache in geübten händen
an dimension gewinnt
und sich ins runde knüllt

so viel geglücktes und geschicktes,
das nimmt kein ende. mir bleibt also nur
der ewige anfang, ein ungeschickter
dicker junge an der sprossenwand,
das nicht annehmbare wort.

aram
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Beitragvon aram » 21.06.2014, 23:56

lieber räuber,

'na ja' - das ist so meine erste reaktion des lesens; d.h. der text kommt inhaltlich vorwiegend etwas wehleidig an. wobei die ironischen formulierungen "so viel geglücktes und geschicktes" sowie auch betreffs der unerfüllt ersehnten dynamik, wenigstens von der fläche den raum zu gelangen, natürlich nette fingerübungen sind.

großes nahezu abstraktes ironisches drama für poesie unbekannter dimension, quasi. (ich werde übrigens vermutlich nie ganz verstehen, weshalb wirtschaftlich nicht davon abhängige autoren ihre texte unbedingt über gewisse kanäle publiziert haben wollen - es sei denn es gelingt mal jemandem, mir das zu erklären.)

der große freiheitskämpfer, yogi, visionär sri aurobindo sagte ja: nichts gegen selbstmitleid - die einzige ehrliche form des mitleids.

liebste grüße.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 22.06.2014, 09:09

ich mag dieses bild, den ungeschickten jungen an der sprossenwand. im übrigen geht es mir ähnlich wie aram, ich lese auch (zu) viel selbstmitleid. diese hoffnung, die ja auch formuliert ist im gedicht kommt (mir) zu kurz. ich mag ja sonst sehr die kontemplativen gedichte, aber hier, in diesem fall, bräuchte es die spannung, denke ich. die zwischen der erwartung (bei der zögerlichen verschickung des gedichtes), der (müden?) hoffnung während des wartens und der enttäuschung, die schließlich mit der antwort kommt.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 22.06.2014, 10:50

Und Aram, zu Deinem Unverständnis bezüglich des Wunsches über bestimmte Kanäle publiziert zu werden: ich kann da natürlich nur für mich sprechen: und für mich ist der einzige (aber durchaus wichtige) Grund, dass ich gelesen werden möchte. Von möglichst vielen, unterschiedlichen Lesern. Und dann noch, ganz dumm und eitel, ist es ein berauschendes Gefühl in einer Zeitung neben einem Text von, z.B. Friederike Mayröcker oder Olga Martynova zu stehen.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 22.06.2014, 15:42

Hallo Aram und Xanthi,

das klingt anscheinend sehr viel ernster, als es entstanden ist (aus einer ziemlich albernen Stimmung heraus). Es war nicht rein als Ironie gedacht, eine Mixtur aus pathetischem Selbstmitleid, der Frage - warum ärgert mich eine Absage und warum versuche ich es denn? Ich kann mit dem 'Na ja' und Fingerübung gut leben, bin nur etwas enttäuscht, dass es nicht lustiger ankommt (aber das kann an meinem strengen Image im Salon liegen, vielleicht muss ich da ansetzen).

Was die Frage nach Motiven für wirtschaftlich nicht nötige Aktivitäten angeht will ich mich nicht in eine Begründung für die Existenz von Kultur/Geistesleben verlieren. In der Regel funktioniert das überall so, dass man sich durch sichtbare Arbeiten (bei Lyrik Veröffentlichung in Zeitschriften o.ä.) eine Eintrittskarte für einen Diskurs-Raum erwirbt, dh. nachweist, dass man über die Voraussetzungen verfügt, um teilzunehmen. Ich akzeptiere das.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 22.06.2014, 17:14

Hallo Franz,
RäuberKneißl hat geschrieben:Ich kann mit dem 'Na ja' und Fingerübung gut leben, bin nur etwas enttäuscht, dass es nicht lustiger ankommt

ich denke, dass du an einigen Stellen deutlicher über die Strenge schlagen solltest, das pathetische Selbstmitleid überziehen und vllt. auch lustige oder eher absurde Elemente einflechten könntest. Jetzt nur mal angedacht, in welche Richtung ich da denke: du könntest evtl. eine 'Vorgeschichte' einfügen, wie sehr das LI sich hier angestrengt hat, was es alles ('Absurdes') getan hat, um seinen Text zu veröffentlichen (auch diesen Kampf "Soll ich oder soll ich nicht"), wie es jeden Tag zum Briefkasten rennt (und vorher natürlich den Hund jedes Mal zurückhalten muss, hier also ein Klischee ganz bewusst einfügen), etc. etc. Wie LI sich vorstellt, wie sein Text beim Lektor auf dem Tisch liegt, und was der Lektor alles macht/machen könnte, ganze Zeilen streichen (und das qualvolle Erschaudern des LIs dabei), etc., quasi die Gedankenspirale des LIs in Gang setzen. Da gibt es, denke ich mal, etliche Möglichkeiten.

Liebe Grüße
Gabi


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