Erfahrung IX

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Sam

Beitragvon Sam » 02.11.2012, 13:35

Der Himmel

ist ein Honig

in dem Träume zappeln

wie sterbende Fliegen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.11.2012, 19:15

Lieber Sam,

man sollte meinen, dass es dieses Bild so schon gibt, --...wundersamer Weise aber wohl nicht -- wieso bin ich nicht drauf gekommen!?

Das Bild gefällt mir sehr, es trifft auf klassische aber warme Weise, es ist alles gesagt, ohne dass man das Gefühl hat, es sei nur eine Geste gesprochen.

Allein die Setzung ist mir zu sehr dem annehmenden lyrischen Gedanken geschuldet, so scheint mir zumindest. Ich würde zumindest den Text nie mit den Umbrüchen lesen, die du gesetzt hast, für mich ist der Text viel fließender.

(kleines Zusatzmanko: Mir gefällt absolut nicht die Sammlung dieser mich fast immer überzeugender Texte unter dem Titel "Erfahrungen", die zu allem Übersenf dann noch eine lateinische Nummerierung anhängt. Das ist so langweilig. Ich würde unter diesem Titel das Gedicht nie aufschlagen. ))

liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Sam

Beitragvon Sam » 03.11.2012, 09:22

Hallo Lisa,

vielen Dank!

Mir war dieses Bild auch neu, wobei man ja nie weiß, obs nicht doch schonmal jemand so oder ähnlich gedacht hat.

Was dir Form angeht, gebe ich dir Recht. Und die Titelgebung schuldet sich meiner mangelnden Inspiration bzw. dem Gefühl, so leichtgewichtige Häppchen, würden durch einen Titel unnötig aufgeblasen. Und da ich mal mit der Erfahrung-Reihe angefangen habe, kamen die neueren einfach mit da hinein.

Ich denke darüber nach, diesen ganzen kurzen Textchen vielleicht ein gemeinsames zu Hause zu geben, womöglich sogar auch eine andere Form.

Vielen Dank für deine Anregungen!

Gruß

Sam

carl
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Beitragvon carl » 03.11.2012, 17:58

Hallo Sam,

das gefällt mir!!
Überlege, ob du nicht auf das "sterbende" verzichten kannst...

Gruß, Carl

Sam

Beitragvon Sam » 04.11.2012, 12:38

Hallo Carl,

vielen Dank!

Das schöne an dem "sterbende" ist doch, dass man es gedanklich auch in die dritte Zeile verschieben kann. ;-)

Jedenfalls Danke für den Vorschlag. Aber wenn ich mir den Satz laut vorsage, dann klingt er ohne "sterbende" irgendwie unrund, oder unvollständig. Bzw. mein Sprachgefühl rät mir dann zu einer kompletten Umstellung des Satzes, was mir auch wieder nicht so wirklich gefällt.

Gruß

Sam

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 04.11.2012, 12:50

Hallo Sam,

mir gefällt der Grundgedanke ganz gut, das "zappeln" aber überhaupt nicht - das beinhaltet eine schnelle, heftige Bewegung, und nach mehr als zehn Jahren, in denen ich beim Entdeckeln von Waben, beim Schleudern und Rühren und abfüllen geholfen habe: Weiß ich, dass sich kein Insekt, Biene oder was auch immer, in Honig schnell und heftig bewegt; es "zappelt" nicht.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Sam

Beitragvon Sam » 04.11.2012, 17:10

Hallo Ferdi,

ich denke, du hast Recht. Ein Insekt IM Honig wird schwerlich noch zappeln.

Ich müsste den Satz also ändern. Eine Möglichkeit:

"Der Himmel ist ein Honig, AUF dem Träume zappeln, wie sterbende Fliegen."

Das gefällt mir aber nur bedingt.

Eine andere Version, die mir wesentlich besser gefällt:

"Der Himmel ist ein Honig, in dem Träume SCHWIMMEN wie tote Fliegen."


Gruß

Sam

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 04.11.2012, 17:26

Hallo Sam,

ich finde du solltest nicht auf Ferdi hören. Was soll dieser realistische Imkerblick hier im Text? Der Himmel ist auch kein Honig, wie dir jeder Astronaut versichern kann.

LG Dede

Sam

Beitragvon Sam » 04.11.2012, 17:35

Hallo Hetti,

nun, es geht schon um eine Stimmigkeit, die ein Bild aufweisen sollte. Natürlich ist der Himmel kein Honig, aber, und da muss ich Ferdi zustimmen, IM Honig (also darin versunken) zappelt kein Insekt mehr.

Also ich kann mich mit der Alternative "schwimmen" recht gut anfreuden.


Gruß

Sam

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.11.2012, 11:52

Hallo Sam,

ich sah die Fliegen gar nicht im Honig/Himmel zappeln und sterben, von daher hatte ich auch keine Probleme mit der Stimmigkeit des Bildes.
"Der Himmel ist ein Honig, in dem Träume SCHWIMMEN wie tote Fliegen."
Das geht für mich "gefühlsmäßig" und bildlich in eine ganz andere Richtung und gefällt mir weit weniger gut.

Wobei ich in allen Versionen die Bienen schöner als die Fliegen gefunden hätte, weil sie eine zusätzliche Ebene eröffnen würden und mir die Fliegen irgendwie beliebig und unvermittelt erscheinen.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nicole

Beitragvon Nicole » 05.11.2012, 16:21

Nein, nein, nein, NICHT ändern....

DU weißt, ich mochte diese Zeilen zu Beginn nicht so recht ("so wenig positiv") und ich mag es ja, wenn der Himmel zumindest positiv erscheint.
Aber gerade eben ist mir etwas aufgefallen, was mir so richtig gut gefällt...
Der Himmel
ist ein Honig
in dem Träume zappeln
wie s(S)terbende
(f)Fliegen

wenn Du die sterbenden "tot" machst dann fehlt mir dieses nette "Bildchen" der fliegenden Sterbenden...

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 06.11.2012, 09:36

Nicole hat geschrieben:wenn Du die sterbenden "tot" machst dann fehlt mir dieses nette "Bildchen" der fliegenden Sterbenden...
Das wäre für mich ein weiteres Argument für die Bienen. .-)
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Sam

Beitragvon Sam » 06.11.2012, 16:53

Hallo Flora,

das mit den "toten Fliegen" war ein freudscher Vertipper (mein Himmel ist tatsächlich tot ;-) ). Ich wollte nur mit dem Schwimmen eine Alternative zum Zappeln ins Spiel bringen.

Bienen? Ich weiß nicht. Einmal glaube ich, dass Bienen im Honig nicht so versinken wie andere Insekten (kann mich aber irren, da kein Imker). Außerdem ist es mir zu "harmlos", wenn du verstehst, was ich meine.

Hinzu kommt Nicoles Lesart, die mir ausnehmend gut gefällt.

Hab vielen Dank für deine Bemerkungen!


Liebste Nicole,

wie oben erwähnt war "tote" ein Versehen. Deine Art "sterbende Fliegen" zu lesen ist mir zwar beim Schreiben überhaupt nicht in den Sinn gekommen, aber sie gefällt mir unheimlich gut. (das ist ein Grund sich Leser zu wünschen: Ihr Weiterdenken und Entdecken im Text, mit dem der Autor nichts mehr zu tun hat).

Ich danke dir!


Gruß

Sam

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 06.11.2012, 21:23

Hallo,

mir ist zappeln nicht aufgefallen, aber ferdis Einwand stimmt schon, zappeln ist konkret vorgestellt eine sehr schnelle Bewegung. Allerdings überlege ich, ob es sprachlich nicht trotzdem für diese mühselige langsame strampeln genommen wird. wie sagt man denn bloß, wenn eine fliege ins glas fällt oder an einem klebeband hängt. ..

hängen, haften, kleben, zucken, baumeln....eigentlich meinst du strampeln...es ginge vielleicht auch: schwimmen?

Den Rest würde ich nicht ändern. Ich finde das "sterbend" auch nicht redundant in diesem Fall, mir wäre es sonst zu haikumäßig (ein, ich meine nicht, dass es damit ein Haiku wäre .-) )

Bienen bitte auf keinen Fall, das wäre für mich viel zu voll und auch im Kontext zum Hpnig komisch zu lesen.

Das mit dem Hilfstitel sei verziehen .-))

liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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