Ausblick

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 20.07.2006, 18:15

Ausblick

Die Welt steht
vor mir
und du als Tatsache
mitten darin.

Jetzt, jetzt
sind wir
das Ergebnis
der Evolution
und essen
mittags
Zitronen-Eis.

Morgen essen wir
Himbeer-Creme-Schnitte
und lachen über heute.

Später berichten wir
unseren Kindern
wie es dazu kam.
Zuletzt geändert von moshe.c am 21.07.2006, 18:18, insgesamt 1-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 20.07.2006, 22:36

Lieber Moshe,

das halte ich für eines Deiner starken Gedichte, weil es fundamentale Aussagen ("wir als Ergenis der Evolution") mit lapidaren Aussagen über das Essen von Zitroneneis (ich weiß, bei den hiesigen und sicher auch euren dortigen Temperaturen ist Zitroneneis nicht lapidar) in einer Weise verquickt, die mich fühlen ließ, ja, genau so ist das Leben.

Liebe Grüße
max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 21.07.2006, 14:48

Hallo mein lieber Max,

danke für deinen Kommentar.
Das Zitroneneis scheint auf den ersten Blick lapidar (schönes Wort, mag es), aber auch da ist Evolution, denn wie lange gibt es Zitroneneis überhaupt und wie lange für so viele Menschen??

Gute Kühlung

Moshe

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.07.2006, 16:05

Lieber moshe.c,
auch ich bin begeistert. Die Verbindung von Großem und Kleinem (Die Welt und Du, die Evolution und Zitroneneis) und von heute und morgen ist toll gelungen. „Morgen lachen wir über heute“, ja, genau, im Großen und im Kleinen ist das oft so.
Nur eine ganz kleine Sache Das „des“ kann, meine ich weg. Ich glaube, das ist eine lokale Eigenheit, man kann einfach „morgens, mittags, abends“ sagen.
Liebe Grüße
leonie

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 21.07.2006, 18:17

Hallo leonie,

ich bin mir dessen sehr schnell sicher geworden: Das 'des' ist ein unnützes in der Evolution. Es ist frischer so.

Danke

moshe.c

Perry

Beitragvon Perry » 24.07.2006, 16:09

Hallo moshe.C,
inhaltlich gefällt mir die Aussage über die Flüchtigkeit des Zeitgeschmacks im Reigen der Evolution gut.

Gleich zu Anfang bin ich über „Die Welt steht vor mir“ gestolpert, weil ja gerade der Nichtstillstand das Merkmal der Evolution ist. Das zweimalige „Jetzt“ verstärkt zwar diesen von dir beabsichtigten gedanklichen Stillstand, ist aber für die Aussage des Gedichts nicht maßgeblich, weil auch Eisessen kein statischer Vorgang ist.
Ich versuche mal einen dynamischen Einstieg:

Die Welt dreht sich
vor mir
und du als Tatsache
mitten darin.

Wir sind
das Ergebnis
der Evolution
und essen
mittags
Zitronen-Eis.

Morgen essen wir
Himbeer-Creme-Schnitte
und lachen über heute.

Später berichten wir
unseren Kindern
wie es dazu kam.

Soll nur ein subjektiver Gedankenanstoß zu deinem ansonsten gut gelungen Gedicht sein.
LG
Perry

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 24.07.2006, 16:37

Hey Perry,

Ich bedanke mich für deine Gedanken.

Was ich hier zeigen will ist die Spannung zwischen dem Jetzt im kürzeren und ein wenig im weiteren Sinne.
Das Zitronen-Eis-Essen ist natürlich kein statischer Vorgang, aber statisch in dem Sinne, daß es jetzt als gegeben statisch scheint. Heute kann ich Zitronen-Eis essen und morgen, aber wie lange schon und wie lange noch? Zitronen-Eis ist dynamisch. Diese Diskrepanz zwischen dem scheinbar statischen Jetzt unseres Lebens und der weiter gefassten Dynamik der Evolution war hier mein Anliegen.

moshe.c


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