Wenn wir verrück(t)en

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 08.07.2006, 16:09

Liebe Lesenden, ich möchte vorher noch anmerken, dass die Grundidee zu diesem "Werk" eigentlich vom "schönsten Dichter" entworfen wurde und ich hoffe doch sehr, dass er es mir nicht nachträgt diesen Gedanken auf solch`stümperhafte Manier in ein Gedicht verpackt zu haben... :wub:


Komm, ich nehme Deine Hand und dann:

Rücken wir
unbemerkt von dunklen Disteln
Stück für Stück
weg wie fernes
Feldgrillen-
zirpen fort von

-der Wirklichkeit-

Wink
ihr höflich hinterher
und schau in ihr
zerklüftetes Gesicht
aber höre heute Nacht

Nicht hin
wenn sie
Dich ruft und zwingend
an Deinem
dünnen Ärmel zieht...

Wir wissen nicht was uns
und wissen nicht
was mit den Flüstergrillen
heute Nacht geschieht -


Aber ich nehme Deine Hand und dann:

Schlagen wir die Zeit
zusammen mit der
Wirklichkeit bewusstlos und

Mein Mund
nimmt Deinen
wir verrücken
vor bis an das Ufer
reißen Blätter von den Ästen,

lassen sie mit diesem Leben über
grauen räuberischen Fischen
treiben
in eine unbekannte See

und auf der Reise stehen
wir barfuss
bis ins Morgenrot
in nie gefühlter
Wasserschwebe.
Zuletzt geändert von Louisa am 25.09.2006, 03:42, insgesamt 1-mal geändert.

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 09.07.2006, 10:10

Wie schön! Herrlich sommerlich, genau meine Stimmung.

Deine Bilder haben mich beim ersten Lesen gleich berührt, vielleicht, weil ich auch ganz gerne mal den Grillen zuhöre, und mich frage, was mit ihnen passiert, wenn sie aufhören zu zirpen...

Besonders gefallen hat mir das "zerklüftete Gesicht" der Wirklichkeit. Gerade in diesem Kontext passt es wunderbar.
Ein bisschen skeptisch bin ich hinsichtlich des unterschwelligen Humors (zumindest empfinde ich ihn so), z.B. die Zeit und die Wirklichkeit bewusstlos schlagen, ist zwar auch ein gelungenes Bild, aber beim ersten Mal Lesen habe ich gelacht... bin mir auch nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist (ebenso "höflich hinterher schauen"; man kommt ins Zweifeln, ob das Gedicht nun ernst und lustig sein soll... mit ein bisschen Anstrengung lese ich es jetzt als fröhlich, und dann passt's).
Ich gebe auch zu, dass mir die Wassermetaphorik am Ende noch nicht zu 100% in den Kopf will, aber das ist auch sehr gut, denn:
Wir wissen nicht was uns
und wissen nicht
was mit den Flüstergrillen
heute Nacht geschieht -


(Insbesondere wenn man weiß, was mit Grillen normalerweise geschieht, wenn sie aufhören zu zirpen, hat diese Strophe eine zauberhaft romantische Wirkung; gar nicht profan, durch das "wir wissen nicht, was").

Die letzte Strophe ist genial.

Ich bedanke mich und grüße,
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.07.2006, 22:37

Hallo sie ominöser lichelzauch O:) !

Ich habe mich sehr über Dein Kommentar gefreut! Es ist mir eigentlich ziemlich gleich, ob beim Lesen geweint oder gelacht wird. Es ist sicherlich eine verzweifelte Wunsch-Handlung die Wirklichkeit mit der Zeit bewusstlos zu schlagen, aber man darf ja davon träumen, denke ich...

Zum Wasser: Man rückt ja vor bis ans Ufer und stelle sich dann vor barfuss im seichten Gewässer angekommen zu sein...deshalb die Wasserschwebe...

Es ist, wie geschrieben, eigentlich nicht "lustig gemeint", vielleicht ein bisschen "weltfremd und träumerisch"...wenn Du das lustig findest, freue ich mich natürlich auch!

Vielen Dank, louisa

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 09.07.2006, 22:57

Ja, ich verstehe. Ich hatte es ja auch erst gar nicht lustig gelesen, nur dann hatten mich diese zwei Stellen ein bisschen verwirrt, deshalb mein Kompromiss: "fröhlich", sommerlich eben. Verträumt passt da meiner Meinung nach auch sehr gut.

Freut mich, dass du dich freust. :grin:

Einen schönen Abend voller Sommergrillen wünscht,
l

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 10.07.2006, 00:19

Gibt es wortlose Kommentare über Worte?,
sprachlose Kommentare über Worte?
oder einfach, gar kein Wort als Kommentar, zu gelungenen Worten, aber doch zu loben?

Vielleicht einfach lesen und schweigen, und trotzdem die Dichterin nicht im ungewissen lassen, versuche ich.

moshe.c

Louisa

Beitragvon Louisa » 10.07.2006, 18:36

Hallo Monsieur Moshe!

Die Dichterin fühlt sich wieder von einer angenehmen Zitronenbrise umweht! Vielen Dank für keine Worte §blumen§ !

(Ich bedanke mich auch beim Schönsten aller Dichter O:) !)

Grüßlein, louisa

Gast

Beitragvon Gast » 15.07.2006, 09:12

Liebe Louisa, dein Gedicht habe ich sehr oft gelesen und finde es von Mal zu Mal besser. Es ist wunderbar. Bild
Ich finde, dass dies dein bestes hier im forum ist.
Durchgängige Bildsprache, ungewöhnlich in der Zusammensetzung, aber rund und schlüssig.
Als ich es das erste Mal noch im alten Forum las, dachte ich, toll auch die grafische Umsetzung des Verrückens, inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob das so toll ist.
Mir kommt es so vor als ob die Setzung des Textes meinen Lesefluss hemmt.
Mich würde interessieren, ob vielleicht andere auch mal darauf geachtet haben, oder ob das mein spezielles Emfpinden ist.
Was sagst du dazu, Louisa?

Liebe Grüsse
Gerda


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