so, wieder mal so ein verschissener sonntag

[Thomas Milser]

thomas milser
21/II/1990
25/V/2003

so, wieder mal so ein verschissener sonntag

morgens schon 32 grad im schatten
schweißnass wirst du wach,

du hälst es im bett nicht mehr aus
und quälst dich in den tag rein
wie in eine zähe masse aus rohem,
vergorenem teig

die klamotten kleben an dir
wie abgestempelte briefmarken
an einem aufgeweichten umschlag
der nichts bedeutendes enthält

du verrichtest hier etwas, dort etwas,
du verrichtest nichts

die tiefergelegten wummern draußen auf der straße vorbei,
wuckedi wuckedi hey-i-yeah wuck

der durchzug zieht nicht durch,
ventilatoren rühren in saurer luft

kläffende köter schleifen alte weiber durch parkanlagen,
ströme von hundepisse reißen ranzige,
verlorene perücken von längst verlorenen leben mit

fürze von fetten stieren mit bis an die knie hängenden eiern
verhallen auf mückenumwaberten sommerwiesen
mit bierdosen und plastiktüten drauf

und der asi singt:
"wieso is' dat denn hier so'n dreck, ey?"

[leonie]

Lieber Tom,
hast Du das vielleicht am letzten Sonntag geschrieben?
Mir gefällt es gut, die Bilder, die überraschenden Wendungen. Am Schluss kam ich ein bisschen aus dem Tritt, weil ich die ersten Bilder in der Stadt sah (die Tiefergelegten, die Perücken, etc...) und mich dann plötzlich auf dem Land unter furzenden Stieren befand. Da fragte ich mich dann wieder, wo dann plötzlich der asi herkam. Dann hatte ich eine Ahnung, dass sich die Sommerwiese möglicherweise doch in der Stadt befindet und die Stiere.......
Sollte das so sein?
Vielleicht könntest du das doppelte „verloren“ eliminieren, ich denke vor den Perücken ist es nicht unbedingt notwendig.
Liebe Grüße
leonie

[Thomas Milser]

Hi Leonie.

Nein, nicht letzten Sonntag, sondern, wie man am Datum über dem Text unschwer erkennen kann, an einem Sonntag vor 26 Jahren. Korrigiert vor 3 Jahren. Die Wiederholung von 'verloren' finde ich als Stilmittel durchaus brauchbar.

Der Ortsprung ist zugegebenermaßen ein bisschen schwierig zu verfolgen. Erst in der Bude, ann im Park, dann im Naherholungsgebiet. Kann ich aber nicht mehr ändern.

Gruß, Tom.

[Maija]

Hallo Thomas,

Eine beissende Ironie spiegelt sich in deinen Zeilen wieder. Musste es mehrmals lesen, da es mir am Anfang nicht sonderlich gefallen hat, obwohl dieses Gedicht eine gute Dichte(Form) besitzt und der Moment gut eingefangen ist. Eine schöne private Sprache , die mir hier gut gefällt.

Gruß Maija

[Louisa]

Hallo thomas!

Ach. Ich weiß wieder gar nichts darauf zu antworten. Es erinnert mich an die alte deutsche Jammer-Krankheit.
Im WInter: "Och nööö, is das kalt, jetzt müssen wa wieder Salz streuen..."Im Frühling: "Och nööö, jetzt fliegen wieder die Pollen..."Im Herbst: "Och nööö, das Laub ist so glitischig..."

-Trotz erdrückender Dauer-Hitze in meinem Dachboden-Zimmer, kann ich nur traurig lesen wie so ein guter Dichter, solche Zeilen schreiben musste...

Aber: Der Teig am Anfang hat mir gefallen! Das war ein tolles Bild!

Lege bitte keinen Wert auf meine ästhetisch-verklärte Meinung O:) .

louisa

[Thomas Milser]

Jo dankeschön fürs Lesen und Eindrücke-Abgeben, Ihr Lieben.

Wie gesagt, der Text ist vor etlichen Jahrzehnten (hust) entstanden, und damals wohnte ich ohnehin noch an einer echten Hauptstraße.

Heute wohne ich ruhig, werde es auch zusehens, und wenn's brüllend heiß wird, dann schwitze ich halt, trink' 'ne eiskalte Zitrone und grinse dazu. Ich liebe den Sommer. Aber Herbst finde ich auch gut. Selbst Frühling und Winter sind sehr schön. Also, irgendwie...

Gut' Nacht,
Tom.

[rockandrollhexe]

Wie gesagt, der Text ist vor etlichen Jahrzehnten (hust) entstanden, und damals wohnte ich ohnehin noch an einer echten Hauptstraße.

Dann hattest du doch eigentlich genug Zeit, ihn in der Zwischenzeit zu verbessern

Liebe Grüsse
rockandrollhexe

[Thomas Milser]

@Hexe:

Gute Ansage. Nur ein bisschen sehr allgemein, findest du nicht? Was hätte ich denn verbessern sollen?

[rockandrollhexe]

@Thomas,

meine zugebenermaßen spitze Bemerkung bezog sich in erster Linie auf einen Teil deines eigenen Kommentars - siehe Zitat - und im Besondern aus das (hust).
Ich deutete das (hust) als Verlegenheit (so würde ich es in ähnlicher Situation auch ausdrücken) und habe es so interpretiert, dass du selbst mit diesem frühen Text nicht so recht zufrieden bist - zumindest nicht aus deiner heutigen Sicht.

Gruss
rockandrollhexe