Abschied

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 10.05.2010, 08:21

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 11.05.2010, 23:36

Liebe Mo,

Ich als Wienleberin finde das so wahnsinnig trefflich beschrieben und schön gedichtet, Applaus!

Allerdings würde ich "Maiglöckerl" nehmen, denn das ist dann klassisch richtig.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Quoth
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Beitragvon Quoth » 12.05.2010, 09:41

Hallo, Scarlett,
mir gefällt die Struktur des Gedichts mit dem rückblendenden Einschub. Dieser Einschub (3.-12. Zeile) beschwört noch einmal die Vergangenheit und tut das mit zwei- und dreifach zusammengesetzten, bewusst poetisch schönen, vielleicht auch beschönigenden "Bernsteinworten" wie "Fliederhimmel", "Maiglockerlklang", "Orgeltrost". Dann wird am Schluss der Anfang wieder aufgenommen, nur ohne das "ist", und der Weg in den Regen angetreten, der auf die bestehende Liebe nie fiel, jetzt aber pünktlich auf die beendete. Mich würde es übrigens nicht stören, ja, ich fände es besser, wenn dort auch das "ist" das Anfangs bliebe - obgleich dann sofort ein weiteres "ist" kommt, aber diese Wiederholung würde die Abwendung von der Poesie der Vergangenheit in die Prosa der Gegenwart noch unterstreichen. Das Weglassen des "ist" beschwört den "hohen Ton" klassischer Lyriksprache.
Du hast geschrieben: "manchmal hat man das Gefühl, dass das Gehen tatsächlich wichtiger sein könnte als das Ankommen." Wenn es eine Hierarchie der poetischen Situationen gibt, dann steht der Moment des Abschieds sicherlich ganz obenan, weil eine Liebe in ihrer Ganzheit hervortritt. Du hast das hier mit dem typisch filmischen Mittel der Rückblende verarbeitet, und nicht ganz zufällig fällt einem zum Schluss der Moment des Abschieds in "Casablanca" ein, in dem Rick den Abschiedsbrief Ilsas im Regen in Händen hält und die Schrift des Briefes wird weggespült und unleserlich.
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

african queen

Beitragvon african queen » 12.05.2010, 17:18

Schließe mich dem schon Gesagten an, ein feinsinniger Text wie immer-
tiefsinnig gut.
Könnte mir auch vorstellen, ohne daß du diese eben genannten Eigenschaften
an deinen wunderbaren Texten aufzugeben, etwas frecher, voelleicht eindeutiger,
vielleicht stärker noch im Ausdruck, ich meine im positiven Sinne mutiger zu formulieren.
Andererseits sehe ich genau darin, in den feinen Nuancen, zwischen den Zeilen zu lesen,
offenlassen zum Hineindenken, deine Stärke. Denke, daß das weitaus schwieriger ist, als
direkt zu formulieren, könnte einiges verloren gehen.
lg
african queen

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Eule
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Beitragvon Eule » 13.05.2010, 22:25

Hallo scarlett, mir gefällt das Gedicht ebenfalls sehr, den offenen Schluss finde ich besonders gelungen. Überhaupt liegt in Deinem Text eine ruhige Bestimmtheit, der ich lesend gerne folge. Viele Grüße !
Ein Klang zum Sprachspiel.

scarlett

Beitragvon scarlett » 16.05.2010, 21:54

Hallo Max,

freut mich, dass dir mein "unaufgeregtes" Gedicht gefällt :smile: - du hast recht, über das "verbergen" könnte man noch diskutieren, sie sind ja semantisch nicht unbedingt austauschbar, es ergibt sich eine Sinnverschiebung, die ich, sorry, in diesem Fall nicht haben möchte, da ich etwas anderes ausdrücken möchte.

Merci vielmals!

Liebste Elsa,

ja ja ... schön langsam schlägt sich der letzte Wienaufenthalt in neuen Texten nieder. Schön, dass du, als Wienerin, dieses hier nachvollziehen kann. Tja, der Fliederhimmel ... und die Maiglöckerl ... natürlich werde ich das sofort übernehmen. Danke dir!

Hallo Quoth,

gefällt mir gut, was du zu meinem Text geschrieben hast! Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast.

Dass der Regen pünktlich zum Abschied fällt ... na ja, einen Hinweis darauf kann man, wenn man will, bereits im "dunkelnden Fliederhimmel" sehen ... etwa ein heraufziehendes Gewitter, oder?

Von diesem Text gibt es noch eine zweite Version, in der ich den Schluss anders gestaltet habe:

jetzt
ist es Zeit aufzubrechen
sich zu verbergen
im steigenden Regen

also keine Wiederholung des Beginns, oder eine Abwandlung, wenn man so will.

Das zweimalige "ist" qürde mir tatsächlich etwas gegen den Strich laufen, wenn du auch sicherlich mit dem Argument der Rückführung in die Alltags-Prosa nicht unrecht hast. Ich behalte das mal im Hinterkopf, vielleicht gibt es noch eine dritte Version.

Liebe Gertraud

wie schön, dich hier zu lesen. Danke!

Weißt du, ich befürchte genau das: dass ich die feinen Nuancen verlieren könnte, wenn ich denn nun ganz anders zu schreiben beginnen würde. Ich denke, ich habe schon so etwas wie einen ganz eigenen Stil, eine eigene Stimme gefunden und es ist auch sehr schwer, da wieder wegzukommen, etwas anderes aufzubaun. Aber so wie ich auch schon Niko schrieb, es gibt sehr wohl auch anderes ...

Hallo Arne,

auch dir, last but not least, ein herzliches Dankeschön fürs Lesen und Kommentieren.

Ja, die ruhige Bestimmtheit ... das gefällt mir, das hast du echt trefflich formuliert!

Liebe Grüße euch allen und verzeiht, dass meine Antwort etwas auf sich hat warten lassen ...

scarlett


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