Pigmente

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Jürgen

Beitragvon Jürgen » 10.06.2006, 23:02

Er schimpft auf
arbeitsscheue Schmarotzer,
die ihm den Job wegnehmen.
Wettert gegen
moralisierende Fundamentalisten,
die seine Tochter anmachen.
Klagt über
Integrationsverweigerer,
Die ihm die Frau ausspannen.
Er denkt,
der Döner verdrängt die Currywurst.

Pigmente reichen
manchem Menschen aus,
um rot anzulaufen,
sich schwarz zu ärgern,
neidgelb zu werden,
und vor hass zu erbleichen.

Geändert nach Vorschlag von aram
Zuletzt geändert von Jürgen am 22.06.2006, 10:43, insgesamt 1-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 11.06.2006, 11:08

Hallo Gurke!

Das gefällt mir. Solche Menschen kenne ich leider allzu gut. Wird man wirklich bleich vor Hass?

-Aber sonst ist es sehr gelungen! Ich bin kritiklos.

Grüßlein, louisa

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 12.06.2006, 15:32

Hallo Gurke,
Hallo Louisa,

auf den Farb-Punkt getroffen, um nicht zu sagen ins Schwarze. :smile:

Vor Hass bleich werden kommt zwar nur selten, aber gelegentlich doch vor. Dieser kalte Hass ist m. E. viel gefährlicher, weil mit Bedacht irgendwann später einmal gehandelt wird.

Liebe Grüße
Marlene

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.06.2006, 09:36

Lieber Gurke,

mir gefällt der zweigeteilte Aufbau des Gedichts. Im ersten Teil stecken viele Anspielungen und Beispiele, womit der poetische(re) zweite Teil dann gefüllt werden kann. Zugleich ist es eine Spitze gegen die fremdenfeindlichen Menschen, die in der ersten Strophe beschrieben werden, da sie nun selbst diese von ihnen diskriminierten Pigmente annehmen. Auch hier wieder: natürlich schließe ich mich der Aussage an!

Zu dem totenbleich: ;Mir ist das auch sprachlich nicht so geläufig, dass man vor Hass totenbleich wird, Marlene hat es aber gut beschrieben...so denke ich, man kann es so stehen lassen...aber gibt es nicht auch: zur Weißglut gebracht zu werden? Vielleicht wäre das eine Alternative?

Oder so etwas wie eine abgesetzte Zeile:

"Helle" ist das nicht, oder dergleichen?

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 16.06.2006, 01:38

Viel kann ich nicht mehr schreiben, aber ich denke Jürgen, dass mit dem Weiß werden vor Hass, ist sehr realistisch. Ich kenne eingie Menschen, die vor Wut und Hass weiß geworden sind.
Bitet nicht so eine Schlussformel dem Vorschlag von Lisa folgend wählen, das wäre zu belehrend.

Ich stimme ja häufig mit Lisa überein, aber hie nicht.

Ich finde die Idee und die Doppeldeutigkeit deines Gedichts hervorragend und stimmig.

Liebe Grüße
Gerda

aram
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Beitragvon aram » 16.06.2006, 05:07

hallo gurke!

bei der zeile
der Döner verdrängt die Currywurst.

muss ich immer schmunzeln;
weiß nicht, liegt's an der 'banalität' des bildes, oder weils ein wenig klingt als wäre currywurst was "ur-heimatliches" -
ist das so gemeint, als kommentar auf die seichte der denke?

...dass pigmente dem erbleichen dienen, mag zwar korrekt sein, klingt jedoch ein wenig verdreht für mich...aber gut, ist ja nur die 2.ebene des bildes.

liebe grüße,
aram

Gast

Beitragvon Gast » 16.06.2006, 07:21

Da die Curry-Wurst in Berlin erfunden wurde ist sie in der Tat etwas Heimisches. ;-)
Ja, aram, aber gerade das was du als verdreht empfindest ist doch das allerwichtigste im Gedicht...
...jedenfalls empfinde ich das so, mal sehen was Gurke sagt

Liebe Grüße
Gerda

aram
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Beitragvon aram » 16.06.2006, 07:45

guten morgen gerda!
...und der curry?
aram

(hm, ich glaub ich geh mal kurz schlafen - mir entgehen zusehens die subtilitäten ;-)

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 16.06.2006, 09:49

Hallo...

...und vielen Dank für Eure Kommentare :grin:

Zum Erbleichen vor Hass. Ich habe diese Formulierung schon gehört und Hass ist mir im Zusammenhang wichtig. Ich forsche nach, ob es sie in der deutschen Sprache wirklich gibt.

Zur Currywurst; Ein urdeutsches Gericht sagen viele, dass aber ohne ein importiertes Gewürz nicht auskommt. Selbst die Schreibweise des Wortes Curry zeigt, das es nicht aus dem Deutschen kommt. Das lyrEr vergisst also, wenn er klagt, dass der Döner die Currywurst verdrängt, dass deutsche Kultur ohne den Einfluss anderer Kulturen nicht auskommt und nicht auskommen sollte.

Einen schönen Tag Euch allen

Jürgen

aram
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Beitragvon aram » 22.06.2006, 00:12

(sorry ich hatte diesen faden aus den augen verloren - war nicht geplant so lang zu schlafen)

hallo gurke,
jetzt verstehe ich dich!
vor deiner erklärung war ich in unklarheit, und zwar aufgrund des wortes "weiß" -

Er weiß,
der Döner verdrängt die Currywurst.

das klingt tendentiell so, als würde der erzähler mit dem lyr.er übereinstimmen -
"wissen" klingt nach objektivität, wird nicht relativiert ( "er meint zu wissen") -
ich hielt das für absicht -
wenn du das nicht so meinst - warum nimmst du nicht statt dessen z.b. - "Er denkt"?

- dann kann dieses missverständnis gar nicht erst aufkommen.
(ich würde noch zusätzlich das komma durch doppelpunkt ersetzen - damit ist das denken neutral dargestellt, weder zustimmend noch distanziert, und man kann auch nicht einwenden "aber so ist es - gibt ja kaum noch currywurst")

(die gibt's bei mir ums eck übrigens im dönerladen ;-)

was meinst du?
aram

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 22.06.2006, 10:39

Hallo aram

Dein Vorschlag überzeugt mich und ich übernehme ihn gerne.

Hier ist die alte Fassung

Er schimpft auf
arbeitsscheue Schmarotzer,
die ihm den Job wegnehmen.
Wettert gegen
moralisierende Fundamentalisten,
die seine Tochter anmachen.
Klagt über
Integrationsverweigerer,
Die ihm die Frau ausspannen.
Er weiß,
der Döner verdrängt die Currywurst.

Pigmente reichen
manchem Menschen aus,
um rot anzulaufen,
sich schwarz zu ärgern,
neidgelb zu werden,
und vor hass zu erbleichen.

Mit Dank

Jürgen


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