thomas milser
15/VI/2003
Liebesspiel (zart)
Ein Lächeln lässt die Sonne verblassen...Worte wie Sonaten von gläsernen Klavieren...sanfter Ostwind streichelt Gräser auf Sanddünen...ein seidenes Gewand gleitet langsam von den Schultern der Jungfrau hinab...eine Feldmaus säugt ihre Jungen...das erste Öffnen des Blütenkelches in der Morgendämmerung der Schöpfung...Geruch nach warmer Kuhmilch und Kardamom...Diamanten aus reinstem Salz schmelzen auf tastenden Zungen...feines feuchtes Moos, zart und weich wie Hummeln...Vertrauen wächst auf üppigen Feldern...irgendwo wird ein Kälbchen geboren...Tänze geschmeidig und still wie junge Aale...Wildpferde schweben in Standbildern über Nebelwiesen...Galaxien implodieren ohrenbetäubend lautlos...ein Knabenchor stimmt das Ave Maria an...und fürsorgliche Wolken umhüllen einen seligen Mond...
Liebesspiel (hart)
Blicke entzünden nasse Schwämme...ein Trupp Waldameisen macht sich an einer fetten Schmetterlingslarve zu schaffen...der FC St. Pauli geht zuhause mit Eins zu Null in Führung...warmer Urin spritzt über Bordsteine... mongolische Reiterhorden brandschatzen ein kirgisisches Bergdorf...sabbernde Greise onanieren gemeinsam auf langen Bänken in kalkgeweißten Fluren eines südamerikanischen Krankenhauses...Hitler grinst...Stiche der Tse-Tse-Fliege in Halsschlagadern...konvulvisches Würgen der Anakonda...Schreie von Insassen eines abstürzenden Linien-Flugzeugs...das Weltenmeer steht in Flammen...Schwefellava ergießt sich über sizilianische Lämmer...und die Gottesanbeterin rülpst...
Liebesspiel zart/ Liebesspiel hart
- Thomas Milser
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Zuletzt geändert von Thomas Milser am 29.11.2021, 15:40, insgesamt 6-mal geändert.
Lieber Tom,
die beiden texte sind sehr stark! Das finde ich mit das Stärkste von dir bisher...ich bin wirklich SEHR begeistert!
Eine Anmerkung: bei Liebesspiele hart würde ich schreiben: Hitler spricht...denn das war das verführerische, nicht sein grinsen, oder? Dann hätte man einen wirklichen Bezug zu "Liebesspiele". Oder gibt es einen anderen, den ich nicht kenne?
die beiden texte sind sehr stark! Das finde ich mit das Stärkste von dir bisher...ich bin wirklich SEHR begeistert!
Eine Anmerkung: bei Liebesspiele hart würde ich schreiben: Hitler spricht...denn das war das verführerische, nicht sein grinsen, oder? Dann hätte man einen wirklichen Bezug zu "Liebesspiele". Oder gibt es einen anderen, den ich nicht kenne?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
- Thomas Milser
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Lisa: Vielen lieben Dank. Ich erröte ob Deines Überschwanges. Ich bin wirklich überrascht, dass gerade dieses Ding Deinen Nerv trifft. Freu!!!
Leider weiß ich nicht, was an Hitler verführerischer war, seine Rede oder sein Grinsen.
Direkten Bezug zum Titel hat ja eigentlich keins der aufgeführten Bilder. Ich habe hier nur spontane Eindrücke rausgefetzt, brühwarm, aufgewühlt und ungefiltert. Ich werde auch keines davon ändern. Sorry, aber das ist seinerzeit so entstanden, und Nachbesserungen halte ich speziell bei solchen Gefühlstexten für problematisch. Sie spiegeln das 'Damals' wider und nicht die heutige Sicht- oder Schreibweise. Inhaltlich ändere ich alte Texte nur sehr selten. Bei Kolumnen oder längerer Prosa ist das natürlich was ganz anderes.
Aber nochmal dankeschön,
Tom.
Leider weiß ich nicht, was an Hitler verführerischer war, seine Rede oder sein Grinsen.

Direkten Bezug zum Titel hat ja eigentlich keins der aufgeführten Bilder. Ich habe hier nur spontane Eindrücke rausgefetzt, brühwarm, aufgewühlt und ungefiltert. Ich werde auch keines davon ändern. Sorry, aber das ist seinerzeit so entstanden, und Nachbesserungen halte ich speziell bei solchen Gefühlstexten für problematisch. Sie spiegeln das 'Damals' wider und nicht die heutige Sicht- oder Schreibweise. Inhaltlich ändere ich alte Texte nur sehr selten. Bei Kolumnen oder längerer Prosa ist das natürlich was ganz anderes.
Aber nochmal dankeschön,
Tom.
Hey,
für mich eine mehr oder weniger zufällige Aneinderreihung von Situation in beiden Teilen. Im ersten Teil fehlt mir das Spiel und im zweiten auch noch die Liebe.
Lisa, nicht nur Hitlers Sprache war verführerisch, sondern auch der Humor des Führers.( siehe 'The New Yorker' vom 22. Mai)
moshe.c
für mich eine mehr oder weniger zufällige Aneinderreihung von Situation in beiden Teilen. Im ersten Teil fehlt mir das Spiel und im zweiten auch noch die Liebe.
Lisa, nicht nur Hitlers Sprache war verführerisch, sondern auch der Humor des Führers.( siehe 'The New Yorker' vom 22. Mai)
moshe.c
- Thomas Milser
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Hi Moshe.
Schon klar. Liebe und Spiel kann man aber hier nicht trennen, weil 'Liebesspiel' in diesem Fall mit 'Geschlechtsakt' gleichzusetzen ist.
Zu diesen Texten hatte ich unter 'Ritter' (Liebeslyrik) zu Lisa schon etwas erläutert. Der geneigte Leser möge doch da mal gucken.
Ansonsten ist mir aber klar, dass hierzu ziemlich kontroverse Meinungen zustande kommen werden. So mag ich das.
Gruß vom Tom.
Schon klar. Liebe und Spiel kann man aber hier nicht trennen, weil 'Liebesspiel' in diesem Fall mit 'Geschlechtsakt' gleichzusetzen ist.
Zu diesen Texten hatte ich unter 'Ritter' (Liebeslyrik) zu Lisa schon etwas erläutert. Der geneigte Leser möge doch da mal gucken.
Ansonsten ist mir aber klar, dass hierzu ziemlich kontroverse Meinungen zustande kommen werden. So mag ich das.
Gruß vom Tom.
- Thomas Milser
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Nein, keineswegs. Liebesspiele sind beide (steht ja jeweils obendrüber).
Teil 1 entspricht Metaphern, die sich bei mir nach äußerst zärtlichem, langsamen, liebevollen Akt einstellten. Teil 2 entstand dementsprechend nach einer wüsten, hemmungslosen, rohen, triebhaften und unflätigen Begattung (geiler Wort).
Beides Erlebnisse höchster Intensität, weil ich die Frau sehr liebte. Von solch hoher Intensität, dass 'handelsübliche' Worte einfach nicht in der Lage waren, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ob die gewählten Metaphern das für den Leser transportieren, hängt stark von dessen eigenem Erfahrungsschatz ab. Ein Anspruch hierauf besteht nicht.
Tom.
Teil 1 entspricht Metaphern, die sich bei mir nach äußerst zärtlichem, langsamen, liebevollen Akt einstellten. Teil 2 entstand dementsprechend nach einer wüsten, hemmungslosen, rohen, triebhaften und unflätigen Begattung (geiler Wort).
Beides Erlebnisse höchster Intensität, weil ich die Frau sehr liebte. Von solch hoher Intensität, dass 'handelsübliche' Worte einfach nicht in der Lage waren, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ob die gewählten Metaphern das für den Leser transportieren, hängt stark von dessen eigenem Erfahrungsschatz ab. Ein Anspruch hierauf besteht nicht.
Tom.
Beide texte sind für mich Persiflagen...und auch wieder nicht...ihr Zusammenspiel zaubert für mich die Realtivierung beider, sodass der Kitsch oder Ekel abgeworfen werden und etwas übrig bleiben kann, was der Leser liest ...
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
- Thomas Milser
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???Eine Verspottung des Liebesaktes kann ich nicht entdecken. Seltsam, dass das so rüberkommt. Was ist eine Realtivierung, Lisa?
Eine relativierung der beiden Ebenen sehe ich für mich in dem Gegenüberstehen der beiden Ebenen...sie relatvieren sich gegenseitig.
So wird Schönes durch das Harte zum Kitsch erklärt
zugleich das Harte vom Schönem ebenso negiert...
und beide haben Recht und eben auch Unrecht...dadurch fällt für mich das Kostüm von zarter Liebe und harter Liebe bei den beiden ab und stehen sich nackt gegenüber...und damit erst sagen die beiden Texte etwas für mich über die Liebe...und ihre Spielarten...
So wird Schönes durch das Harte zum Kitsch erklärt
zugleich das Harte vom Schönem ebenso negiert...
und beide haben Recht und eben auch Unrecht...dadurch fällt für mich das Kostüm von zarter Liebe und harter Liebe bei den beiden ab und stehen sich nackt gegenüber...und damit erst sagen die beiden Texte etwas für mich über die Liebe...und ihre Spielarten...
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
- Thomas Milser
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das ist eine sehr interessante Betrachtung, Lisa... auf sowas Tiefschürfendes wäre ich gar nicht gekommen... da muss ich mal drüber schlafen... Aber danke an Dich und ale Anderen...Toll, wie Ihr Euch mit den Texten beschäftigt... das ist echt fruchtbar
Tom
Tom
Hallo Tom,
natürlich polarisieren diese Metaphern. Ich denke, das Problem beim Dichten über Sex ist, dass es leicht entweder ins Kitschige oder ins Rohe abgleitet. Ich gebe Lisa recht, in der Ergänzung sprechen sie anders als je für sich.
Mir gefällt sehr, dass Du hier tatsächlich Metaphern findest und nicht den Akt an sich beschreibst. Selbstverständlich finde auch ich manches unpassend. kitschig oder gar ekelig. Anderes aber auch äußerst treffend Aber das ist doch klar, dass gerade, wenn es um Sex geht, nicht für alle dieselben Bilder stimmen.
Liebe Grüße
leonie
natürlich polarisieren diese Metaphern. Ich denke, das Problem beim Dichten über Sex ist, dass es leicht entweder ins Kitschige oder ins Rohe abgleitet. Ich gebe Lisa recht, in der Ergänzung sprechen sie anders als je für sich.
Mir gefällt sehr, dass Du hier tatsächlich Metaphern findest und nicht den Akt an sich beschreibst. Selbstverständlich finde auch ich manches unpassend. kitschig oder gar ekelig. Anderes aber auch äußerst treffend Aber das ist doch klar, dass gerade, wenn es um Sex geht, nicht für alle dieselben Bilder stimmen.
Liebe Grüße
leonie
- Thomas Milser
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Hallo Leonie,
das hast du glaube ich sehr treffend zusammengebracht. Und die Bilder stimmen nichtmal nur für unterschiedliche Menschen nicht überein, sie tun es selbst beim selben Menschen und unterschiedlichen Partner nicht. Diese Metaphern könnte ich nicht beliebig auf andere Momente übertragen, sie gelten nur für diesen Einen und diese eine Geliebte. Ist das nicht schön?
In diesem Sinne: Gute Nacht, und viele kitschige und eklige Momente wünsch' ich Euch. O:)
Tom.
das hast du glaube ich sehr treffend zusammengebracht. Und die Bilder stimmen nichtmal nur für unterschiedliche Menschen nicht überein, sie tun es selbst beim selben Menschen und unterschiedlichen Partner nicht. Diese Metaphern könnte ich nicht beliebig auf andere Momente übertragen, sie gelten nur für diesen Einen und diese eine Geliebte. Ist das nicht schön?
In diesem Sinne: Gute Nacht, und viele kitschige und eklige Momente wünsch' ich Euch. O:)
Tom.
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