Unsere Tragödie

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 18.06.2006, 19:20

Für unsere Tragödie
gibt es keinen
Regisseur.

Ich bin's nicht,
Du nicht
und auch
der leere Himmel
ist es nicht.

pandora

Beitragvon pandora » 18.06.2006, 19:27

verehrter herr ost,

ist`s der himmel, der regie führt?

p.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 18.06.2006, 19:29

Ach Pandora,

der Himmel ist leer. Negativ: Da führt keiner Regie.

Grüße

Paul Ost

Max

Beitragvon Max » 18.06.2006, 20:02

Liebr Paul, oder verehrter Herr Ost,

je nachdem welche Anrede Dir/Ihnen/Euch genehm ist. Ich dachte gerade so bei mir (da bin ich nämlich und bei wem sollte ich sonst auch denken), dass das Gedicht vielleicht auch ohne die explizite Erwähnung der Tatsache, dass der himmel keine Regie führt, recht ansehnlich daher käme. Zum Beispiel in der zweiten Strophe so:

Ich bin's nicht,
Du nicht
und auch
der Himmel über uns
ist leer.

(Wobei der Himmel natürlich nicht unbedingt über uns sein muss)

Liebe Grüße
Max

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leonie
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Beitragvon leonie » 18.06.2006, 21:19

Paul Ost grüßt aus der metaphysischen Obdachlosigkeit. Interessante These, entbindet von der Suche nach Ursachen und Schuldfragen.
Und interessantes Ping-Pong. Ich arbeite schon am Return.

Liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.06.2006, 21:55

Lieber Paul,
dieses Antwort-Gedicht auf Leonies finde ich grandios!

Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 19.06.2006, 15:42

Lieber Max,

die Form dieses Gedichtes gefällt mir so ganz gut. Wie Pandora richtig angemerkt hat, würde man wohl erwarten, dass vom Regisseur im Himmel die Rede ist, nicht aber von einem Himmel, der keine Regie führt. Ich wollte aber durch diese Formulierung unterstreichen, dass noch nicht einmal die Erwartung eines belebten Himmels vorhanden ist. Dabei habe ich ebenfalls daran gedacht, dass der Himmel im Deutschen zwei Bedeutungen trägt, für die die englische Sprache beispielsweise zwei Worte hat: heaven und sky.

Liebe Leonie,

die Suche nach Ursachen ist oft sinnlos. Oft handeln wir, und erzählen uns dann nachher Geschichten über Ursachen und Beweggründe, die aber kaum darüber hinwegtäuschen können, dass wir schon handelten, bevor wir die Gründe kannten.

Von der Suche nach Verantwortlichkeiten kann man sich zwar befreien. Wer aber verantwortungslos lebt, lebt unglücklich. Dieses Gedicht drückt dabei eher verzweifelte Betroffenheit aus. Camus' metaphysische Obdachlosigkeit trifft's ganz gut. Wenn dann noch der naive Glaube an die Liebe fehlt, wird's eben traurig.

Es ist aber nicht nur ein Liebesgedicht. Mir geht gerade ein schöner Song von Queen durch den Kopf: Is this the world we created? We made it all wrong...

Übrigens vielen Dank für Deine Vorlage!

Es grüßt heiterer als sein Gedicht

Paul Ost

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Beitragvon leonie » 19.06.2006, 17:23

Lieber Paul Ost,

was die Ursachenforschung betrifft, gebe ich Dir recht. Bringt im Nachhinein oft nichts, sondern endet im Spielchen „Wer hat angefangen?“ Das kann man schon im Kindergarten beobachten.
Ja, es ist wirklich ein trauriges Gedicht.

Mein Return beschäftigt sich mit dem leeren Himmel, du findest ihn unter Allgemeine Lyrik, falls es Dich interessiert. (Aus allen Wolken)

Liebe Grüße
leonie


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