handlauf ins nirgendwo

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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noel
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Beitragvon noel » 22.08.2009, 15:50

spieß
_routen im bürgerlauf
volksnahe spieß
_bürger auf gepfählten
routen
spieß
speis
spei
spe

vERSATZstücke aus faden
_scheinigen bekenntnissen
ein webpelz mit filz
_knötchen die zu wollblüten
stilisiert werden.
pfahle
fahle
helf
elf

schlag
_worte der täglichen konVENTion
standard aus
_druck befriedet gegen die realiTAeT

nieselprieme
pieselrieme
lispel reim
spiel meil
spei leim
sei peil
lispel
spiel
lies
sei

hinterm zaun
raunen sie, fern von ohren
dieser welt,
dieser welt
rufen sie gemeinSchaftlIch,
schlagWorte zu
schlagWorte die hand
_lauf sind ins nirgendwo

schlage
gelach
lache
lach
ach
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 27.08.2009, 23:21

Liebe Noel,

Ich fühle mich von diesem sorgfältig ausgewogenen und abgewägten Ablauf der Worte sowohl aufgespießt wie betroffen.
Ich bewundere deine Sprachgenauigkeit.

Nur einige Übergänge verstehe ich nicht : lispel reim // spiel reim und das fehlende s von gelach ...
schön finde ich "lach // ach"

Vermutlich gibt es gar keine "Logik" ... solllte es eine Erklärung geben, wäre ich sehr froh, sie zu bekommen.

lG
Renée

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 28.08.2009, 11:40

Ja, da steckt viel Feines drin und es ist gar nicht verfilzt, sondern ein sorgfältiges Muster! Am stärksten ist der Einstieg. Die erste Strophe wäre schon allein ein Gedicht, ich würde sie aber bei "spei" enden lassen. Die nieselpriem-Strophe ist in der Tat nicht mit Logik zu erfassen, aber das Gehabe der Spießbürger ist dies ja auch nicht. Die Mittelstrophe:

schlag
_worte der täglichen konVENTion
standard aus
_druck befriedet gegen die realiTAeT


ist mir ein wenig zu verkopft, ich werde ausgebremst, weil ich nachdenken muss und mich frage, ob "befriedet" hier das richtige Wort ist. Spießbürger sind nicht friedlich, sie sind latent agressiv, finde ich.

Dafür sind die schlagWorte wieder besonders bildreich.


Liebe Grüße
fenestra

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noel
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Beitragvon noel » 28.08.2009, 11:51

ciao renèe,

der erste erwähnte übergang
"lispel reim
spiel meil" folgt nicht wirklich
einer logik.
aber an gelach` ist kein S abgefallen...
wo hättest du es denn gerne gesehen???



werte fenestra
gerade nach dem SPEIen sollte ein wenig hoffnung folgen, derenhalben SPE

das verkopfte zitat JAWOLL, aber mit abSicht

zur befriedung... du verwendest das wort für meine empfindung, nicht
in meiner empfindung
hat nichts friedlich zutun

http://de.wikipedia.org/wiki/Befriedung


danke für euer interesse
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 28.08.2009, 18:01

Liebe noel,

Fahle Schlagworte sind zum Speiben, denn sie entspringen Spießergehirnen,
sich davon abgrenzen, ist die hohe Kunst der Individualität.

Das sagt mir dein gelungenes Gedicht!

Form und Wortwahl ziehen mich an, klasse!

LG
ELsa
Schreiben ist atmen

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 29.08.2009, 22:39

spE - in der Tat (ich las es mit schwachem e). Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und mit der Befriedung, wenn man sie in dem von dir verlinkten Sinne versteht, passts natürlich ganz genau!

Habe heute zufällig ein Buch begonnen, das sich genau um das Thema deines Gedichts dreht: "Wäldchestag" von Andreas Maier.

Liebe Grüße
fenestra

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 03.09.2009, 13:57

Liebe Noel,

ich habe dein Gedicht schon vor einiger Zeit wieder gelesen, und - da ich manchmal etwas mehrmals ansehen, lesen muss, um zu verstehen (wobei man nie alles versteht) - es sprangen mir dann deine Grund'regeln' ins Auge : das graphische und menschliche Entschwinden. Also kein "s" fehlt.

Zu diesen Oulipo und lettristischen Tendenzen (es ist kein Lettrismus) habe ich einen schweren Zugang, aber dieses "Handlauf" (das immer noch stellenweise rätselhaft bleibt) hat mir sehr gut gefallen.

liebe Grüße

Renée

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noel
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Beitragvon noel » 11.09.2009, 19:31

merci
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.10.2009, 15:28

Liebe noel,

das entdecke ich jetzt erst - es gibt ja viele Autoren, die versuchen mit solchen Wortspielen/solch einem Worttreiben etwas einzufangen, oft aber mag ich nicht, wie es (nach einer Weile) in Beliebigkeit abdriftet. Hier aber finde ich, dass Renee es ganz trifft, wenn sie deine Wortgenauigkeit betont. Das macht mir nicht nur Freude für diesen Text hier, sondern öffnet meine Lesebereitschaft für andere solche Texte und das ist wichtig.

Obwohl mir dieser Text übrigens auch optisch so wie er ist gut gefällt, könnte ich ihn mir wieder zu einem Video ganz wirkungsvoll vorstellen. Könnte man nur einfach manchmal seine Ideen herbeischnippen zur Materialisierung!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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noel
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Beitragvon noel » 15.10.2009, 17:54

danke meine liebe
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selachde

Beitragvon selachde » 16.02.2010, 20:05

hi noel, der titel verspricht es und der text hält es. interessant, konzentriert und gründlich poetisch. lg. s.

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noel
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Beitragvon noel » 17.02.2010, 17:29

selachde hat geschrieben:hi noel, der titel verspricht es und der text hält es. interessant, konzentriert und gründlich poetisch. lg. s.



grazie a te :)
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selachde

Beitragvon selachde » 17.02.2010, 20:04

gerne. :lachen0031:


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