Sprachgetändel

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 19.01.2010, 11:30

Pastorale


Abgesplittert fades Lächeln
aus der Biedermeierzeit.
Um die dunklen Sträucher fächeln
Düfte der Vergangenheit.

Vorgestreckt das gelbe Beinkleid
mit dem lackbeglänzten Schuh,
beugt sich voll Ergebenheit
schelmisch lächelnd der Filou.

Hinter Fächern halb versteckte,
aufgestaute Triebe gären,
die des Amors Pfeil erweckte.
Schamvoll Schaudern, süß Begehren.

Weiß die Feder taumelt nieder,
wo der Falke schlug die Taube.
Lüstern löst der Schönen Mieder
ein Adonis in der Laube.

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 19.01.2010, 11:55

Hallo Schwarzbeere,
eine stimmungsvolle Momentaufnahme, die bei mir zwar kein Bild, aber dennoch einen starken sinnlichen Eindruck hervorruft.
In Strophe 2 bei "beugt sich voll Ergebenheit" holpert es für mich allerdings arg. Zum einen müsste da noch eine Silbe rein - etwa "beugt sich voller Ergebenheit", zum anderen liegen die Hebungen und Senkungen dann quer zur Betonung ("beugt sich voller ERgeBENheit"...). Und die erste Zeile der letzten Strophe, "Weiß die Feder taumelt nieder" ist für meinen Geschmack etwas zu krude angeordnet. "Weiß taumelt die Feder nieder" fände ich schon glatter, obwohl sich das "weiß" dann immer noch auf das "taumeln" bezieht statt auf die Feder - wenn das nicht gemeint war, wäre mir "Die weiße Feder taumelt nieder" bzw. "Weiße Federn taumeln nieder" lieber - wobei mir "taumeln" etwas zu grob vorkommt für die doch recht anmutige Art, mit der eine Feder zu Boden schwebt und sich dabei in der Luft wiegt.
Vielleicht könnte man da noch etwas dran feilen. Ansonsten hat mir das Gedicht sehr gut gefallen. Spontan wurde ich dabei an Nietzsches "Im Süden" http://www.textlog.de/21156.html erinnert.
Liebe Grüße
Merlin

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noel
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Beitragvon noel » 19.01.2010, 18:20

ja stimmungsvoll
& ich finde keinen holperer...

dies halb zog ich, halb sank ich
finde ich formidable ausgedrückt
*knicks
noel
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 19.01.2010, 22:19

Hallo Merlin,

Wie Du zählst und skandierst, ist mir nicht ganz klar, da Du diesen Text, der ein korrektes Beispiel für trochäische Vierheber darstellt, durch Silbeneinschub verkrüppeln willst. Ich habe eben in der immer interessanten Wikipedia nachgelesen und fand

„Deshalb ist es für jeden Lyrikfreund, der zum Beispiel ein Gedicht von Schiller, Heine? oder Brecht interpretiert, ein besonders freudiges Ereignis, plötzlich einen auftaktlosen Vers und damit einen waschechten Trochäus zu identifizieren („Fúellest wíeder Búsch und Tál…“, Goethe).“

Da sind wir also aneinander vorbeigegangen, ohne uns zu begegnen, noch zu verstehen. Trotzdem danke ich Dir für Deinen Kommentar.

Schwarzbeere

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 19.01.2010, 22:24

Dir, liebe Noel,

kann ich hier eigentlich nur danken, doch vielleicht interessiert es Dich, dass dieser Text von dem Wort „abgesplittert“ ausgelöst wurde, das in mir die Idee einer Art von Bildbeschreibung entstehen ließ (ein Bild, bei dem die Farbe sich abzulösen beginnt, für Dich als bildende Künstlerin wahrscheinlich eine gräßliche Vorstellung!)

Abendgrüße aus Österreich, daher auf meiner deutschen Klaviatur kein Trema.

Schwarzbeere

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 20.01.2010, 11:18

Hallo Schwarzbeere,
wenn ich mir die Silbenanzahl in jeder Zeile ansehe, hat der Text die Struktur 8-7-8-7/8-7-7-7/8-8-8-8/8-8-8-8. An allen anderen Stellen ist also die Silbenzahl der einander im Reim entsprechenden Zeilen die gleiche, und wenn dieses Muster an einer Stelle aussetzt, stolpere ich eben. Soweit mein Leseeindruck. Vielleicht ist das auch nur mein Problem, anderen Lyrikfreunde geht es ja offenbar anders. Mehr kann ich dazu nicht sagen - wenn es so gedacht ist, ist es eben so.
Liebe Grüße
Merlin

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 20.01.2010, 11:51

Hallo,
holpert für mich auch nicht. So les ich die Zeile: "BEUGT sich VOLL ErGEbenHEIT"

Die letzte unbetonte Silbe einer Zeile wegzulassen ist durchaus gängig, die Zeilen müssen nicht immer gleich sein.

Der Wikipedia-Artikel ist in der Tat ganz informativ dazu.

Gern gelesen
Zakkinen

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 20.01.2010, 12:12

Ja, so habe ich es auch zuerst gelesen. Ein Fehler ist die Stelle sicher nicht. Natürlich müssen Zeilen nicht gleich lang sein - dafür gibt es in der Tat genug prominente Beispiele, die ich sehr schätze. Was mich stört - immer noch, obwohl ich inzwischen einige Zeit versucht habe, mich damit anzufreunden - ist wohl weniger die Strophe an sich, sondern ihr Verhältnis zum übrigen Text, der einem sehr eingängigen Rhythmus folgt. Diese Besonderheit trifft mich irgendwie - unvorbereitet.
Naja, ich glaube, da ist nicht viel zu machen. Manchmal hat der Kopf seinen eigenen Willen. Bleibt es eben ein sehr schöner Text, der mir sicher noch lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird, während ich nach altem Silvesterbrauch immer wieder über den Tigerkopf im Klangteppich falle :-).

Heidrun

Beitragvon Heidrun » 20.01.2010, 12:37

Kommentar wegen Löschung des Accounts entfernt.
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