Dichtermuße

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Jürer trans Brauklin

Beitragvon Jürer trans Brauklin » 11.06.2006, 19:48

Dichtermuße

Nachts flickern die Dichter im Kerzenlichte
wie Spinnen ihr Netz: Gesänge, Gedichte.
Das Haupt mit starkem Blutandrang,
das Herz voll Gefühlsüberschwang
sind dann solang auf Nahrungsfang,
bis Worte in Versen zappeln auf dem Papier,
und zubereitet ist das Lebenselixier.

Der Dichter ist ein Enthusiast,
ein Träumer, Schwärmer und Phantast,
er findet weder Ruh noch Rast,
bis alles in allem zusammenpaßt.
Gedanken klopfen wie Regentropfen ihm im Geist,
im glutenden Dunst wird das Verworrene entzweist
bis er das Werk mit virtuosen Versen gespeist.

Der Poet ist ein Kopfathlet,
ein Freund der Muse, ein Ästhet,
so visionär wie ein Prophet,
der dann erst zum Schlaf übergeht,
wenn in der Morgendämmerung
beendet sein Wortüberschwung.


PS.: Des Nachts ernährt sich der Verfasser
nur von Zigaretten und Wasser.

Herby

Beitragvon Herby » 12.06.2006, 10:15

Hallo Jürer,

hier nur einige Anmerkungen zur Sprache deines Gedichts.

1. Du schreibst:

Nachts flickern die Dichter im Kerzenlichte
wie Spinnen ihr Netz: Gesänge, Gedichte.


Nun ist gegen Neologismen grundsätzlich ja nichts zu sagen, aber bei "flickern" entzieht sich mir der Sinn, und zwar sowohl im Hinblick auf die Dichter als auch auf den Vergleich. Spinnen flickern ihr Netz??

2. Dann schreibst du:

Gedanken klopfen wie Regentropfen ihm im Geist,
im glutenden Dunst wird das Verworrene entzweist


Was meinst du denn hier mit "entzweist"? Ich weiß ja nicht, ob du tatsächlich an "entzweien" gedacht hast, doch falls ja, hättest du die Grammatik ziemlich heftig des Reimes wegen vergewaltigt. Außerdem erschlösse sich mir der Sinn von "entzweien" hier nicht im Kontext.

3. In der letzten Strophe heißt es:

der dann erst zum Schlaf übergeht,
wenn in der Morgendämmerung
beendet sein Wortüberschwung.


Hier stimmt die Syntax nicht. Entweder "wenn in ... endet sein ..." oder aber "wenn in ... er seinen ... beendet" oder "wenn die Morgendämmerung seinen ... beendet".

Von diesen drei Punkten abgesehen, holpert das Versmaß stellenweise heftig. Dein Gedicht würde gewinnen, wenn du es sprachlich noch mal überarbeiten würdest ( können wir auch gemeinsam machen, wenn du möchtest ), denn die Grundidee hinter deinen Versen ist reizvoll ( wenn auch nicht unbedingt neu ).

Liebe Grüße
Herby

Jürer trans Brauklin

Beitragvon Jürer trans Brauklin » 12.06.2006, 22:46

Hi Herby,
danke für Deine wie immer sehr konstruktiven Anmerkungen!

1. "flickern" ist tatsächlich ein Neologismus, ich hätte auch "flicken" schreiben können, aber "flickern" hat mir besser gefallen.

2. Ich dachte wirklich, man könnte "entzweist" im Sinne von entzweien, also auseinandernehmen sagen.

3. Mir ist nicht ganz klar, wieso ich nicht "beendet sein..." schreiben kann.

Das mit dem Rhythmus ist noch mein Problem.
Es freut mich sehr, dass Du mir Deine Hilfe anbietest, um es zu überarbeiten!

Wahrscheinlich gibt es kaum noch neue Grundideen, dazu habe ich das Gedicht "Das Epochenproblem" geschrieben, vielleicht kannst du es auch mal lesen.

LG jürer


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