Heimatlos...wer bin ich?

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 05.07.2009, 11:59

HEIMATLOS...WER BIN ICH?

Heimatlos…wer bin ich?
Und augenlos…wer bin ich?
Ich vergehe mit den Tränen auf Wangen
Werde zu Salz und einer See
Einer See, die ihren Ufern fremd ist
Die zur Dämmerung unter deinen Brauen drängt

Was kann mich jener Süßheit zurückbringen?
Und den Gedichten des Palmengrüns?
Keine Klagen sind zu geben
Keine Kriege sind mit meinen Händen zu führen
Es gibt weder Macht noch Geduld
Und irgendwie verliere ich mich in Illusionen

Es gibt kein Schicksal, das meine Tage errettet
Noch erhellen Historien meine Haut
Nur der Wind streicht mir über den Nacken
Ins Seufzen hinein bin ich geschrieben
Und meine Lieder flackern auf dem Gesicht der Nacht

Zwischen dem Frühling, der Ekstase, dem Balsam
Und all den Schwertern…all den Schwertern
Zwischen den irakischen Augen und dem Türkis
Wer wird mich tragen, wenn ich fern von dir wandle?
Wer wird mich auf den Schwingen arabischer Melodien tragen?
Wer?
Wer wird mich für eine Weile umarmen
Wiegend oder rauschend
Wer wird mich eine Träne sehen lassen
Einen Untergang oder eine Niederwerfung voraussagen?
Wer?
Wohin werde ich gehen,
Ohne das Exil deiner Augen?
Wohin?
In all die verlorenen Versprechungen werde ich zurückkehren
In all die verlorenen Sehnsüchte
Und der Erinnerungen Schmerz

Heimatlos…wer bin ich?
Und augenlos…wer bin ich?
Verzweifelt ohne den Mund,
Der mich mit Feuer und Leben füllt,
Der meine Adern wässert
Wer bin ich?

Was kann mich vor der Not meiner Träume erretten?
Was kann mich jener Süße zurückbringen
Den Weiden zwischen deinen zwei Händen,
Und mich zart wie ein Kind machen
Oder blumig wie deinen Morgentee?
Wer bin ich ohne dich, oh Liebste?
Wer bin ich…zerrissen zwischen Poesie und Wahn?
Ohne dich?
Oh, ich bin bedeutungslos!

Ich wünschte ich wär nur einer deiner Gedanken
Der zierlichste
Vielleicht fern deiner Vorlieben
Dennoch nahe deiner Obhut
Oder Sand in deinem Haar
Oder tränengleich auf den Seiten deines Tagebuches
Vage wie Silhouetten am Saum des Horizontes

Lass mich einfach bei dir sein
Wie das klingende Parfum auf deinem Nacken
Elegant, sandelhölzern und in deiner Nähe
Lass mich einfach bei dir sein
Entflohen, all dem Trug
All den Tagen
Sogar fern jeglicher Halluzination

Nichts ist zwischen meinen Fingern übrig
Noch gibt es Verzückung für mein Auge
Alles, was ich besitze, ist die Zuneigung zu dir
Du
Ob Flamme oder Regen
Ob Königreich oder Sklaverei

Gänzlich zerronnen bin ich
Ausgenommen der Seufzer, die ich dir widme
Die Dunkelheit deiner Augen würde fluten
Ozeangleich

Wer bin ich?
Heimatlos und augenlos?
In der Umgebung meiner Liebsten Schultern
In ihrem Schoß versinkend
Als ob ich die Nacht wäre
Ihre Tücher
Ihr Duft?

Legenden liegen zwischen uns
Heldentum, Tyrannei und Lieblichkeiten
Kein Staat kann mich beherbergen…außer dir
Kein Windhauch
Keine Jahreszeit
Kein Schicksal kann unsere Geschichte erzählen

War ich dazu bestimmt zu sterben
Verglommen vor der Krone einer Frau?

Jahrhundertelang schwor ich meinen Augen ab
Habe mich den Nächten gewidmet
Den schlaflosen
In all ihrer Trunkenheit,
Um dein zu sein
Und du verbanntest mich
Wer bin ich?
Heimatlos und augenlos?
Singend, tötend und unbekehrbar

-

HOMELESS...WHO AM I?

Homeless…who am I?
And eyeless…who am I?
I am dissolving with the tears on cheeks
I become salt and sea
A sea strange to its shores
Heading for the sunset under your brows

What can return me to the sweetness?
And the poems of the palmy green?
There are no cries to give
There are no wars to strike from my hands
There is no power
There is no patience
And somehow I seem to get lost

There is no destiny that dyes my days
Nor does a story light my skin
There is the wind upon my back
I am written into sighs
And my songs glint on the face of the night

Between the springs, the ecstasy, the balm
And all of the swords
Between the Iraqi eyes and the turquoise
Who will carry me if I had gone astray from you?
Who will carry me upon the wings of Arabic music?
Who?
Who will hold me for a while
Dandling or rushing
Who will let me see a tear,
Tell a perdition and surrender?
Who?
Where will I go to without the exile of your eyes?
Where?
I will run into all of the lost promises
I will run into all of the lost longings
And the painful memories

Homeless…who am I?
And eyeless…who am I?
Lost without the mouth filling me with fire and blood
Watering my veins
Who am I?

What can rescue me from the extremis of my dreams,
What can return me to the sweetness?
To the fields between your pair of hands?
And make me soft like a child
And make me subtle like your favourite tea
Who am I without you, oh Love?
Who am I torn between poetry and madness?
Without you?
I am meaningless!

I wish…if only I could be a thought for you
The daintiest
Maybe far from your favour
Yet still close to your custody
Or sand between your hair
Vague like silhouettes at the hem of the horizon
Just let me bet with you
Like the tints of perfume on your neck
Tiny and strange and close to you
Just let me be with you
Flown from the lies and the deception of days
The days even beyond hallucination

There is nothing left between my fingers
Nor is there delight to my eye
All what I own is the love to you
You…if flame or rain
If kingdom or slavery

I am melted except from the sighs that you utter
I tide up within the darkness of your eyes like water
Who am I?
Homeless and eyeless?
Hanging around my precious one’s shoulders
And sinking into her thigh
As if I was the nights, its sheets and its perfume?

There are legends between us
There is heroism and tyranny and there is loveliness
No country can carry me…except you
No wind and no season
No destiny can tell our story
Was I mend to end up dusted in front of a woman’s crown?

For ages I have denied my eyes
I have attached myself to the night
In all its longing and madness and drunkenness
To become yours
And you have refused me
Who am I?
Homeless and eyeless
Singing and killing
And nobody can proselytise me

-

VFM
Zuletzt geändert von FawzZalum am 14.07.2009, 12:53, insgesamt 2-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 05.07.2009, 23:29

Liebe Zafar,

dies ist nur ein erster und vermutlich unvollkommener Eindruck: mir scheint, dass hier weniger mehr gewesen wäre, um auf die eingangs gestellte Frage "wer bin ich" die Antwort "Singend, tötend, unbekehrbar" zu finden. Und kann es sein, dass du hier Stoff für gleich mehrere Einzelgedichte verarbeitet hast?

Vielleicht hat mich aber auch nur die Länge des Textes erschlagen und unaufmerksam gemacht, zumal ich ihn nur am Laptop und nicht ausgedruckt gelesen habe, was mir gerade bei längeren Texten eher liegt. Aber das lässt sich ja ändern.

Übrigens noch eine grundsätzliche Bemerkung: ich finde es einerseits wirklich toll und inspirierend, dass du deinen Texten die englische Version beigibst. Andererseits könnte ich mir vorstellen, dass es für dich frustrierend ist, dass sich díe meisten Kommentare (meine/n eingeschlossen!) primär auf deine deutschsprachigen Texte konzentrieren. Eigentlich hätten es beide verdient, besprochen und/oder verglichen zu werden. Aber dazu fehlt vielfach leider die Zeit und die Sprachkenntnis.
Lass mich in diesem Zusammenhang noch eine Frage bzw. Anmerkung loswerden: Im deutschen Text heißt es...

Keine Klagen sind zu geben
Keine Kriege sind mit meinen Händen zu führen
,

... im Englischen

There are no cries to give
There are no wars to strike from my hands


1. Gibt's im Englischen die Formulierung "to give cries" ?

2. In der deutschen Version stört mich die Kombination "Klagen ... geben", das Verb "führen" wäre hier sicherlich gebräuchlicher. Allerdings verbietet es sich wegen der Verwendung im folgenden Vers, eine Dopplung wäre stilistisch ebenso wenig gut wie "ich kann nicht klagen", was zudem von der Aussage her irritierend wäre. Siehst du keine andere Möglichkeit als "geben"? Die Alternativen, die mir einfallen, brauche ich jetzt nicht aufzuschreiben, da völlig unpassend im Gesamtduktus deines Textes.

Oder gibt es eine andere Möglichkeit der Übersetzung von "to strike"? Ein anderes Verb wie "to wage" würde die Übersetzung auch nicht vereinfachen, und "Kriege beginnen...anzetteln...erklären" würde die Bedeutung verschieben.

Gerade fällt mir ein: wäre "Klagen ... zu erheben" vielleicht eine Altenative?

Wobei es noch eine andere Frage ist, ob es eine poetischere Alternative zu der etwas "klobigen" Konstruktion "zu+Infinitiv" gibt.

Herzliche Tropennachtgrüße
Herby

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 06.07.2009, 06:59

Ja...zu+Infinitiv...das ist nicht sehr elegant, fand ich hier aber ganz passend, da ich nichts "kürzeres" für den Inhalt "Klagen müssen/brauchen nicht erwähnt zu werden" gefunden habe.

Sowieso verschiebt sich bei einer Übertragung in eine andere Sprache die Bedeutung einzelner Worte immer ein wenig...ich zumindest übersetze nie eins zu eins, sondern dem jeweiligen Sprachgefühl angemessen, versuche das zumindest.

Könnte mir anstatt "give" eventuell "lodge" vorstellen, da es im Zusammenhang mit Gericht usw "eine Klage erheben" (to lodge an action) heißt.

Im Deutschen könnte ich mir vielleicht "richten" vorstellen, im Sinne von "die Klage an jemanden richten"

Zur Länge: das Englische ist ja das Original, und es ist tatsächlich so lang, in der Version auf dem Papier sogar noch ein wenig länger, glaube ich. Ob man es kürzer hätte sagen können? Weiß ich nicht...hatte das "Gedicht" vor längerer Zeit als "qasside" geschrieben, die ich irgendwann mal mit Orchester und Gesang im klass-arab. Stil vertonen will (nicht in näherer Zukunft, aber das ist ein Traum von mir). Sofern in der arabischen Musik Qassiden vertont werden, sind sie meist sehr sehr lang, Stücke von über einer halben Stunde sind da gar keine Seltenheit.

Ja, so war das...hoffe ich konnte ein wenig Licht ins Dunkel bringen

Morgendliche Grüße

Zafar

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 13.07.2009, 16:57

Hallo ZafarFaraj



Dein Text spricht mich zutiefst an … ich könnte fast einen Antworttext, eine parallel verlaufende Heimatlosigkeit anstimmen.

Darf ich mir erlauben, einige Varianten anzubieten, die deiner fließenden, musikalischen Sprache förderlich wären ? - Meine Vorschläge sind "fett" gedruckt :

HEIMATLOS...WER BIN ICH?

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Heimatlos…wer bin ich?
Und augenlos…wer bin ich?
Ich vergehe mit den Tränen auf Wangen
Werde zu Salz und einer See
Einer See, die ihren Ufern fremd ist
Die zur Dämmerung unter deinen Brauen drängt


Beides ist hier möglich, D + A, ich würde aber den dynamischeren, « drängenderen Akkusativ vorziehen : Einer See, die (zielgerichtet) unter deine Brauen drängt. Wie gesagt, auch die Variante Dativ ist schön, sagt mehr über den Ort aus.

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Was kann mich jener Süßheit zurückbringen?

Würdest du jener « Süße » akezptieren ?

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Und den Gedichten des Palmengrüns?
Keine Klagen sind zu geben

Keine Klagen verlauten[/b]

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Keine Kriege sind mit meinen Händen zu führen

[b]Keine Kriege warten auf meine Hände

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Es gibt weder Macht noch Geduld
Und irgendwie verliere ich mich in Illusionen

Und ich verliere mich in Trugbildern ( ???)

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Es gibt kein Schicksal, das meine Tage errettet
Noch erhellen Historien meine Haut
Nur der Wind streicht mir über den Nacken
Ins Seufzen hinein bin ich geschrieben
Und meine Lieder flackern auf dem Gesicht der Nacht

Zwischen dem Frühling, der Ekstase, dem Balsam
Und all den Schwertern…all den Schwertern
Zwischen den irakischen Augen und dem Türkis
Wer wird mich tragen, wenn ich fern von dir wandle?
Wer wird mich auf den Schwingen arabischer Melodien tragen?
Wer?

etc ...

I

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ch wünschte ich wär nur einer deiner Gedanken

Der zierlichste : der Zarteste ?


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Vage wie Silhouetten am Saum des Horizontes

Undeutlich, unscharf,

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Lass mich einfach bei dir sein
Wie das klingende Parfum auf deinem Nacken
Elegant, sandelhölzern und in deiner Nähe
Lass mich einfach bei dir sein
Geflohen von all dem Trug

Entflohen, all dem Trug
etc.

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Legenden liegen zwischen uns
Heldentum, Tyrannei und Lieblichkeiten

Liebkosungen ?

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Verglommen vor der Krone einer Frau?

Zerglüht ? - aber es gefällt mir auch nicht ...

Fazit :

Ich finde dein Gedicht sehr beeindruckend, dein Sprachgefühl sehr fein entwickelt. Die im Grunde wenigen Vorschläge betreffen Stellen, in der die deutsche Sprache an Grenzen stößt. Vielleicht kommen dir andere, angemessenere Ideen …

Sehr intensiver Lesegenuss. Ja, ich könnte mir Musik dazu vorstellen. Wiederholungen sind hier poetisches Ornament. Nicht überflüssig.

Liebe Grüße
Renée

PS. ich bin dabei, die Farbgestaltung zu lernen : bald kann ich es besser ..

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 14.07.2009, 12:55

Liebe Renée,

einen deiner Vorschläge (entflohen, all dem Trug) habe ich angenommen. Bei anderen Dingen, vor allem wenn es um eine andere Wortwahl geht, konnte ich das meinem Gefühl nach nicht. Die Worten passen für mich so. Das Gedicht ist schon etwas älter, also mindestens ein halbes Jahr, und eines der wenigen, mit dem ich nach dem Schreiben, nach dem Vollenden (wenn den Gedichte überhaupt vollendet und nicht nur zur Zeite gepackt werden) sehr zufrieden war und bin. Vor allem was Melodik, Symbolismus und Metaphorik angeht.

Vielen Dank für deinen Kommentar und die ausführliche Beschäftigung mit meinem Gedicht

Herzlichst

Zafar


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