wie . das getier . inzwischen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 31.05.2009, 22:23

Entsprechungen V
Man wäre versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen



w i e  .  d a s   g e t i e r  .  i n z w i s c h e n
(oder: odradek macht liebe)


den anderen wieder riechen können wie

ein fremdes haus


inzwischen
das krabbelt das knackt das nagt

eine neue frage
in den türrahmen


heute lautet die rettende beobachtung:
du weinst ja nicht, was ist dir?

Louisa

Beitragvon Louisa » 05.06.2009, 11:04

PS: Dies war ein "Odradek-Kommentar"

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 05.06.2009, 20:42

Diesen Text kann ich nicht besprechen. Nur genießen ...
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.06.2009, 18:56

Hallo,

danke für die ausführlichen und tollen Kommentare und Interpretationen. Das macht wirklich Freude zu beobachten, wohin ein Text wandert, wenn man hinausgibt. Im Einzelnen:

liebe Flora,

ich finde es bei dir immer wieder sehr interessant, wie du auf die selbstbezügliche Ebene des Textes gehst (Stichwort "Das Gedicht selbst ist ein fremdes Haus" - wo noch einmal alles stattfindet, was vielleicht von anderen auf anderen Ebenen gesagt wurde, aber diesmal sprachlich relevant ist. Dadurch wird auch nochmal besonders auf das "projekt" Entsprechungen eingegangen. Außerdem ist für mich so eine selbstrefernetielle Ebene immer eine, die dabei gedacht ist, aber eben nicht durch und durch mir selbst vergegenwärtigt und dann ist es so spannend, das ausgebreitet zu sehen. Fast ein bisschen, als schriebest du durch deinen Kommentar noch eine Strophe dazu :-).

Weiterhin möchte ich deinen Kommentar zum Anlass nehmen, dass es mich erstaunt, dass viele etwas im Text sucht, was konkret Odradek ist, was er im Text entspricht. Natürlich ist irgendetwas Odradek, auch bei Kafka. Aber Kafka macht es ja gerade so, dass das, was Odradek "verkörpert" eben nicht mehr durch ein Bild verkörpert ist, sondern anstelle dessen taucht ein wirklicher Gegenstand auf, der Odradek heißt. Und das als unentschlüsselbarer Gegenstand, genau das ist seine Natur und für mich auch das wichtige an diesem Gegenstand (und deshalb muss er in der Welt des Erzählens ein wirklicher Gegenstand sein). So hatte ich das auch für meinen Text gedacht - der Untertitel sollte nur die Variante ankündigen. So finde ich sind alle verschiedenen (zu großen Teilen ja auch nicht widersprechenden Deutungen für mich stimmig, aber keine Auffindung des Odradek in meinem Text).

Liebe Elsa,

mit dieser Passage

Was aber die Entliebung gemacht hat, ist, den anderen wieder riechen können wie ein fremdes Haus, […] und die Phase des Nichtriechenkönnens ist vorbei. Jetzt ist da Distanz. Meint LI, obwohl es noch das Hintergrundrauschen gibt wie Krabbeln u.s.w.

bist du am dichtesten dran an dem Kern, von dem aus dann die verschiedenen Lesartrichtungen ausgehen – für mich ist er unhinterlesbar, aber nicht alles.


liebe Louisa,

Daraufhin kommen aber die Zerbrechens-Alliterationen und das Vergangene dieser Art der Liebe wird deutlich - aber ist es deshalb genauso "sinnlos" wie das Odradek?


Ich finde diese hier beschriebene Liebe gar nicht so sinnlos und absurd wie das Oradek. Gut, sie krabbelt, knackt, nagt... und ihrem Türrahmen scheint es nicht so gut zu gehen - Aber ist sie deshalb wirklich genauso unsinnig, berrohlich, verstörend wie das Oradek?


Ich glaube, es geht nicht um das „gar nicht so“, sondern darum, dass es sinnloser ist als vorher angenommen. Ob sinnlos oder nicht, kann das lyr. Ich nicht beurteilen. Dazu gehört auch das Zitat aus Kafkas Text:
„Man wäre versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen„
Interessant an diesem Zitat finde ich, dass es zwei Konjunktive hat – es ist also nicht entschieden, allerdings in einer besonderem Form: Einfache Enttäuschung funktioniert ja so, dass man etwas annimmt/hofft und sich dann herausstellt, dass es nicht so ist. Aber das Zitat sagt „mehr“. Es spricht für mich aus, dass es nicht die Enttäuschung ist, die an die Stelle der Hoffnung tritt, sondern etwas Werteunfassbares. So als ob man sich etwas ausgemalt hätte und auf einmal kann man das Blatt Papier nicht mehr sehen ~ na ja, ich bin müde und kann das gerade nicht genau aufzeigen.
--
Zum Getier weiß ich nicht genau, was du meinst. Wie in der Überschrift taucht das Getier in der Mitte des Textes auf, die Überschrift ist ja mehrfach lesbar, ich dachte zusammen mit dem Odradekschen ist dadurch der Raum für das, was das Getier „sein soll“ groß genug? Für mich war das Getier sowohl in Richtung „Es sind die Liebenden“ (oder ihre Liebe) oder auch „es ist das Odradeksche“ lesbar, aber nicht eindeutig festgelegt oder direkt so gemeint (na ja, das klingt jetzt irgednwie nach ziemlichen Blabla ..)

lieber Tom,
so ein Kommentar ist natürlich sehr schmeichelhaft! :hexe0013:



allen noch einmal ein großes Danke,

liebe Grüße,
Lisa


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