Beichte
Ich habe gebetet, glauben Sie mir.
Hab’ doch dieses schöne Gesicht gesehen,
diesen Mund, der
auf die allerzärtlichste Weise geschlossen war,
diese glatte, vorurteilsfreie Stirn.
Alles an dem Mädchen erschien mir so rein.
Darum verstehe ich auch nicht,
warum er nichts getan hat.
Ich habe ihm gesagt, wenn es dich gibt,
wirst du das verhindern.
Du wirst, habe ich ihm gesagt,
es nicht zulassen.
Da hatte ich schon den Lauf
in ihren unschuldigen Mund geschoben und
mich gewundert, dass sie nicht aufwachte.
Er aber schwieg, als wäre es ihm egal. Oder,
als wäre er tatsächlich nur ein Traum,
den unsere Vorväter einst träumten.
Und ich drückte ab, weil ich mir dachte,
wenn es ihn nicht gibt,
welchen Platz hat dann die Schönheit in dieser Welt.
Beichte
Hallo Max,
Was ich erwähnte war eigentlich nur ein Aspekt, wie man das Gedicht lesen könnte. Man sieht ja an den Kommentaren das die Schwerpunkte je nach Leser recht unterschiedlich gesehen werden.
Vielen Dank!
Hallo Carl,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Beindruckendes Plädoyer für ein Fragezeichen. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich wirklich alles verstanden habe, was du in Bezug auf Lüge und Wahrheit geschrieben hast. Der Bezug zum Gedicht stellt sich für mich eher in Verbindung mit dem von flora angestossenen Diskussionspunkt der Einordnung des Autors. Das ist für mich aber völlig sekundär.
Mir ist leider entfallen, wer es gesagt hat, aber es gibt die Aussage: Wer nicht lügen kann, kann auch nicht schreiben. Das Lügen des Autors, also das Verlassen des eigenen Erfahrungsbereiches, der eigenen Person um in dem großen Raum der Imigination Bilder zu sammeln und anschliessend zu sich zurückzukehren und zu Schreiben ist in vielen Fällen Grundlage von Literatur. Und die Suche nach Wahrheit, ist weniger eine nach DER Wahrheit, sondern nach der eigenen Wahrheit. Mit dem Schreiben erklärt man sich selbst die Welt - die Gefahr, sich selbst was in die Tasche zu lügen inbegriffen. Aber soetwas Abstraktem wie der Wahrheit kann man nur mit gleichfalls abstrakten Dingen beikommen. Da gibt es auch kein "müssen"
Auch das beziehe ich auf das Verhältnis Text-Autor. Ich sehe es aber nicht so, dass der Dichter einen "Auftrag" hat. Nicht mehr in der heutigen Zeit, in der das Kollektiv völlig aufgebrochen ist. Also keine Stellungnahme, sondern Fragen. Vielleicht auch deswegen kein Fragezeichen am Ende, weil das Gedicht selber ein einziges Fragezeichen ist.
Deine Ausführungen über das Töten als symbolischen Akt im Gegensatz zum bis ins extreme praktizierten Nihilismus sind sehr interessant und ich stimme dir zu. Dennoch sehe ich darin keine Erklärung, warum ein gewisser Nihilismus hier keine Rolle spielt. Wobei das Töten hier weniger der Ausdruck einer totalen Verneinung ist, sondern eines ins Extreme gesteigerten Abwehrreflexes. Last hat das schon sehr gut ausgedrückt. Es ist die Wiedereinsetzung in ein Sinngeflecht, nachdem man die sinnloseste aller Taten getan hat.
Die Frage, die sich stellt: Ist es Mittel, oder ist es Zweck? Das gleiche trifft auf die von dir so nett als Wichsvorlagen bezeichneten drei Punkte zu, die die Fallhöhe bedingen.
Fantasien gibt es viele, manche sind typisch, viele bewegen sich in zuortbaren Schemata. Sie sind Teil dessen was den Menschen ausmacht. Und gerade weil sie bekannt sind, kann man sie "verwenden". Gerade durch diese "Allgemeingültigkeit" wird das Bildhafte unterstützt. Aus diesem Grunde habe ich auch gesagt, dies ist kein psychologisches Gedicht. Weil eben diese Dinge, die schlafende Schönheit, das Penetrieren und der Orgasmus der Gewalt sagen wir grundlegend sind, aber keine Erklärung dafür, warum aus Fantasien Taten werden. Das Gedicht blendet die Umstände, die ursprünglich zur Tat führen völlig aus. Und auch der Akt des Tötens ist hier weder Botschaft (wie bei Terroristen oder Amokläufern) noch ist er Vereinnahmung, wie das bei psychopathischen Mördern oftmals der Fall ist.
Die Aussparung des Psychologischen ist meines Erachtens der deutlichste Hinweis auf den Bildcharakter, den das Gedicht hat.
Dies nur ein paar Gedanken zu deinem Kommentar. Wie gesagt - vielleicht habe ich auch einiges gar nicht oder falsch verstanden. Dann bitte ich dafür um Entschuldigung.
Hallo flora,
Dank auch dir herzlich, dass du dir nochmal die Zeit genommen hast, so ausführlich zu antworten. Dass wir beide in vieler Hinsicht völlig unterschiedlicher Meinung sind, haben wir ja festgestellt. Es freut mich aber, dass wir trotzdem so angeregt diskutieren können (es geht ja nicht darum, den andren zu seiner Sichtweise zu bekehren).
Zunächst meiner Äusserung was die Zensur angeht. Du hast ja in deinem zweiten Kommentar erklärt, was du unter Empörung verstehst, und deswegen nehme ich das mit der Zensur auch zurück.
Nur zur Erklärung, warum ich das sagte:
In deinem Kommentar an Nicole schriebst du:
Diesen Satz habe ich so verstanden, als könne man eben nicht allles sagen oder zeigen, bei manchen müsste man sich empören. Ziel einer Empörung ist aber immer, einen gewisses Verhalten zu unterbinden (siehe den Beuys Faden, der ja z.T. in eine ähnliche Richtung geht).
Im Übrigen bin ich auch der Meinung das es Grenzen gibt. Die ziehe ich aber in Verbindung mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten (Gurke hat doch mal in einem Faden so einen Aktionskünstler erwähnt, der Tier töten wollte, wenn ich mich recht erinnere) oder der Verbreitung von menschenverachtenden Gedankengut, die das Ziel haben, die denkweise von Menschen zu beeinflussen (bestes Beispiel wären klar erkennbare rechtsradikale Texte).
Von dieser Grenze bin ich aber, meines Erachtens meilenwert entfernt.
Natürlich ist es völlig legitim, ein Kunstwerk in Frage zu stellen. Allerdings nur für sich selbst, ohne seinem Urteil eine Allgemeingültigkeit zu geben. Diese führt ja dazu, dass man neben dem Kunstwerk auch diejenigen ablehnt, die es für gut befinden.
Dazu habe ich bei Carl schon etwas geschrieben.
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob man, wenn man ein solches Thema angeht, alle Aspekte mit einfließen lassen muss. Bei einer wissenschaftlichen Abhandlung, einem Aufsatz ja. Aber nicht bei einem Gedicht oder literarischem Text. Du bist doch selber Dichterin genug, um zu wissen, dass gerade die Lyrik von Auslassungen lebt, eben nicht alles gesagt wird.
Dem ist aber so. Ich schreibe grundsätzlich für mich und gestalte meine Texte so, dass sie meinen Vorstellungen von Literatur entsprechen. An den Leser denke ich nur insofern, als dass ich ihn mir als jemanden vorstelle, der die gleiche kulturelle Grundlage hat wie ich und ich diese nicht völlig außer acht lassen darf, wenn ich möchte, dass das Lesen für ihn zu einem intellektuellen und emotionalen Erlebnis (denn das ist, was ich erwarte, wenn ich lese) wird.
Erwartungshaltung setzt bei mir immer erst ein, wenn ich einen Text einstelle. Und dann erwarte ich eigentlich immer, dass er entweder zerissen oder gar nicht beachtet wird. Wenn dem dann nicht so ist, freue ich mich.
es ist einer der Frage, die ich mir gestellt habe, die letztendlich zu diesem Gedicht führten. wie ich schon bei Carl anmerkte, so sind es letztendlich nur Fragen, die hier ihren Ausdruck suchen (und ja scheinbar auch im Leser bewirken). Deswegen kann ich auf ein Fragezeichen am Ende auch verzichten. Das wäre zwar ein Anker, aber für wen?
Jedenfalls vielen Dank für deine offene Meinung zu dem Text!
Auch allen anderen nochmals herzlichen Dank!
Liebe Grüße
Sam
Interessant finde ich Deine Selbsteinschätzung des Gedichts, denn ich habe es wohl etwas anders gelesen. Ich werd' mir nochmal Gedanken dazu machen.
Was ich erwähnte war eigentlich nur ein Aspekt, wie man das Gedicht lesen könnte. Man sieht ja an den Kommentaren das die Schwerpunkte je nach Leser recht unterschiedlich gesehen werden.
Vielen Dank!
Hallo Carl,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Beindruckendes Plädoyer für ein Fragezeichen. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich wirklich alles verstanden habe, was du in Bezug auf Lüge und Wahrheit geschrieben hast. Der Bezug zum Gedicht stellt sich für mich eher in Verbindung mit dem von flora angestossenen Diskussionspunkt der Einordnung des Autors. Das ist für mich aber völlig sekundär.
Mir ist leider entfallen, wer es gesagt hat, aber es gibt die Aussage: Wer nicht lügen kann, kann auch nicht schreiben. Das Lügen des Autors, also das Verlassen des eigenen Erfahrungsbereiches, der eigenen Person um in dem großen Raum der Imigination Bilder zu sammeln und anschliessend zu sich zurückzukehren und zu Schreiben ist in vielen Fällen Grundlage von Literatur. Und die Suche nach Wahrheit, ist weniger eine nach DER Wahrheit, sondern nach der eigenen Wahrheit. Mit dem Schreiben erklärt man sich selbst die Welt - die Gefahr, sich selbst was in die Tasche zu lügen inbegriffen. Aber soetwas Abstraktem wie der Wahrheit kann man nur mit gleichfalls abstrakten Dingen beikommen. Da gibt es auch kein "müssen"
Der Dichter muss wenigstens einen Gegenpol aufbauen,
Auch das beziehe ich auf das Verhältnis Text-Autor. Ich sehe es aber nicht so, dass der Dichter einen "Auftrag" hat. Nicht mehr in der heutigen Zeit, in der das Kollektiv völlig aufgebrochen ist. Also keine Stellungnahme, sondern Fragen. Vielleicht auch deswegen kein Fragezeichen am Ende, weil das Gedicht selber ein einziges Fragezeichen ist.
Deine Ausführungen über das Töten als symbolischen Akt im Gegensatz zum bis ins extreme praktizierten Nihilismus sind sehr interessant und ich stimme dir zu. Dennoch sehe ich darin keine Erklärung, warum ein gewisser Nihilismus hier keine Rolle spielt. Wobei das Töten hier weniger der Ausdruck einer totalen Verneinung ist, sondern eines ins Extreme gesteigerten Abwehrreflexes. Last hat das schon sehr gut ausgedrückt. Es ist die Wiedereinsetzung in ein Sinngeflecht, nachdem man die sinnloseste aller Taten getan hat.
Es geht hier um eine pubertäre Fantasie, die ästhetisch aufgeladen wird
Also: juvenile Fantasien.
Die Frage, die sich stellt: Ist es Mittel, oder ist es Zweck? Das gleiche trifft auf die von dir so nett als Wichsvorlagen bezeichneten drei Punkte zu, die die Fallhöhe bedingen.
Fantasien gibt es viele, manche sind typisch, viele bewegen sich in zuortbaren Schemata. Sie sind Teil dessen was den Menschen ausmacht. Und gerade weil sie bekannt sind, kann man sie "verwenden". Gerade durch diese "Allgemeingültigkeit" wird das Bildhafte unterstützt. Aus diesem Grunde habe ich auch gesagt, dies ist kein psychologisches Gedicht. Weil eben diese Dinge, die schlafende Schönheit, das Penetrieren und der Orgasmus der Gewalt sagen wir grundlegend sind, aber keine Erklärung dafür, warum aus Fantasien Taten werden. Das Gedicht blendet die Umstände, die ursprünglich zur Tat führen völlig aus. Und auch der Akt des Tötens ist hier weder Botschaft (wie bei Terroristen oder Amokläufern) noch ist er Vereinnahmung, wie das bei psychopathischen Mördern oftmals der Fall ist.
Die Aussparung des Psychologischen ist meines Erachtens der deutlichste Hinweis auf den Bildcharakter, den das Gedicht hat.
Dies nur ein paar Gedanken zu deinem Kommentar. Wie gesagt - vielleicht habe ich auch einiges gar nicht oder falsch verstanden. Dann bitte ich dafür um Entschuldigung.
Hallo flora,
Dank auch dir herzlich, dass du dir nochmal die Zeit genommen hast, so ausführlich zu antworten. Dass wir beide in vieler Hinsicht völlig unterschiedlicher Meinung sind, haben wir ja festgestellt. Es freut mich aber, dass wir trotzdem so angeregt diskutieren können (es geht ja nicht darum, den andren zu seiner Sichtweise zu bekehren).
Zunächst meiner Äusserung was die Zensur angeht. Du hast ja in deinem zweiten Kommentar erklärt, was du unter Empörung verstehst, und deswegen nehme ich das mit der Zensur auch zurück.
Nur zur Erklärung, warum ich das sagte:
In deinem Kommentar an Nicole schriebst du:
die Kunst wird zu einem Deckmantel, unter dem man scheinbar alles sagen und zeigen kann, ohne „Empörung“ auszulösen.
Diesen Satz habe ich so verstanden, als könne man eben nicht allles sagen oder zeigen, bei manchen müsste man sich empören. Ziel einer Empörung ist aber immer, einen gewisses Verhalten zu unterbinden (siehe den Beuys Faden, der ja z.T. in eine ähnliche Richtung geht).
Im Übrigen bin ich auch der Meinung das es Grenzen gibt. Die ziehe ich aber in Verbindung mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten (Gurke hat doch mal in einem Faden so einen Aktionskünstler erwähnt, der Tier töten wollte, wenn ich mich recht erinnere) oder der Verbreitung von menschenverachtenden Gedankengut, die das Ziel haben, die denkweise von Menschen zu beeinflussen (bestes Beispiel wären klar erkennbare rechtsradikale Texte).
Von dieser Grenze bin ich aber, meines Erachtens meilenwert entfernt.
Natürlich ist es völlig legitim, ein Kunstwerk in Frage zu stellen. Allerdings nur für sich selbst, ohne seinem Urteil eine Allgemeingültigkeit zu geben. Diese führt ja dazu, dass man neben dem Kunstwerk auch diejenigen ablehnt, die es für gut befinden.
Zitat:
Ich verstehe dies hier nicht als ein psychologisches Gedicht.
Das ist interessant für mich, ich denke aber nicht, dass du diesen Aspekt ausklammern kannst, wenn du von Menschen und ihrem Verhalten schreibst.
Dazu habe ich bei Carl schon etwas geschrieben.
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob man, wenn man ein solches Thema angeht, alle Aspekte mit einfließen lassen muss. Bei einer wissenschaftlichen Abhandlung, einem Aufsatz ja. Aber nicht bei einem Gedicht oder literarischem Text. Du bist doch selber Dichterin genug, um zu wissen, dass gerade die Lyrik von Auslassungen lebt, eben nicht alles gesagt wird.
dass du das Gedicht völlig ohne Erwartungshaltung bezüglich der Reaktion der Leser geschrieben hast, wage ich einfach mal zu bezweifeln.
Dem ist aber so. Ich schreibe grundsätzlich für mich und gestalte meine Texte so, dass sie meinen Vorstellungen von Literatur entsprechen. An den Leser denke ich nur insofern, als dass ich ihn mir als jemanden vorstelle, der die gleiche kulturelle Grundlage hat wie ich und ich diese nicht völlig außer acht lassen darf, wenn ich möchte, dass das Lesen für ihn zu einem intellektuellen und emotionalen Erlebnis (denn das ist, was ich erwarte, wenn ich lese) wird.
Erwartungshaltung setzt bei mir immer erst ein, wenn ich einen Text einstelle. Und dann erwarte ich eigentlich immer, dass er entweder zerissen oder gar nicht beachtet wird. Wenn dem dann nicht so ist, freue ich mich.
Wenn das Schöne seinen Sinn nur rein aus seiner Existenz bezieht, hat dann auch alles andere das gleiche Anrecht auf einen Sinn aus sich selbst – auch das Hässliche, das Böse?
Ist das eine Frage, die du dir stellst, der Text stellt, oder die du mir stellst?
es ist einer der Frage, die ich mir gestellt habe, die letztendlich zu diesem Gedicht führten. wie ich schon bei Carl anmerkte, so sind es letztendlich nur Fragen, die hier ihren Ausdruck suchen (und ja scheinbar auch im Leser bewirken). Deswegen kann ich auf ein Fragezeichen am Ende auch verzichten. Das wäre zwar ein Anker, aber für wen?
Jedenfalls vielen Dank für deine offene Meinung zu dem Text!
Auch allen anderen nochmals herzlichen Dank!
Liebe Grüße
Sam
Hallo Sam,
du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du evtl. einen Kommentar von mir nicht verstehst. Wenn, dann müsste ich umgekehrt plausibel machen, was mein Kommentar mit deinem Gedicht zu tun hat. Meinen Kommentar empfindest du als von außen an das Gedicht herangetragen, soviel verstehe ich.
Dafür entschuldige ich mich.
Und damit können wir 's dann auch gut sein lassen...
Liebe Grüße, Carl
du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du evtl. einen Kommentar von mir nicht verstehst. Wenn, dann müsste ich umgekehrt plausibel machen, was mein Kommentar mit deinem Gedicht zu tun hat. Meinen Kommentar empfindest du als von außen an das Gedicht herangetragen, soviel verstehe ich.
Dafür entschuldige ich mich.
Und damit können wir 's dann auch gut sein lassen...
Liebe Grüße, Carl
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