Psalmen an den Bruder
1.Psalm: Zu dieser Zeit
Und wenn ich die Luft anhalte bis du Stopp rufst.
Ich bleibe trotzdem der kleine Bruder.
Mutters Entscheidung gilt nur einen Abend
und ich betrüge.
Ich drücke den linken Nasenflügel nicht ganz zu.
Das siehst du nicht.
Es liegt in meiner Natur zu atmen.
In deiner liegt es, lieber mit den Großen zu spielen.
Du redest, wie alle Leute, nur vom schmelzenden Schnee.
Aber jetzt gilt das Gesetz des Schwächeren:
Es ist wahr. Der Schnee verschwindet.
Er taut und sickert in den Boden.
Bald steigt er wieder empor.
Dann regnet es.
Das weiß ich.
2.Psalm: Das Schloss
Wir haben ein Schloss gebaut.
Damit du mit deinen Freunden darin spielen kannst.
An deinem Geburtstag.
Wir haben kein Schloss gebaut.
Wir haben bloß Äste von den Bäumen gerissen.
Hinter dem Beet steht ein Zaun,
dem haben wir die Äste durch die Maschen gezogen.
Das sollte eine Mauer sein.
Direkt nach seiner langen Schicht
-er war so wütend auf dich-
hat Vater alles beseitigt.
Das ist nicht schlimm.
Es war doch nur so lange ein Schloss, wie wir daran bauten.
Deine Freunde hätten es vielleicht nicht erkannt
und ich hätte vielleicht nie darin gespielt.
3.Psalm: Vom Stoffhasen
Ich habe gehört, dass man lügen darf,
wenn man eine Geschichte erzählt.
Das stimmt nicht.
Großmutter hat dir den besseren Hasen geschenkt.
Ich habe ihm die Ohren abgeschnitten.
Ich habe ihm Milch vor die Türe gestellt,
aufgrund des schlechten Gewissens.
Die Geschichte von einem Hasen ohne Ohren,
nicht von einem Stoffhasen, der Milch trinkt.
Das kann ich jetzt verstehen.
Psalmen an den Bruder
Hallo Sam,
hui, dein Kommentar hat mich richtig zum grübeln gebracht. Aber ich halte rückblickend meine Psalmen doch für sehr psalmartig.
Die Psalmen des Alten Testaments sind nicht nur hebräische Lieder, auch wenn sie ursprünglich als solche verfasst wurden. Gerade in der christlichen Tradition wurden sie wie Gebete gehandhabt. Gott wird ja nicht durch das verherrlicht, was in den Psalmen steht, sondern erst dadurch, dass die Psalmen, aufgesagt, gebetet oder gesungen werden.
Dieser Akt des Betens ist für mich vorrangig. Psalmen entfalten ihre Wirkung vor allem dadurch, dass sie gebetet werden. Diese Wirkung ist auch nicht eindimensional (Eindimensional ist sie psychologisch nur insofern, wie du es selbst beschreibst, dass der Betende zur Offenheit und Ehrlichkeit gezwungen wird und somit Ironie nicht mehr funktioniert). Die Wirkung der Psalmen beim Betenden ist aber erstens intim und vielfältig, zweitens intim und individuell. Selbst wenn Psalmen gemeinsam gesungen werden, legt jeder Einzelne seinen eigenen Glauben hinein. Jemand der ein und denselben Psalm dreimal betet, der meint vielleicht jedesmal etwas anderes damit.
Die Beschreibung dessen, was der Glaube ist, kann man nicht vom Akt des Betens trennen. Am besten finde ich eine Beschreibung, die in diese Richtung geht: Glaube ist das, was man betet. Nur diese Umschreibung berücksichtigt den frommen Eiferer genauso wie den notorischen Zweifler.
So werden auch die oft angesprochenen inneren Widersprüche der Bibel an den Psalmen, die von verschiedenen Verfassern stammen und zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben wurden, besonders deutlich. Man lese nur einmal Psalm 21, 22 und 23 am Stück. Die Auflösung des Ichs, die Unterordnung, die Hingabe vollzieht sich jeweil auf sehr verschiedene Weise und verfolgt dabei scheinbar auch eine jeweils andere Absicht.
Die biblischen Psalmen sind also selbst sehr komplex, einmal durch die Komplexität, die der einzelne Betende mitbringt, einmal durch ihre eigene innere Ausrichtung.
Meine Psalmen orientieren sich zwar auch an Sprach- und Stilvorgaben (die aber nicht sehr streng ausfallen und ich auch nicht sehr penibel befolgt habe), aber viel mehr orientieren sie sich an dem, was beim Beten geschieht, der Performanz, die der Betende vollzieht, Glaube als Handlung.
Nun weichen sie dabei aber vom biblischen Vorbild ab. Eben weil mir das so zeitgemäßer erscheint. Wir sind ja hier im gesellschaftskritischen Bereich des Forums, es erschien mir einfach sinnvoll hier ein Statement abzugeben. Wir leben in einer Zeit, in der sich der Glaube nicht mehr steif an Gott und der Bibel ausrichtet. Das sieht man daran, dass unsere Gebete (oder man sollte vielleicht eher Gedankengänge sagen) andere Inhalte haben. Wir orientieren uns in den gebetartigen Gedankengänge, die sehr wohl als Denkhandlung unseren Glauben, unsere Weltanschauung ausmachen, an gesellschaftlichen Strukturen und laien-psychologischen Reflexionen über unsere Kindheit. Dabei verlieren wir aber einen Maßstab an dem man sich messen könnte. Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit fallen zusammen, weil sie ohne überpersönlichen Maßstab nicht mehr unterschieden werden können.
Diese Wirkung versuche ich dadurch zu erzielen, dass ich eben nicht ein biblisches Verhaltensmuster auf die heutige Situation übertrage. Dadurch würde ich ja nur die soziokulturelle und psychologische Seite der Religion beleuchten (und das tun andere schon mehr als genug). Ich versuche die Wirkung zu erzielen, indem ich eben das heutige Konzept der Ich-Werdung beschreibe und seine religiöse Seite dadurch beleuchte, dass ich es als Psalm, als Gebet, als religiösen Glauben beschreibe.
hui, dein Kommentar hat mich richtig zum grübeln gebracht. Aber ich halte rückblickend meine Psalmen doch für sehr psalmartig.
Die Psalmen des Alten Testaments sind nicht nur hebräische Lieder, auch wenn sie ursprünglich als solche verfasst wurden. Gerade in der christlichen Tradition wurden sie wie Gebete gehandhabt. Gott wird ja nicht durch das verherrlicht, was in den Psalmen steht, sondern erst dadurch, dass die Psalmen, aufgesagt, gebetet oder gesungen werden.
Dieser Akt des Betens ist für mich vorrangig. Psalmen entfalten ihre Wirkung vor allem dadurch, dass sie gebetet werden. Diese Wirkung ist auch nicht eindimensional (Eindimensional ist sie psychologisch nur insofern, wie du es selbst beschreibst, dass der Betende zur Offenheit und Ehrlichkeit gezwungen wird und somit Ironie nicht mehr funktioniert). Die Wirkung der Psalmen beim Betenden ist aber erstens intim und vielfältig, zweitens intim und individuell. Selbst wenn Psalmen gemeinsam gesungen werden, legt jeder Einzelne seinen eigenen Glauben hinein. Jemand der ein und denselben Psalm dreimal betet, der meint vielleicht jedesmal etwas anderes damit.
Die Beschreibung dessen, was der Glaube ist, kann man nicht vom Akt des Betens trennen. Am besten finde ich eine Beschreibung, die in diese Richtung geht: Glaube ist das, was man betet. Nur diese Umschreibung berücksichtigt den frommen Eiferer genauso wie den notorischen Zweifler.
So werden auch die oft angesprochenen inneren Widersprüche der Bibel an den Psalmen, die von verschiedenen Verfassern stammen und zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben wurden, besonders deutlich. Man lese nur einmal Psalm 21, 22 und 23 am Stück. Die Auflösung des Ichs, die Unterordnung, die Hingabe vollzieht sich jeweil auf sehr verschiedene Weise und verfolgt dabei scheinbar auch eine jeweils andere Absicht.
Die biblischen Psalmen sind also selbst sehr komplex, einmal durch die Komplexität, die der einzelne Betende mitbringt, einmal durch ihre eigene innere Ausrichtung.
Meine Psalmen orientieren sich zwar auch an Sprach- und Stilvorgaben (die aber nicht sehr streng ausfallen und ich auch nicht sehr penibel befolgt habe), aber viel mehr orientieren sie sich an dem, was beim Beten geschieht, der Performanz, die der Betende vollzieht, Glaube als Handlung.
Nun weichen sie dabei aber vom biblischen Vorbild ab. Eben weil mir das so zeitgemäßer erscheint. Wir sind ja hier im gesellschaftskritischen Bereich des Forums, es erschien mir einfach sinnvoll hier ein Statement abzugeben. Wir leben in einer Zeit, in der sich der Glaube nicht mehr steif an Gott und der Bibel ausrichtet. Das sieht man daran, dass unsere Gebete (oder man sollte vielleicht eher Gedankengänge sagen) andere Inhalte haben. Wir orientieren uns in den gebetartigen Gedankengänge, die sehr wohl als Denkhandlung unseren Glauben, unsere Weltanschauung ausmachen, an gesellschaftlichen Strukturen und laien-psychologischen Reflexionen über unsere Kindheit. Dabei verlieren wir aber einen Maßstab an dem man sich messen könnte. Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit fallen zusammen, weil sie ohne überpersönlichen Maßstab nicht mehr unterschieden werden können.
Diese Wirkung versuche ich dadurch zu erzielen, dass ich eben nicht ein biblisches Verhaltensmuster auf die heutige Situation übertrage. Dadurch würde ich ja nur die soziokulturelle und psychologische Seite der Religion beleuchten (und das tun andere schon mehr als genug). Ich versuche die Wirkung zu erzielen, indem ich eben das heutige Konzept der Ich-Werdung beschreibe und seine religiöse Seite dadurch beleuchte, dass ich es als Psalm, als Gebet, als religiösen Glauben beschreibe.
Hallo Last,
ich meine, dich zu verstehen. Allerdings enthält deine Antwort vieles, das zur Diskussion einlädt. Zum Beispiel die Aussage:
Oder auch dies:
Ein Gebet ist eine Ausdrucksform von Glauben, etwas, indem sich der Glaube konkretisiert und artikuliert. Wobei viele Gebete auch eher Selbstgespräche sind, aufgesagt in der Hoffnung, man sei nicht der einzige Zuhörer.
Natürlich stellt sich heute die Frage, an wen man seine (öffentlichen) Gebete richten soll? Wir sind ja nur Papst im medienträchtigen Event, nicht aber in den Bezugssystemen, in denen wir uns selbst (in diesem Fall literarisch) fixieren. Es ist in unserer Gesellschaft akzeptabler bei Tisch vom Sex der letzten Nacht zu reden, als vor dem Essen ein Gebet zu sprechen. Das Religiöse überlebt in einer Art von Privatmystizismus, dessen Ausdruck im Grunde auch dein Gedicht ist. Wobei mir dieser auch nur durch die Bestimmung als Psalm vermittelt wird, nicht aber durch den Inhalt. Verklärung der Vergangenheit - oder auch deren Einordnung in ein metaphysisches Lebenskonzept - sind weniger religiöser, denn psychologischer Natur.
Du schreibst:
Der Wunsch nach einem überpersönlichen Maßstab speist sich aus unserer Unfähigkeit, die Vergangenheit genau zu reproduzieren. Unser Erinnerung ist nichts weiter als eine Interpretation, aber keine Kopie. Daraus ergeben sich - und ich meine auch in deinem Text ist dies der Fall- unbeantwortete Fragen nach Schuld. Und nicht selten sind die Psalmen auch ein Flehen an Gott gewesen, die Dinge wieder in ihr rechtes Licht zu setzen (ich denke an den 73. Psalm von Asaph z.B.).
Ist aber, um bei deinem Text zu belieben, der Bruder jener überpersönliche Maßstab? Oder nicht einfach die anderer Seite der horizontalen Wahrnehmung, während der Psalm eigentlich an jenen gerichtet sein müsste, der, denkt man sich ein Dreieck, vertikal darüber steht?
Nun denn:
Aber du beschreibst es nicht, du titulierst es nur! Im Text selber bleibt die religiöse Komponente unausgedrückt. Oder aber, und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, ich bin unfähig, sie zu erkennen
Wie dem auch sei: ein starker Text!
Liebe Grüße
Sam
ich meine, dich zu verstehen. Allerdings enthält deine Antwort vieles, das zur Diskussion einlädt. Zum Beispiel die Aussage:
Gott wird ja nicht durch das verherrlicht, was in den Psalmen steht, sondern erst dadurch, dass die Psalmen, aufgesagt, gebetet oder gesungen werden.
Oder auch dies:
Glaube ist das, was man betet
Ein Gebet ist eine Ausdrucksform von Glauben, etwas, indem sich der Glaube konkretisiert und artikuliert. Wobei viele Gebete auch eher Selbstgespräche sind, aufgesagt in der Hoffnung, man sei nicht der einzige Zuhörer.
Natürlich stellt sich heute die Frage, an wen man seine (öffentlichen) Gebete richten soll? Wir sind ja nur Papst im medienträchtigen Event, nicht aber in den Bezugssystemen, in denen wir uns selbst (in diesem Fall literarisch) fixieren. Es ist in unserer Gesellschaft akzeptabler bei Tisch vom Sex der letzten Nacht zu reden, als vor dem Essen ein Gebet zu sprechen. Das Religiöse überlebt in einer Art von Privatmystizismus, dessen Ausdruck im Grunde auch dein Gedicht ist. Wobei mir dieser auch nur durch die Bestimmung als Psalm vermittelt wird, nicht aber durch den Inhalt. Verklärung der Vergangenheit - oder auch deren Einordnung in ein metaphysisches Lebenskonzept - sind weniger religiöser, denn psychologischer Natur.
Du schreibst:
Wir orientieren uns in den gebetartigen Gedankengänge, die sehr wohl als Denkhandlung unseren Glauben, unsere Weltanschauung ausmachen, an gesellschaftlichen Strukturen und laien-psychologischen Reflexionen über unsere Kindheit. Dabei verlieren wir aber einen Maßstab an dem man sich messen könnte. Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit fallen zusammen, weil sie ohne überpersönlichen Maßstab nicht mehr unterschieden werden können.
Der Wunsch nach einem überpersönlichen Maßstab speist sich aus unserer Unfähigkeit, die Vergangenheit genau zu reproduzieren. Unser Erinnerung ist nichts weiter als eine Interpretation, aber keine Kopie. Daraus ergeben sich - und ich meine auch in deinem Text ist dies der Fall- unbeantwortete Fragen nach Schuld. Und nicht selten sind die Psalmen auch ein Flehen an Gott gewesen, die Dinge wieder in ihr rechtes Licht zu setzen (ich denke an den 73. Psalm von Asaph z.B.).
Ist aber, um bei deinem Text zu belieben, der Bruder jener überpersönliche Maßstab? Oder nicht einfach die anderer Seite der horizontalen Wahrnehmung, während der Psalm eigentlich an jenen gerichtet sein müsste, der, denkt man sich ein Dreieck, vertikal darüber steht?
Nun denn:
Ich versuche die Wirkung zu erzielen, indem ich eben das heutige Konzept der Ich-Werdung beschreibe und seine religiöse Seite dadurch beleuchte, dass ich es als Psalm, als Gebet, als religiösen Glauben beschreibe.
Aber du beschreibst es nicht, du titulierst es nur! Im Text selber bleibt die religiöse Komponente unausgedrückt. Oder aber, und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, ich bin unfähig, sie zu erkennen

Wie dem auch sei: ein starker Text!
Liebe Grüße
Sam
Sam hat geschrieben:Verklärung der Vergangenheit - oder auch deren Einordnung in ein metaphysisches Lebenskonzept - sind weniger religiöser, denn psychologischer Natur.
Ich verstehe nicht wo der große Unterschied zwischen dem Wort psychologisch und religiös liegen soll, wenn man sie bis zum Existenzprinzip verallgemeinert.

Der Unterschied scheint mir dann nur noch in der Wahl der Begrifflichkeiten zu liegen. Man wählt diejenige, die einem näher steht.
Ist aber, um bei deinem Text zu belieben, der Bruder jener überpersönliche Maßstab? Oder nicht einfach die anderer Seite der horizontalen Wahrnehmung, während der Psalm eigentlich an jenen gerichtet sein müsste, der, denkt man sich ein Dreieck, vertikal darüber steht?
Nein, der große Bruder ist nicht der überpersönliche Maßstab und kann es auch gar nicht sein. Lediglich löst er den inneren Zwiespalt des kleinen Bruders aus, dergestalt, dass der kleine Bruder den äußeren Kampf zu einem inneren macht. Maßstab ist der große Bruder nur, wie du schreibst, auf einer anderen Seite.
Aber du beschreibst es nicht, du titulierst es nur! Im Text selber bleibt die religiöse Komponente unausgedrückt. Oder aber, und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, ich bin unfähig, sie zu erkennen biggrin
Wie sollte der kleine Bruder sie auch ausdrücken? In seinen Gebeten wird nur das Bedürfnis nach etwas deutlich, das ihm nur als Abhandenheit bewusst ist. Dass er das nicht von seinem großen Bruder bekommen kann, und dass er sich in einem Privatmystizismus verzettelt, der lediglich unbeantwortbare Schuldfragen aufwirft, aber nicht aus ihnen heraus, sondern lediglich in sie hinein führt, ist die Essenz des Gedichtes.
Die Titulierung als Psalm soll vor allem darauf aufmerksam machen, dass eigentlich gar nichts aufgelöst wird, dadurch, dass es hinter den areligiösen Inhalt einen religiösen Inhalt stellt und somit den Anspruch der Gebete über ihre Essenz hinaus anhebt. Entweder sie können Gebete sein, dann aber gefälligst mit einem Glaubensinhalt, oder sie können Psychologie sein, dann aber ohne den Anspruch Gebet zu sein. Dieses typische Dilemma des Agnostikers ist es doch, was der Titel über den Text legt?
Darüber hinaus halte ich das zentrale Motiv des Macht- und Geltungskampfes unter Brüdern für einen religiösen Inhalt (Kain und Abel). Eine nähere Beschäftigung mit diesem Motiv würde uns aber wahrscheinlich an einer anderen Stelle in die gleiche Diskussion zurückführen.
Ich denke, wir werden damit schließen müssen, dass ich deinen Einwand meine nachvollziehen zu können, aber der Ansicht bin, dass er als Kritik an den Leser zurückgeht.
LG
Last
Hallo Last,
bin heute beim Stöbern in der Bibliothek auf folgende Anthologie gestoßen. Hatte leider keine Gelegenheit, mich damit näher zu beschäftigen oder es auszuleihen. Vielleicht kennst du es ja schon. Wenn nicht, wäre es eventuell interessant für dich.
Psalmen
Vom Expressionismus bis zur Gegenwart
Herausgegeben von Paul Konrad Kurz
Verlegt bei Herder
ISBN 3-451-18258-0
Liebe Grüße
Sam
bin heute beim Stöbern in der Bibliothek auf folgende Anthologie gestoßen. Hatte leider keine Gelegenheit, mich damit näher zu beschäftigen oder es auszuleihen. Vielleicht kennst du es ja schon. Wenn nicht, wäre es eventuell interessant für dich.
Psalmen
Vom Expressionismus bis zur Gegenwart
Herausgegeben von Paul Konrad Kurz
Verlegt bei Herder
ISBN 3-451-18258-0
Liebe Grüße
Sam
Hallo Last,
Lüge und Wahrheit sind da ein ganz starkes Thema, nicht? So die Frage: wie war es nun wirklich, und was wollten wir einander -oder andere- glauben machen? (Es macht die Gedichte im Grunde zu Bekenntnistexten.) Das ist in allen drei Gedichten da. Die Lüge fast als Beziehungs- oder Überlebens- oder Standortbeziehungsnotwendigkeit. Sonst geht irgendetwas nicht. Und dann die Notwendigkeit im Rückblick dagegenzusetzen, was nicht gesagt werden konnte, Wahrheit und Lüge zu bestimmen, oder neu zu bestimment. Ich finde das sehr interessant. Ich habe selbst keine Geschwister, aber ich kenne es aus engen Beziehungen. Dass es nicht einfach ist, so eine Art "Shadowboxing" und lang andauernder innerer Kampf, neben einem nahen anderen einfach selbst zu sein. Man ist es immer irgendwie "zwiefach", "gespalten", "zwei- oder mehrstimmig". Das findet sich in der Bibel und anderswo, denke ich, im Zwillingsthema. Eher als an Kain und Abel, denke ich an Jakob und Esau. Da spielen List, hinter's Licht Führen, sich gegen- und nebeneinander Behaupten die Hauptrolle, und dort hinein die religöse Frage, wie sich in eine so geschaffene Menschheit und Menschlichkeit der Segen verwirklichen kann. Und der Kampf zum Bruder wird zum Kampf mit Gott, am Jabok. Wo Jakob dann einen neuen Namen und nicht nur den -erlisteten- Segen des Vaters, sondern auch den -errungenen- Segen Gottes als Gottesstreiter bekommt. "Du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen." (1.Mose 32,29) Dann erst kann er seinem Bruder Esau als erwachsener Mann mit eigener Geschichte begegnen und kann die Versöhnung stattfinden.
Dieses Beieinander und Ineinander von Kampf mit Menschen und Rede bzw. Rechten und Ringen mit Gott zeichnet in der Tat auch viele Psalmen aus, in denen Verarbeiten ambivalenter Lebenserfahrungen ja ein wesentliches Thema ist. So lässt sich wohl auch Deine Titelwahl zuordnen und verstehen, denke ich. Nicht sosehr formal als vielmehr, was das Kernanliegen Deiner Texte betrifft, dieses innere Ringen um die wahre Geschichte und den eigenen Stand, das -so legt es allein der Titel nah- für Dich auch mit Gott zu tun hat.
Eine Verständnisfrage habe ich noch: was ist das mit dem Schnee im ersten Psalm. Das verstehe ich nicht. Ist es aus einer inneren Eingebung heraus oder etwas Konkreteres?
Vielen Dank jedenfalls. Du drückst etwas aus, das mich selbst zur Zeit sehr beschäftigt und bringst da für mich eine neue wichtige Komponente hinein.
LG
Lydie
Lüge und Wahrheit sind da ein ganz starkes Thema, nicht? So die Frage: wie war es nun wirklich, und was wollten wir einander -oder andere- glauben machen? (Es macht die Gedichte im Grunde zu Bekenntnistexten.) Das ist in allen drei Gedichten da. Die Lüge fast als Beziehungs- oder Überlebens- oder Standortbeziehungsnotwendigkeit. Sonst geht irgendetwas nicht. Und dann die Notwendigkeit im Rückblick dagegenzusetzen, was nicht gesagt werden konnte, Wahrheit und Lüge zu bestimmen, oder neu zu bestimment. Ich finde das sehr interessant. Ich habe selbst keine Geschwister, aber ich kenne es aus engen Beziehungen. Dass es nicht einfach ist, so eine Art "Shadowboxing" und lang andauernder innerer Kampf, neben einem nahen anderen einfach selbst zu sein. Man ist es immer irgendwie "zwiefach", "gespalten", "zwei- oder mehrstimmig". Das findet sich in der Bibel und anderswo, denke ich, im Zwillingsthema. Eher als an Kain und Abel, denke ich an Jakob und Esau. Da spielen List, hinter's Licht Führen, sich gegen- und nebeneinander Behaupten die Hauptrolle, und dort hinein die religöse Frage, wie sich in eine so geschaffene Menschheit und Menschlichkeit der Segen verwirklichen kann. Und der Kampf zum Bruder wird zum Kampf mit Gott, am Jabok. Wo Jakob dann einen neuen Namen und nicht nur den -erlisteten- Segen des Vaters, sondern auch den -errungenen- Segen Gottes als Gottesstreiter bekommt. "Du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen." (1.Mose 32,29) Dann erst kann er seinem Bruder Esau als erwachsener Mann mit eigener Geschichte begegnen und kann die Versöhnung stattfinden.
Dieses Beieinander und Ineinander von Kampf mit Menschen und Rede bzw. Rechten und Ringen mit Gott zeichnet in der Tat auch viele Psalmen aus, in denen Verarbeiten ambivalenter Lebenserfahrungen ja ein wesentliches Thema ist. So lässt sich wohl auch Deine Titelwahl zuordnen und verstehen, denke ich. Nicht sosehr formal als vielmehr, was das Kernanliegen Deiner Texte betrifft, dieses innere Ringen um die wahre Geschichte und den eigenen Stand, das -so legt es allein der Titel nah- für Dich auch mit Gott zu tun hat.
Eine Verständnisfrage habe ich noch: was ist das mit dem Schnee im ersten Psalm. Das verstehe ich nicht. Ist es aus einer inneren Eingebung heraus oder etwas Konkreteres?
Vielen Dank jedenfalls. Du drückst etwas aus, das mich selbst zur Zeit sehr beschäftigt und bringst da für mich eine neue wichtige Komponente hinein.
LG
Lydie
Sam,
auch von mir ein danke für den Buchtipp, das werde ich mal hier suchen gehen!
liebe Grüße,
Lisa
auch von mir ein danke für den Buchtipp, das werde ich mal hier suchen gehen!
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Hallo Sam,
danke, danke, diese Anthologie kenne ich noch nicht. Scheinbar, weil es das in unserer Bibliothek gar nicht gibt. Ich werde es wohl über Fernleihe bestellen. Außerdem scheinen da noch weitere Werke von Paul Kurz zum Thema Psalmen zu existieren, auf die ich jetzt natürlich aufmerksam geworden bin.
Ich war ja noch ganz froh, dass ich jemanden entdeckt habe der heutzutage auch noch (oder viel eher wieder) Psalmen schreibt. Er schreibt aber "richtige" Psalmen in denen Gott auch wirklich Gott ist ;)
http://www.poetenladen.de/said-lyrik4.htm
http://www.said.at/shop.html#psalmen
-----------------------------------------------------------
Hallo Lydie,
was für eine zauberhafte Interpretation. Was du über Lüge und Wahrheit schreibst, trifft den Kern meiner Psalmen. Wie du von dort die Brücke zum Religiösen schlägst entspricht auch meinen Überlegungen.
Dadurch wird Sams Kritik an der Titulierung natürlich nicht ganz ausgeräumt, aber ich kann wenigstens sehen, dass es möglich ist, in diese Richtung zu denken. In Psalm 19 heißt es:
13 Wer bemerkt seine eigenen Fehler?
Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewusst ist!
14 Behüte deinen Knecht auch vor bemessenen Menschen;
die sollen nicht über mich herrschen.
Dann bin ich ohne Makel
und rein von schwerer Schuld.
In dieser Richtung liegen auch meine Motive gerade die Psalmform zu benutzen.
Darüber hinaus ist noch ein unreligiöses Anliegen dabei. Ich denke schon länger darüber nach, wie man einer anderen, leserinternen Seite von Literatur näher kommen kann. Manchmal verbindet man mit einem Gedicht Erinnerungen, die mit dem Inhalt nichts am Hut haben, z.B. wenn man den Erlkönig für die Schule auswendig lernen musste, oder ein Gedicht auf einer Weihnachtsfeier aufsagen. Ich denke, dass durch den Titel Psalm auch bestimmte Sprechumstände ersonnen werden, die den Inhalt teilweise unterstützen und ihm teilweise entgegenwirken. So schwebt vielleicht über den Worten, oder viel mehr über der Wortwahl, etwas Höheres: der Zwang, etwas so sagen zu müssen, oder das Verbot, etwas so nicht sagen zu dürfen.
Den Bezug zu Jakob und Esau finde ich klasse, weil ich den so nicht direkt intendiert habe. Ich dachte halt "nur" an Kain und Abel. Jetzt darf ich mir das Vergnügen gönnen, mich mit weiteren Bezügen meiner Texte auseinanderzusetzen. Das wird sicher toll.
Ich habe vor einigen Monaten den ersten Psalm allein ins Forum gesetzt. Da kam auch schon diese Frage auf. Ich verwies auf die noch kommenden Psalmen, in der Hoffnung, dass sich die Allegorie dann weiter klären würde.
Vielleicht erzähl ich doch mal etwas dazu.
Natürlich kommt es aus einer inneren Eingebung heraus, was man so schreibt. Der erste Psalm wurde fast in einem Stück so heruntergeschrieben, fast wie eine Eingebung. Dabei kam der schmelzende Schnee nicht einzeln in meinen Sinn, sondern vielleicht als Folge des schon Gesagten, ist teils Kindheitserinnerung, teils abstraktes Weltverständnis und hier natürlich in einer Mischung, die man nicht mehr auseinanderbringen kann, davon handeln die Psalmen ja auch.
In der Grundschule habe ich mal mit meinen zwei besten Freunden eine Bande gegründet, ohne weitere Absicht dahinter. Wir haben uns einen Namen gegeben (Totenbande) und wollten dann spielen. Unsere Klassenkameraden bekamen das mit und gründeten auch eine Bande, die Montessoripolizei. Sie hatten eine Intention dabei. Ihre Aufgabe war es uns zu fangen und mit Springseilen an Straßenlaternen zu fesseln. Wir wollten das nicht, wodurch die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit übertreten wurden. Im Spiel waren sie die Guten, aufgrund der Namensgebung, in der Realität waren sie die Bösen.
Es entstand ein Streit deshalb. Einer meiner Freunde war immer sehr geschickt darin sich großen Ärger einzufangen. Er kam immer wieder in Situationen, wo er sich eigentlich prügeln müsste. Das tat er dann nicht aus Angst vor der Strafe, die ihn zuhause dafür erwarten würde.
Nach der Schule artete die Situation wieder einmal aus. Mein Freund machte einen Rückzieher und nahm sich vor am nächsten Tag alles zu verpetzen, einmal auf der richtigen Seite zu stehen.
Gesagt, getan. Am nächsten Tag schilderte er alle Vorkommnisse unserer Lehrerin, die natürlich ein Gespräch dazu aufnahm mit allen Beteiligten. Ein Montessoripolizist äußerte dann den Spruch: "Schnee von Gestern."
Es ist nun einmal so, dass für Kinder solche Sprichwörter eine Art Allgemeingültigkeit besitzen. Wenn man das in einem Streit für sich beanspruchen kann, dann hat man Recht. Somit klärte dieses Sprichwort den Streit. Soviel zur Kindheitserinnerung.
Im Konzept des Textes ist der schmelzende Schnee aber auch ein Bild, das wieder auf die Sprechsituation des Textes verweist und auf seine Entstehung.
Kindheitserinnerungen sind ja gerade nicht abgeschlossen, nicht vergänglich, sondern kommen immer wieder auf. Dabei können sie so starken Einfluss nehmen, dass sie unseren Charakter, unser Sein, unsere Seele bestimmen. Im Nachhinein kann die Schuldfrage in einer Nebensächlichkeit zu einer existentiellen Frage werden. Man legt sich durch eine Position, die man als Kind ohne Hintergedanken ergriffen hat, weil sie in einer Situation angebracht waren um irgendein kurzfristiges Ziel zu erreichen, nachhaltig fest auf eine Weltanschauung. Die Entsprechung im Bewusstsein eines Kindes ist dabei die Tatsache, dass man in den kleinen Streitereien wirklich mit allen Mitteln kämpft, die zur Verfügung stehen.
So, nun ist sie aber vorbei, die Plauderstunde.
LG
Last
danke, danke, diese Anthologie kenne ich noch nicht. Scheinbar, weil es das in unserer Bibliothek gar nicht gibt. Ich werde es wohl über Fernleihe bestellen. Außerdem scheinen da noch weitere Werke von Paul Kurz zum Thema Psalmen zu existieren, auf die ich jetzt natürlich aufmerksam geworden bin.
Ich war ja noch ganz froh, dass ich jemanden entdeckt habe der heutzutage auch noch (oder viel eher wieder) Psalmen schreibt. Er schreibt aber "richtige" Psalmen in denen Gott auch wirklich Gott ist ;)
http://www.poetenladen.de/said-lyrik4.htm
http://www.said.at/shop.html#psalmen
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Hallo Lydie,
was für eine zauberhafte Interpretation. Was du über Lüge und Wahrheit schreibst, trifft den Kern meiner Psalmen. Wie du von dort die Brücke zum Religiösen schlägst entspricht auch meinen Überlegungen.
Dadurch wird Sams Kritik an der Titulierung natürlich nicht ganz ausgeräumt, aber ich kann wenigstens sehen, dass es möglich ist, in diese Richtung zu denken. In Psalm 19 heißt es:
13 Wer bemerkt seine eigenen Fehler?
Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewusst ist!
14 Behüte deinen Knecht auch vor bemessenen Menschen;
die sollen nicht über mich herrschen.
Dann bin ich ohne Makel
und rein von schwerer Schuld.
In dieser Richtung liegen auch meine Motive gerade die Psalmform zu benutzen.
Darüber hinaus ist noch ein unreligiöses Anliegen dabei. Ich denke schon länger darüber nach, wie man einer anderen, leserinternen Seite von Literatur näher kommen kann. Manchmal verbindet man mit einem Gedicht Erinnerungen, die mit dem Inhalt nichts am Hut haben, z.B. wenn man den Erlkönig für die Schule auswendig lernen musste, oder ein Gedicht auf einer Weihnachtsfeier aufsagen. Ich denke, dass durch den Titel Psalm auch bestimmte Sprechumstände ersonnen werden, die den Inhalt teilweise unterstützen und ihm teilweise entgegenwirken. So schwebt vielleicht über den Worten, oder viel mehr über der Wortwahl, etwas Höheres: der Zwang, etwas so sagen zu müssen, oder das Verbot, etwas so nicht sagen zu dürfen.
Den Bezug zu Jakob und Esau finde ich klasse, weil ich den so nicht direkt intendiert habe. Ich dachte halt "nur" an Kain und Abel. Jetzt darf ich mir das Vergnügen gönnen, mich mit weiteren Bezügen meiner Texte auseinanderzusetzen. Das wird sicher toll.
Eine Verständnisfrage habe ich noch: was ist das mit dem Schnee im ersten Psalm. Das verstehe ich nicht. Ist es aus einer inneren Eingebung heraus oder etwas Konkreteres?
Ich habe vor einigen Monaten den ersten Psalm allein ins Forum gesetzt. Da kam auch schon diese Frage auf. Ich verwies auf die noch kommenden Psalmen, in der Hoffnung, dass sich die Allegorie dann weiter klären würde.
Vielleicht erzähl ich doch mal etwas dazu.
Natürlich kommt es aus einer inneren Eingebung heraus, was man so schreibt. Der erste Psalm wurde fast in einem Stück so heruntergeschrieben, fast wie eine Eingebung. Dabei kam der schmelzende Schnee nicht einzeln in meinen Sinn, sondern vielleicht als Folge des schon Gesagten, ist teils Kindheitserinnerung, teils abstraktes Weltverständnis und hier natürlich in einer Mischung, die man nicht mehr auseinanderbringen kann, davon handeln die Psalmen ja auch.
In der Grundschule habe ich mal mit meinen zwei besten Freunden eine Bande gegründet, ohne weitere Absicht dahinter. Wir haben uns einen Namen gegeben (Totenbande) und wollten dann spielen. Unsere Klassenkameraden bekamen das mit und gründeten auch eine Bande, die Montessoripolizei. Sie hatten eine Intention dabei. Ihre Aufgabe war es uns zu fangen und mit Springseilen an Straßenlaternen zu fesseln. Wir wollten das nicht, wodurch die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit übertreten wurden. Im Spiel waren sie die Guten, aufgrund der Namensgebung, in der Realität waren sie die Bösen.
Es entstand ein Streit deshalb. Einer meiner Freunde war immer sehr geschickt darin sich großen Ärger einzufangen. Er kam immer wieder in Situationen, wo er sich eigentlich prügeln müsste. Das tat er dann nicht aus Angst vor der Strafe, die ihn zuhause dafür erwarten würde.
Nach der Schule artete die Situation wieder einmal aus. Mein Freund machte einen Rückzieher und nahm sich vor am nächsten Tag alles zu verpetzen, einmal auf der richtigen Seite zu stehen.
Gesagt, getan. Am nächsten Tag schilderte er alle Vorkommnisse unserer Lehrerin, die natürlich ein Gespräch dazu aufnahm mit allen Beteiligten. Ein Montessoripolizist äußerte dann den Spruch: "Schnee von Gestern."
Es ist nun einmal so, dass für Kinder solche Sprichwörter eine Art Allgemeingültigkeit besitzen. Wenn man das in einem Streit für sich beanspruchen kann, dann hat man Recht. Somit klärte dieses Sprichwort den Streit. Soviel zur Kindheitserinnerung.
Im Konzept des Textes ist der schmelzende Schnee aber auch ein Bild, das wieder auf die Sprechsituation des Textes verweist und auf seine Entstehung.
Kindheitserinnerungen sind ja gerade nicht abgeschlossen, nicht vergänglich, sondern kommen immer wieder auf. Dabei können sie so starken Einfluss nehmen, dass sie unseren Charakter, unser Sein, unsere Seele bestimmen. Im Nachhinein kann die Schuldfrage in einer Nebensächlichkeit zu einer existentiellen Frage werden. Man legt sich durch eine Position, die man als Kind ohne Hintergedanken ergriffen hat, weil sie in einer Situation angebracht waren um irgendein kurzfristiges Ziel zu erreichen, nachhaltig fest auf eine Weltanschauung. Die Entsprechung im Bewusstsein eines Kindes ist dabei die Tatsache, dass man in den kleinen Streitereien wirklich mit allen Mitteln kämpft, die zur Verfügung stehen.
So, nun ist sie aber vorbei, die Plauderstunde.
LG
Last
Lieber Last,
heute habe ich durch Zufall gefunden, dass Andre Heller auch einen Psalm "geschrieben" hat (ein Lied), der den vielversprechenden Titel "Der zynische Psalm vom Niedergang de traditionellen Herrschaftsstrukturen" trägt; leider ist er meines Erachtens nicht so gut gelungen (langweilig, lieblos, eines unter zu vielen, dabei mag ich Heller). Aber vielleicht vervollständigt das ja die kleine Liste, die hier schon entstanden ist.
liebe Grüße,
Lisa
heute habe ich durch Zufall gefunden, dass Andre Heller auch einen Psalm "geschrieben" hat (ein Lied), der den vielversprechenden Titel "Der zynische Psalm vom Niedergang de traditionellen Herrschaftsstrukturen" trägt; leider ist er meines Erachtens nicht so gut gelungen (langweilig, lieblos, eines unter zu vielen, dabei mag ich Heller). Aber vielleicht vervollständigt das ja die kleine Liste, die hier schon entstanden ist.
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
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