Zeiten biegen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Oldy

Beitragvon Oldy » 27.10.2008, 10:31

Auch wenn Erzählgedichte bei einigen hier "verpönt" sind, so mag ich sie ab und an, weil man ohne groß an Verdichtung zu denken, seine Gedanken niederschreiben kann.
Das hier fällt in meine Rubrik "Gebrauchsgedichte".


Zeiten biegen

Manchmal
wenn kälte tiefe gräben zieht

ein einziges wort
ein blick
eine geste
die brücken schwankend macht

und meine angst
vor dem nächsten moment
das richtige vergessen lässt

da wünschte ich
die zeit zu biegen

zurück bevor

und nur zu tun
was keinen schmerzt und trennt

doch diese zeit verwehrt sich mir
so bleibt doch nur
das rechte wort
die rechte tat zu finden

und
den mut des ersten schrittes.

-----------------------------------------------------
... die alte Fassung

Manchmal
wenn kalte haut gräben zieht
ein einziges wort
ein blick
ein geste
die brücken schwankend macht
und meine angst
vor dem nächsten moment
das richtige vergessen lässt
da wünschte ich
die zeit zu biegen
zurück bevor
und nur zu tun
was keinen schmerzt und trennt
doch diese zeit verwehrt sich mir
so bleibt doch nur
das rechte wort
die rechte tat zu finden
und
den mut des ersten schrittes.
Zuletzt geändert von Oldy am 31.10.2008, 20:06, insgesamt 2-mal geändert.

ecb

Beitragvon ecb » 28.10.2008, 15:07

lieber uwe,
mir gefällt dieses gedicht, es vermittelt auf intensive und anrührende weise, worum es geht.

ich habe nur schwierigkeiten, mir unter "wenn kalte haut gräben zieht" etwas vorzustellen, dieses bild kommt mir ein wenig gewollt und konstruiert vor und fällt auch aus der übrigen einfacheren diktion heraus - obwohl mir klar ist, was du meinst, ich wollte nur meinen eindruck erwähnt haben.

deine idee, die zeit zurück zu biegen, könnte vielleicht am ende des gedichts noch eine thematische ergänzung erfahren, indem du das motiv der zeit noch einmal aufnimmst, etwa in einer schlußzeile: "im lauf der zeit" - oder so ähnlich?

kam mir nur so beim lesen.

lg eva

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.10.2008, 15:21

Hi Uwe,

deine Selbstreflexion finde ich gelungen! Bin mal mit Anregungen kursiv im Text:

Zeiten biegen

Manchmal
wenn kalte haut gräben zieht --> hierunter verstehe ich Gänsehaut
ein einziges wort
ein blick
ein geste
die brücken schwankend macht
und meine angst --> das "und" evtl. streichen? Läse sich flüssiger.
vor dem nächsten moment
das richtige vergessen lässt
da wünschte ich
die zeit zu biegen
zurück bevor --> kann m.E. eigentlich weg, da es im "biegen" enthalten ist.
und nur zu tun --> auch hier dito mit dem "und"
was keinen schmerzt und trennt
doch diese zeit verwehrt sich mir
so bleibt doch nur --> "doch" würde ich hier streichen
das rechte wort
die rechte tat zu finden
und --> dito "und" streichen
den mut des ersten schrittes. --> hier würde ich noch einen Satz drunter setzen: "zur rechten zeit. Damit schließt sich der Kreis sehr schön.

Soweit meine Anregungen.
Hab es gerne gelesen und auf mich wirken lassen!
Saludos
Mucki

Oldy

Beitragvon Oldy » 28.10.2008, 19:51

Hallo,

danke für die freundlichen Kommentare.
ich habe nur schwierigkeiten, mir unter "wenn kalte haut gräben zieht" etwas vorzustellen

Dieses Bild erschien mir eigentlich klar. Es geht hier um Abweisung und Distanz. Gänsehaut meinte ich definitiv nicht. Mal sehen, ob andere hier auch Probleme haben. Der Einwand mit der einfachen Diktion hat was für sich, eva.. Nachdenkenswert.

Mit den Streichungen kann ich mich nur schwer anfreunden, Gabriella. Gerade die von dir angesprochenen "und's" habe ich eingesetzt, um den "Klang" zu erhalten. Der war mir wichtig, gerade weil es ein Erzählgedicht ist und dabei mein Schwerpunkt eher auf Klang und Rhythmus liegt, als auf Reduktion.
Das "zurück bevor" ist ein gewollter Schnitt, ein Übergang, den ich inhaltlich wie auch klanglich als wichtig erachte.

Über den von euch vermissten "Schlusssatz" denke ich nach, obwohl er sich für mich beim Lesen von selbst ergibt. Vielleicht sollte man den Abschluss den Gedanken der Leser überlassen.

Es gibt eine Vertonung, von mir und einer befreundeten Autorin. Letztere würde ich gern vorstellen, sie zeigt anschaulich, warum ich so und nicht anders geschrieben habe. Ist das erlaubt, wenn die Dame nicht Userin dieses Forums ist?

lg
Uwe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.10.2008, 20:10

Hi Uwe,

mit den "und" dachte ich mir schon. Sie sind auch ok. Ich wollte hier auch nicht verdichten in dem Sinne, sondern dachte eher, dass es auch gut ohne sie ginge.
Da wäre eine Lesung sicher gut, um zu hören, dass diese "und" wichtig sind.
Wegen der Lesung: ich meine, wir hatten das hier schon, wenn auch selten, dass Nicht-Mitglieder Texte gelesen haben. Du schreibst: "von dir und einer befreundeten Autorin", also eine Zweierlesung? Geht das bei diesem Text überhaupt? Oder meinst du, es gibt zwei Lesungen, eine von dir und eine von deiner Bekannten?
Saludos
Mucki
P.S.
Wegen des "Gänsehautsatzes", bzw. "Nicht-Gänsehautsatzes": er springt in der Tat heraus aus der Sprache des Gedichtes.

Trixie

Beitragvon Trixie » 28.10.2008, 20:19

Hallo Uwe,

das mit der Lesung dürfte, denke ich, kein Problem sein, sofern die Dame einverstanden ist.

Dein "Gebrauchsgedicht" ist tatsächlich so etwas, dessen Inhalt ich sofort wieder vergesse, es bleibt nichts haften und klingt auch nichts wirklich nach. Es gibt mir nichts.
Dennoch, das schreibst du ja selbst, hat es einen hübschen Klang, schönen Rhythmus, der durchaus bei mir ankommt. Es müssen nicht alle Gedichte, die man schreibt, super bombenmäßig grandios sein, ausgefeilt ohne Ende und so wie man es noch nicht vorher gesehen hat. Manche haben da einfach ein Händchen dafür, für andere ist es Arbeit. Ich finde, dieser Text hat durchaus seine Berechtigung und kommt bei der breiten Masse wahrscheinlich auch gut an. Von daher habe ich jetzt nichts negatives und nichts positives sagen können ;-). Trotzdem kribbelte es in meinen Fingern, einen Kommentar zu schreiben.

Wie gesagt: Der Klang gefällt, was ja auch deine Absicht war.

Liebe Grüße
Trixie

DonKju

Beitragvon DonKju » 28.10.2008, 21:20

Hallo Uwe,

klare Aussagen, guter Rhythmus - schön zu lesen ...

Mit liebem Gruß von Bilbo

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.10.2008, 23:17

Hi Uwe,
Zitat:
ich habe nur schwierigkeiten, mir unter "wenn kalte haut gräben zieht" etwas vorzustellen

Dieses Bild erschien mir eigentlich klar. Es geht hier um Abweisung und Distanz. Gänsehaut meinte ich definitiv nicht. Mal sehen, ob andere hier auch Probleme haben. Der Einwand mit der einfachen Diktion hat was für sich, eva.. Nachdenkenswert.

Eigentlich ist es nur das Wort "Haut", das hier m.E. auf die falsche Fährte führt oder verwirrt.
wenn kalte haut gräben zieht

wie wäre:

wenn kälte tiefe gräben zieht

Das Wort "tiefe" habe ich wegen des Rhythmus' eingefügt und weil es gut zu den später kommenden Brücken passt.
Was meinst du?
Saludos
Mucki

Oldy

Beitragvon Oldy » 31.10.2008, 18:25

So, nun habe ich leichte Änderungen eingefügt und mir eure Einlassungen zu Herzen genommen. In dieser Form werde ich es noch einmal vertonen.

Manchmal
wenn kälte tiefe gräben zieht

ein einziges wort
ein blick
eine geste
die brücken schwankend macht

und meine angst
vor dem nächsten moment
das richtige vergessen lässt

da wünschte ich
die zeit zu biegen

zurück bevor

und nur zu tun
was keinen schmerzt und trennt

doch diese zeit verwehrt sich mir
so bleibt doch nur
das rechte wort
die rechte tat zu finden

und
den mut des ersten schrittes.


Die Absätze habe ich mal für den Leserhytmus eingefügt. Muss vielleicht nicht sein.
Hoppala, Trixie fast vergessen.
Ich danke dir für deine Offenheit, es ist inhaltlich wirklich etwas für die "breite Masse", nichts spezielles. Ich hatte mal ein kleines Buch hier, dass hieß: "Verschenkgedichte". Ich denke, da hätte es gut hinein gepasst.

lg
Uwe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.10.2008, 19:33

Hi Uwe,

sehr schön, auch die neue Setzung gefällt mir sehr! :daumen:
Stellst du die neue Fassung oben noch über die alte ins Kopfposting, so dass man sie dort auch findet?
Saludos
Mucki
P.S.
In deinem Gedicht "Suche" steht die neue Setzung auch noch nicht oben.


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