das vergebene lachen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Estragon

Beitragvon Estragon » 15.07.2008, 11:40

in den letzten drei tagen bin ich
zu einem zugreisenden geworden
ich fuhr nach gütersloh
gestern war ich in konstanz
morgen werde ich in
garbenteich erwartet

man fragt mich was ich beruflich mache
ich lächle und sage sanft
ich mache nichts
das sieht man nicht gerne
man lädt mich zu einer partie schach ein
ich sage
wenn ich das spiel beherrschen würde
stünde ich nicht vor ihnen
ich las ihnen ein gedicht von anne sexton vor
sie kochten vor wut
sie riefen
glauben sie an etwas
ja
sagte ich
ich glaube an den roten vogel
der sich bei ihren nachbarn als kaninchen verkleidet hat
ich rief
hätten sie einen moment zeit
ich verkaufe regenschirme
sie forderten mich auf sie zu verstehen
sie sagten
so ein kauf ist keine kleinigkeit
ich gab ihnen nicht recht
ich rief
dann erkläre ich ihnen wie es um mich steht
sie hielten mich fest
setzten mich wieder hin
riefen
warum verkaufen sie keine schneebälle
schneebälle könnten wir gut gebrauchen
ich aber stand auf und
sagte
ich habe seit ich vier bin immer nur regenschirme verkauft
und ich bin zu stolz
zu stolz um umzudenken

da blickten sie sich an und riefen
verschwinden sie aus unserer welt
wir sind gerade dabei sie neu aufzubauen
ich ging und lachte
als ich lachte wartete ich vergebens auf einen grund

ich hatte ein gedicht von anne sexton in den händen
das wurde nicht blasser mit der zeit
das schimmerte als gäbe es irgendwo
noch mehr zu verlieren
und da gehe ich jetzt hin
Zuletzt geändert von Estragon am 15.07.2008, 19:18, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 15.07.2008, 18:50

Hallo Estragon,

das Gedicht hat einen feinen Gedankenfluss, der mitnimmt, ein gutes Tempo, vor allem das Ende gefällt mir sehr.
Meine absolute Lieblingszeile:
als ich lachte wartete ich vergebens auf einen grund

Ich würde nur in der achten Zeile der zweiten Strophe "stünde" schreiben und nach dieser Zeile eine Leerzeile einschieben, da ich sonst den Tempuswechsel seltsam finde.

Darf ich es in die Erzähllyrik verschieben? :-)

liebe Grüße smile

Estragon

Beitragvon Estragon » 15.07.2008, 19:17

aber gerne

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 15.07.2008, 19:39

danke. :-)
keine leerzeile? gibt es dafür auch einen grund?

liebe grüße smile

Estragon

Beitragvon Estragon » 15.07.2008, 19:53

wieso keine leerzeile, da sind doch so viele

Maija

Beitragvon Maija » 25.07.2008, 20:06

Hallo Estragon,

Dein Gedicht liest sich flüssig und fast möchte man meinen, das es auch eine Leichtigkeit besitzt die Bilder zu erkennen.

ich las ihnen ein gedicht von anne sexton vor


Kenne ich leider nicht. Werde mich mal schlau machen. ;-)

zu stolz um umzudenken


Gefällt mir sehr gut!

ich glaube an den roten vogel
der sich bei ihren nachbarn als kaninchen verkleidet hat


Warum gerade diese Farbe? Welche Bedeutung hat sie? Weiter: ihren nachbarn - verstehe ich, dann: als kaninchen verkleidet?

Vielleicht fällt der Groschen bei mir manchmal etwas langsam und ich kann später es noch deuten.

Lieben Gruß, Maija

Maija

Beitragvon Maija » 31.07.2008, 15:23

Hallo Estragon,

"roten Vogel" - Farbe rot/ signal - Zeichen/ "als Kaninchen verkleidet" Kaninchen - fällt mir leder nichts ein :sad: ( Ich dachte nur spontan an : roter Adler (s. Brandenburg :mrgreen:)
Meine Birne ist leer und ich warte noch auf andere Antworten. :eusa_whistle:

LG., Maija


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste