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Hier ist Raum für Fortsetzungsgeschichten, das Wort der Woche, interne Schreibwettbewerbe und alle anderen literarischen Projekte, bei denen mehrere Saloner zusammenarbeiten
Orit

Beitragvon Orit » 06.11.2006, 19:27

Liebe Dichter, liebe Dichterinnen!

Wie versprochen ein neues Foto, diesmal ohne Titel ... bin schon gespannt, was ihr so seht, denkt, fühlt und dann niederschreibt.
Dateianhänge
Weisheit.jpeg
Weisheit.jpeg (259.91 KiB) 4310 mal betrachtet

Cara

Beitragvon Cara » 06.11.2006, 20:55

Er lebt
gekränkt durch die Vergangenheit
hoch über der Gegenwart

--'--

Ein ganzes Leben
von dem die Erinnerung übrig blieb
und die Schuld

--'--

So sitzt er nun
und schaut
und reift


(c) Cara

Gast

Beitragvon Gast » 08.11.2006, 02:23

blick in die ferne

vermessen die see -
umrissen, ausgelotet
bleibt unergründlich

©GJ200401

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.11.2006, 11:55

Die Aussicht des lachenden Sisyphos

Das ist wieder typisch für die Menschen. Fangen was an und bringen es nicht fertig.

Ich meine, da kloppt einer mich aus dem Stein raus, verpasst mir diese gottverdammten Augen. Augen, mit denen ich in die Ferne blicken kann. Augen mit denen ich in der Ferne alles erblicken kann, was das Träumen lohnt. Und dann? Dann klopfen sie mich nicht fertig. Lassen meinen blöden Arsch im Stein, so dass ich hier sitzen bleiben muss und wie ein gottverdammter alberner Träumer, wie ein Trottel aussehe!! Ich meine: Wenn ich aufstehen könnte! Die ganze Erde donnerte unter meinen Füßen, fiele in Aufregung. Alle unerreichbaren Früchte fielen durch das Erzittern der Bäume zu Boden. Und im Arm hielte ich meine Nachbarin hier gleich neben mir, die weiße Dame, die ihr noch verkrüppelter zurückgelassen habt als mich. Nicht einmal Beine hat sie. Auch keinen Schoß zum Lieben. Aber wenn ich aufstehen könnte, dann würden wir den uns schon erfinden! Denn wer, wenn nicht ein anderer Stein, kann einen Stein erweichen? Und die weiße Dame würde aufhören zu versuchen ihr Kleid zuzuknöpfen, was ihr auch vergessen habt!! Schaut sie euch an, wie sie es unermüdlich versucht. Aber wenn sie bei mir wäre, in meinem Arm, dann würde sie gar nicht mehr an ihre Kleidern denken...ich eilte in die Hügel und unsere Schreie mischten sich unter die der Lämmer...

Aber so...- steht zwischen uns nur Aladin, der Herr der Wünsche.

Ich komm nicht dran...jede nacht probier ich’s...ich schaff es einfach nicht...

Und wenn dann nachts vom Widerschein der Sterne, die Lampe leuchtet, als geschähe endlich das Wunder und ich mich wieder versuche und es wieder nicht gelingt (die weiße Dame könnte es vielleicht schaffen, wenn sie endlich einmal ihr Kleid aus den Augen ließe), dann tönt Aladins Stimme aus der Flasche: Ach, gräm dich nicht, die Menschen kann man nun mal allesamt in der Pfeife rauchen. Und dann lache ich. Nicht, weil es lustig ist. Nein, Aladin ist ein furchtbar schlechter Witze-Erzähler. Ich lache, weil ich hoffe, dass dies meinen Stein so erschüttert, dass er bricht und ich davonlaufe, mit ihr...na ihr wisst schon. Denn Tränen haben nichts bewirkt.

Das einzige was mich tröstet, ist, dass es den Menschen nicht anders geht. Und das, obwohl ihre Ärsche nicht in solchem scheiß Marmor festsitzen wie meiner. Sicher, Aladin faselt dann immer was davon, dass es auch einen menschlichen Marmor gibt, der genauso behindern kann, den man nur nicht sehen kann. Aber ich glaub nicht dran. Den Menschen ist alles möglich! So wie es ihnen möglich gewesen wäre, mich aus dem Stein zu hauen!
Ich glaube nur an das, was ich sehe. Nämlich an das, von dem mir träumt.

edit: entschuldigt bitte sprachliche Mankos etc., ich habe die geschichte nicht überarbeitet, sondern schnell im Fenster geschrieben!
Zuletzt geändert von Lisa am 10.11.2006, 13:39, insgesamt 1-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.11.2006, 13:33

Das ist ja klasse, liebe Lisa!

du hast den steinernen Figuren wirklich Leben eingehaucht und sogar die Wunderlampe zwischen ihnen mit hineingebracht! Und eine Botschaft enthält deine Geschichte auch noch.
:daumen:
Saludos
Gabriella

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 10.11.2006, 17:39

Ja, Lisa, wenn es hier einen Wettbewerb für gute Kommentare gäbe würde ich alle meine Punkte auf diesen, deinen Beitrag werfen, auf daß er oben erscheint.

:cool:

Moshe

Orit

Beitragvon Orit » 13.11.2006, 19:35

Einfach klasse Lisa, so witzig und traurig, bringt mich zum Schmunzeln und Nachdnken.
Meine Gedanken zum Foto finde ich in euren Gedichten, liebe Cara und Gerda wieder. Grübeln was war, wie es weitergeht, aber bevor man sich festbeißt, ein paar Schritte zurücktreten, sich auf eine Mauer setztn, entspannen, den Überblick bekommen und reifen. Vieles bleibt unergründlich.
Er schaut aufs Meer, er schaut auf seine Erinnerung und besonders gefällt mir: er reift.

Vielen Dank für Eure so gelungenen Beiträge

Liebe Grüße
Orit

Max

Beitragvon Max » 18.11.2006, 19:57

Dilemma

Im Zeitfeld leben
verwachsen mit dem Gestern
verwunschen durch das Morgen

Im Zeitfeld leben
verrückt
um einen Augenblick

Orit

Beitragvon Orit » 25.11.2006, 18:50

Lieber Max!

Die Mehrdeutigkeit von "verückt" gefällt mir: verrückt sein nach einem Augenblick ohne Vergangenheit und Zukunft oder einen Schritt vom Aktuellen zurücktreten und aus der Distanz betrachten oder verrückt, irre, wirr steckt auch drinn. Aber die letzte Variante sehe ich nicht in deinem Gedicht, aber das Wort an sich läßt mich auch über diese Möglichkeit nachdenken.

Liebe Grüße
Orit

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 25.11.2006, 21:51

Also, mir gefällt es hier nicht mehr.

Ich weiß, ich weiß, ich sehe so aus, als ob ich aus dem Stein käme.
Das denken alle.
In Wirklichkeit kehre ich wieder mit Grausen in ihn zurück, skeptisch und enttäuscht.
Man schaue sich doch mal die Welt an und diese Frau da neben mir.
Herzinfarkt, Herzinfarkt vom Rauchen.
Die Reste der Wasserpfeife stehen ja noch neben ihr.
Warum raucht eine Frau Wasserpeife?, habe ich mich immer gefragt.
Haben Sie ein Antwort?
Bestimmt nicht.

Und dann das Gesicht da unter meinen Füßen, so ordinär!
Ich bin halt einfach draufgetreten.
Es lag da. Was soll man schon machen. Ich hätte es noch zur Seite stoßen könne, ja. Aber dazu gab es dann keinen Anlaß. So ist jetzt halt da so, wie es ist.

Noch ein Versuch:

Ins Helle meines Steines
kehre ich wieder.

Gehabt euch wohl.

Max

Beitragvon Max » 26.11.2006, 17:46

Liebe Orit,

an die doppelte Bedeutung von "verrückt" habe ich zu allererst gedacht, als ich das Bild sah. Der Gute ist verrückt, weil er verrückt wurde ...

Lieber Moshe,

als ich den ersten Satz von Dir las, bin ich erst einmal tüchtig erschrocken, bis mir klar wurde, wer da spricht ...

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.11.2006, 17:57

Das ging mir ganz genau so, Max.
Ich dachte echt zuerst: Was ist denn jetzt los??????
Bis ich checkte, dass er zu dem Bild schreibt ;-)

Gut gemacht, moshe,
gefällt mir gut!
Saludos
Magic

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 26.11.2006, 18:03

Nein, bitte nicht erschrecken, wenn ich was schreibe.

:smile: :smile:

Freut mich, daß es dann doch noch angekommen ist.

Moshe.

Orit

Beitragvon Orit » 26.11.2006, 20:01

Jaaa, ich habe mich auch für einen kurzen Moment erschrocken, dann etwas gewundert und es nach zwei Sekunden geschnallt :mrgreen: :daumen:
Lieber Moshe! Gelungener Anfang ... und dann gehts so witzig/schräg und ernst weiter. Enttäuscht kehrt der Weise in den Stein zurück, die Weisheit wendet sich von der Welt ab ... na hoffentlich nicht zu ernst gemeint ... :abschied: :12: ;-)

Und das Gesicht unter seinen Füßen ... toll Moshe, daß du das entdeckt hast. Genau, jetzt sehe ich es auch!

Liebe Grüße
Orit


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