Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 05.09.2020, 00:17

ein land der beeren
blüht uns entgegen
ob winter ob sommer
in wortgefilden lässt sich gut
träumen, weißt du, weiße
johannisbeeren schmecken
mild und sanft
trägt ein hügel
verschmitzte gedanken
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Klara
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Beitragvon Klara » 05.09.2020, 17:30

Liebesbrachen liegen zwischen
den bestellten Flächen
voll mit Nichts und Taschentüchern
leeren Dosen
Hoffnungssplittern
Sehnsucht, abgeblättert
von den Latten deiner Träume
und vom Gang der Zeit
Zuletzt geändert von Klara am 06.09.2020, 09:30, insgesamt 1-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 05.09.2020, 18:51

liebesbrachen und pfützen
voller johannisbeersaft
wir hüpfen um uns herum
überspringen gewissensworte
und lassen die brachen
links liegen
hand in hand
eine überlandfantasie
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 07.10.2020, 19:47




die schildkröten schlafen bald

und die blätter
fallen

was soll man auch sagen
im jahr 2020

man atmet noch
und liebt

die nähe die kleinsten kreise
man gewöhnt sich

an anblicke ausblicke
abstände halten

nur manchmal
werden wünsche dunkel

da geht man lieber nicht hin
mach die augen zu

die schildkröten schlafen bald


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nikolaus
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Beitragvon Nikolaus » 23.10.2020, 21:02

wir atmen noch
weil wir überleben wollen
hinter maskierten träumen
liegen die tage
im sterben hoffen sie
auf flüge zurück
ins eigene herz
in die mitte
in die wir vielleicht
nicht mehr finden
Ich lese Lyrik. Das spart Zeit.

(Marilyn Monroe)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 24.10.2020, 14:19

träumen und schreiben
zu den akten legen
in decken gehüllt
am duft des hundes betrinken
da tauchen alte worte auf wie heimat
und langsam ins herz sinken
darin blättern
als wüssten staubläuse den weg
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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birke
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Beitragvon birke » 25.10.2020, 01:24

.

auf der spur
vergangener gedichte

zwischen herbstblättern

ein knistern

.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Nikolaus
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Beitragvon Nikolaus » 29.10.2020, 15:42

in den gedichten
las ich
von meinem täglichen sterben

hinter den zeilen
atme ich zuversicht
satzzeichen sind akzente
ich mache sie nicht

schriftliche abschiede
lassen mich leben
Ich lese Lyrik. Das spart Zeit.

(Marilyn Monroe)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 09.11.2020, 19:24

Der Herbst
kriecht unter die Haut
spannt eine Brücke
vom Weichgrünen
zum Abschied
dazu am Geländer stehen
nicht wissen ob winken oder weinen
wie das Laub im Strom
mich entreißt
flüstert: setzt über setz über
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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birke
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Beitragvon birke » 10.11.2020, 11:57

ich wink zu dir rüber
stehe mal hier mal dort
aber das laub erlaubt
den weg über den steg
sei vor sichtig
sei sanft
und bring das grün
übers land
zu dir zu mir
legen sich herbstblätter
zu füßen
erstreckt sich
ein weites feld
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Klara
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Beitragvon Klara » 10.11.2020, 12:41

Wir winken und weinen
und halten
die Hände in Ferne
die Augen verschleiert
beschlagen mit Brillenscheiben
und mehr oder weniger
nützlichem Wissen
verborgen im Nichtmehrgrün
im Gelb und Bunt
verloren im Grau
verwüstet in schlafloser
Wolle- und Würgerei
Gehärtet im Wiederkäuen
des nutzlos gewordenen
Einstgeborgenen
und der Tag
wird kommen wie immer

Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.11.2020, 18:50

Feine Tröpfchen haben mal schön gemacht

Wenn ich abkomme
vom Handlauf
zu balancieren beginne
leicht wanke von dir zu mir
der Gruß kann schon reichen
für den Fall
immer dem Gewölle nach
sagst du
kaust am Schicksal
wie nichts
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klara
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Beitragvon Klara » 12.11.2020, 09:39

Die Hoffnung rutscht
den Berg hinab
immer wieder
rolle ich sie hoch
durchs Gerölle
wie den berüchtigten Stein
bevor er neu abrutscht
und fällt
(und nie auf die andere Seite!)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 17.11.2020, 17:51

Ich komme nicht weiter
kaue Brocken
(sie rutschen nicht allein)
als sperrte sich die Luft
wandeln würde ich ja
(oben wären Minusgrade)
falle mir ins Wort
spanne meine Stimmbänder
für einen neuen Satz
den ich dir schon tausendmal
geschrieben habe
Rauschen bleibt nach dem Schleifen
die Leere
und Sisyphus
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)


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