Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 07.03.2015, 23:13

die vorgeschichten
fliegen durch unser träumen
(du hast mich vergessen! vergessen bevor
wir uns kannten, erkannten)
wir rudern immerzu gegen das gestern
und ertrinken in pfützen

Nifl
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Beitragvon Nifl » 08.03.2015, 09:19

blass ersonnen
mein Grasen in den Eingeweiden
finde deinen bunten Fleck
tief in mir (ih wie kitschig)
(ich fange nochmal an?)

in den Dampf pusten
von der eingebrockten Suppe
(Zitat aus dem Kopf: Pünktchengeschirr macht auf unerfindliche Weise glücklich)
beobachten wie die Wolken zerstäuben
am besten gegen Licht
am besten mit dem Kinn auf den gefalteten Händen
am besten mit einem Kussmund
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 09.03.2015, 09:09



fürs zittern entschieden
(schmetterlingsschwemme)
bei aller unwahrscheinlichkeit
beharrlich das gleiche sehen
vorgestellt werden
ich dreh mich um
(immer dreh ich mich um)
und alle zitate entfallen mir
am rande der zeit
aber bleibt was geschrieben
(du wolltest den frühling
nun hast du ihn) maiden's blush
Cyclophora punctaria du trägst
die flecken wie punkte
ich beiß mir auf die lippe
dass der name nicht aufflattert
sich die flügel verbrennt
an dieser welt
auf unerfindliche weise
glücklich die suppe
auslöffeln

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 10.03.2015, 01:01

ein fuchsschwanz, ein flirren
zwischen schnee und winterlingen
flüggewerdende flausen
zitate flattern
wie flatulenzen
(mein/ ein ich entblößt sich
entblößt sich in eitelkeit)
zurückrudern
zurückflattern dem herzrennen gemäß
ein anderes maß eine frage

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birke
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Beitragvon birke » 10.03.2015, 23:23

.
diese eine motte
trägt meine sehnsucht
immer flattert sie
dem licht zu
.
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.03.2015, 20:21

geschaufel. andauern

ich arbeite dem licht zu
schippe ordentlich
von meinem leuchten
hinauf zu ihm
bin schon lang durch die schimmernden ränder
hindurch! schöpf jetzt den kern
ab, komm, hinauf mit all dem


damit es hinunter kommt
anderen zufällt

solchen, die noch nicht
solche, die noch

habts schön, ihr
eine weile wirds noch andauern








Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 15.03.2015, 20:39

sollten wir nicht
das licht außer acht lassen
wir kommen woher auch immer
und gehen wohin
auch immer dazwischen
wir unbesiegbar verletzlich
gestrandet und schwimmend
uferlos festsitzend

aber eben jetzt

leben aus der schale
von dem kern (wo das licht vielleicht wohnt)
den wir vergraben und suchen
ein leben lang
wie bei einer fährtenprüfung

ich habe versucht
aufzugeben und zu siegen
aber das vergebliche suchen ist besser
als aufgeben
sich und überhaupt
das licht

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 16.03.2015, 17:48

Licht
wirkt auf mich
nie

ich dunkle dahin
schwärze alles,
was mir nicht
melancholisch genug scheint

will immer schwärzer sein
als schwarz
will jeden Schatten um mich
lichtleer sein
und nachtvoll

ich dunkle dahin
Nacht schafft mir
die nötige Leere
zu dichten
nah zu sein
und dicht
zu lieben
dich

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.03.2015, 18:40

Ich fahre in die Nacht mit mir
und der Innenspiegel zittert

Es ist schon komisch
wenn ich da bin als wenn nichts wäre

Als ich noch verrückt war
legte ich meine Beine über Kreuz
und wollte mich verwechseln
bremsen bis es sich ausdunkelt
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 16.03.2015, 19:10

nachts ist es wärmer als tags
über bleibt ein beschlagener blick
in den rückspiegel

hinter mir mein längst überholtes
ich kaum mehr sichtbar
das tempo entfernt
wir (ich bin mehr als nur ich)
schlittern drauf zu
auf das, was hinten überfällt
und uns damit umwirft

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.03.2015, 09:12




seltsam wie die befürchtungen
auf zwei seiten stehen sphinxe
aus deiner geschichte
hältst du das rätsel in der hand
wie sieht es aus
in deinem herz
was hältst du aus
und die welt wie du sie kennst
wann klaffen die risse
zerfällt sie ins nichts
es könnte so ausgehen
du blickst in den spiegel
und fragst nur nach dem weg zurück
oder so
unglaublich
das süße und bittre wächst
an einem mandelbaum
du drehst dich um und schlüpfst
in deine gesetze
wie in den beutel
eines kängurus


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 20.03.2015, 00:02

mein herz sieht aus wie ein muskel
von innen wie von außen
eine narbe durchbricht gesetze und gewebe
und erzählt andere geschichten
traumschwere geschichten
und von aufatmen weiteratmen
gewichte stemmen
immer wieder vom finger kreuzen
oder beine übereinanderschlagen


in der dämmerung suche ich den baum
auf dem die krähen ihre nächte träumen
ich flüstere ihnen grüße ins gezweig
flüstere ihnen
dass ich die spiegel vergesse
dass die nacht mir ein mantel ist
dass die knospen der mandel leuchten

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 20.03.2015, 15:18

Dort
abenddämmert deine Stimme
versiegt das Licht
leuchtblau
gilbt
und graut dann
und nachtet
zwischen Worten,
die unausgesprochen bleiben sollten

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Eule
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Beitragvon Eule » 20.03.2015, 16:02

flüstern ... ein
Flüstern ganz
nah

bald dachten
wir käme der Sommer
vor den Eisheiligen
Ein Klang zum Sprachspiel.


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