Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

Bild
Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 19.12.2014, 01:11

wer sich erinnert
malt gedichte und weiß
dass wahrheit ist

einmal folgte ich einer maus
auf ihrer flucht
in das maul eines ungeheuers
ließ mich verschlingen
von der dunklen röte
schlitterte zwischen eruptionen
ins innerste der angst
ich gestehe
seine bernsteinfarbene augen
hatten mir alle wege
versüßt
die maus fiepte
gotterbärmlich
während ich mich treiben ließ
in ihrem schatten
ich komme
fiepte ich
ich treibe direkt in dein herz
fiepte ich
(die maus fiepte auch)
(kirchenlieder)
deine augen sind warm wie bernstein
fiepte ich
die maus fiepte kampflieder
duchhalteweisen
ich bin das gerinnsel
fiepte ich
ich bringe dein herz zum stolpern
auch wenn du dich wehrst
rülps nur weiter
fiepte ich
die maus hatte nur mitleid
mit dem ungeheuer
(kirchenlieder)
niemand hatte erbarmen
ich schlitterte der angst in die arme
verpasste das herz
luftgeburt
spuckte das ungeheuer


später kamen doctores
legten wärmewickel
und sprachen von winden

winden
die maus segelte

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nera
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Beitragvon nera » 19.12.2014, 01:58

ach shit
alles war rot und mich hatte noch niemand
angespielt
niemand ausgespeit
(einen kurzen moment spekulierte ich, ob niemand alle sind oder man oder der klippschullehrer- auf jeden fall, in jedem fall, irgendetwas prügelte mir ins gerinnen)
aber alles war not und mir gerinnten die buchstaben zwischen den zähnen
während die vokale kirchenlieder intonierten:
brüder zur sonne

ich belabberte die dotores
verschluckte mich dreimal in meinem plädoyer
an meinem
speite
spuckte übergab
mich
brüder schwestern
ausrufezeichen

die maus

Nifl
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Beitragvon Nifl » 20.12.2014, 19:31

Es gibt solche und solche
und solche, die sich für solche halten

eine Spur zieht sich rot durch und durch
Grenzen ums Niemandsland

die Kassette leiert (vermutlich eine Superduperchromirgendwas)
du lächelst, meinst das gehöre zum Lied

wie der Aufbruch riecht
nach Eisen schmeckt

das Blau der Schilder auf der A1
es knackt und versickert in mir (für immer)

dann werde ich mich abholen
dann werde ich dich abholen
dann werden wir abgeholt

und die Perspektive lehnt sich auf

Bild
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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nera
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Beitragvon nera » 22.12.2014, 00:50

ob wir uns finden
zwischen ange-
lehnten perspektiven
(...und auch dies ist musik,
mit einem törichten ton,
immer demselben...i.bachmann.)

ich gestehe die schwäche
und es ist eine schwäche
ich leiere die vergangenheit
ab und auf
und überhöre die knoten
der alten bänder
ich verwirre sie zu einem
alles
ich bespiele sie neu
mit interpunktionen
an fremden rastplätzen
und stürze mich
später zwischen lkws
auf die rechte spur
der a1
(du versiehst dich nicht
wenn du mich stürzen hörst
wenn ich im sturzflug jede ausfahrt verpasse)

manchmal entwirre ich die knoten
und spiele mir das lied
vom geisterfahren
vom fahren gegen das leiern
immer mit den aufblendlichtern
auge in auge
auch ein lied das mir ins
auge dröhnt

leierei sag ich
wenn du fragst
was ich gerade denke
oder
ich denke nicht
ich höre

das macht dich einsam
ich weiß
nur
das ist das lied der perspektiven

ich höre ein lied
schweige ich
schweige
einen kuss in deine bahn

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 22.12.2014, 08:52



die perspektive der sterne

wir reden doch nur
bis dein finger auf meinen lippen liegt
werden äonen (ist das wort nicht schön?) vergehen
wir fahren nach norden
mit rundumsicherheitspaket
das ist ein anderes lied
sagst du und wirst so ernst dass man
das leben spürt
bis in die kniekehlen
zittern? das ist ein insider
zum kichern erinnern wir uns
es gibt doch mehr
als eine vergangenheit
die unvollendete
frisch heruntergeladen
ich denke an airbags – luftkissen!
und darin liegt das küssen so nah
wie die nächste rast an einem weideweg
finden wir wieder wolle im stacheldraht verhakt
und du weihst mich ein
wie es klingt dort oben
schauen wir den lichtern zu


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 22.12.2014, 11:13



dem schenken wir worte
flocke für flocke
ist entstanden aus dem
dass wahrheit ist
von der dunklen röte
hatte es mir alle wege versüßt
fiepte ich
deine augen sind warm wie bernstein
ich bringe dein herz zum stolpern
mit dem ungeheuer luftgeburt

die maus segelte
jeden fall, in jedem fall, irgendetwas prügelte mir ins gerinnen
an meinem ausrufezeichen (grenzen ums niemandsland)
knackt und versickert es in mir (für immer)
ob wir uns finden

und es ist eine schwäche mit interpunktionen
wenn du mich stürzen hörst
immer mit den aufblendlichtern:
was ich gerade denke
ist das lied der perspektiven

wir reden doch nur
sagst du und wirst so ernst

als eine vergangenheit
finden wir wieder wolle im stacheldraht verhakt




Ein Cento aus dieser Seite, nach eigenen Regeln :)
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Niko

Beitragvon Niko » 22.12.2014, 17:14

wir
warmgeschwiegen
perspektive im stacheldraht
wir und der duft von aufbruch
von fremdem rastplatz
schleudern wir
die gedichte weiss
und später noch
im stürzen
holten wir uns beide ab

Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.12.2014, 19:07

Das Gestammel meiner gesammelten Erden

ein Dorn im Graben (das Verb wäre fatal)

ichverlegt in eine Mappe
den Ecken tropft es aus

Neuronen fallen in Schwärmen über mich her
wartende Lücke Lebenslauf

heute las ich wie mein Ich in einem Spiegel lag
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 23.12.2014, 20:36



Lydia, sagte ich, wollen wir uns ein Nordlicht machen? (Tucholsky)


heute war ich nicht allein

im beschlagenen spiegel

schien dein gesicht

wie ich es liebe

zu sternen zu schweigen

wenn worte sinken

steine (schmeichler) warum

habe ich sie nicht gesehen

lagen schon lange

wartend (schleifen schreibend)

zwischen all dem schwärmen

rinnt die schrift

das leben läuft

davon

haben wir nicht genug

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 24.12.2014, 00:08

ich sage ich bin ungerecht
ich zähle das singen den lügen zu
oder das wachsen
ich schlage den bohnen
treppen ins getriebe
und kappe ihre geiltriebe
nur um mich selbst zu treffen
klammere ich mich an dornen

es gibt schöne silben
sagen die spiegel
bevor sie erblinden
singe ich mir einen tinitus
ein graues rauschen
Zuletzt geändert von nera am 24.12.2014, 02:22, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 24.12.2014, 01:52

ich schwieg mich zum tinnitus
ein zurückgehaltenes wort ist
drei schreie in der seele
und wieviel worte sind versteckt
aus angst vor dem ertrinken

ich schwimme
noch schäume ich mich
über wellenkämme
aber eines tages werde ich
ertrinken an den vielen schreien

Shareena

Beitragvon Shareena » 25.12.2014, 22:45

mene seele schewigt
sie schreit ncht
sie lauscht
und hofft
auf antworten
auf fragen
die nie kommen

Nifl
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Beitragvon Nifl » 26.12.2014, 17:42

"Man lebt nicht alle Leben, die man leben könnte"(Hilde Domin)

Du lagerst meinen Koffer ein
und aus deinen Händen steigt
der zweite Mut

unsere Lippen sind schmächtig wenn sie küssen
wir haben ihnen das Gewicht genommen

so reist das Wirwort ein
lässt die Sterne sinken
spannt uns ein
in die Haut des Firmaments

so als ob wir schwärmen könnten
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 27.12.2014, 11:32

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