Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.02.2010, 11:56

hörst du knack das war der frost
und schau nur, dort oben fliegt ein baum



wir hatten uns eine schale erlebt
verreisten nur noch im schnabel (charterflügel)
bis die krähe uns fallen ließ, weil sie ein wurm sah
wie er sich wand, im schatten der kastanie

sie hält die stürme fern

legte ich uns zurecht
doch du erfandst kurzerhand das mandelrad
und rolltest uns den hang hinauf

wenn du erschöpft warst
hielt ich uns fest
an allem, was ich zu fassen bekam
ja, das konnte ich. manchmal
nesselte es, dann pusteten wir
gegen den schmerz, staunten
dass uns die luft nicht ausging
nur wegen diesem kleinen spalt

auf dem vorsprung strecktest du dich ins licht
und ich blinzelte, so weit ich eben reichte

"na, hast du wieder mit dem himmel geturtelt"
neckst du mich, wenn die sonne durchbricht
hast die wolkin verführt, du
bist ein zarter riese
das sage ich dir
heute


über die kanten wurzeln wir
wachsen schief gestürmt
fliegt manches auf - davon
ein blatt, ein ast, ein gedanke
oder einfach alles - alles einfach: wir
sorgen uns nicht (immerimmer)
um menschen, meinungen und mandeln
denn sie reifen von allein

und wir blühen für uns
rosig (darauf besteh ich)
lächeln jedes jahr übers weiß
das du hineinschummelst
wie diesen traum in meine schale
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 01.02.2010, 22:09

da kommt er
auf dem weißen teppich
tritt den tod mit füßen
(was sonst)
der dreiäugige
birgt die mandel in seinen händen
sie wird blühn
rosig
wenn sie erst in der schwarzen erde ruht

die krähen lachen
saatvögel
nebelboten

er geht in meiner spur
blickt hell mit dem dritten auge
in den herbst
sammelt mandeln

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nera
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Beitragvon nera » 06.02.2010, 01:33

sammelt mandeln nüsse
sieht dem tod hinterher
sät

Max

Beitragvon Max » 06.02.2010, 19:08

Hinter der roten Ziegelwand
modern alte Kränze
die Luft riecht faulig

Als du die Blechkanne mit dem Wasser
zum Grab der Mutter schleppst
räumt der Friedhofsgärtner
einen alten Hügel ab

Auferstehung ist wieder im Mai
Der Tod ist Alltag

Niko

Beitragvon Niko » 09.02.2010, 17:54

alltäglich

so stirbt man heute:

verhartzte seifenblasen
die verarmung per gesetz
schlimmer noch:
man wird eurotisch
man kauft die welt
man umarmt sie nicht mehr


tod durch verwerfung
tod durch drei affen
tod durch die dürre
die verwüstet
uns durch uns

.
Zuletzt geändert von Niko am 14.02.2010, 23:07, insgesamt 1-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 12.02.2010, 22:10

Hab die Blumen
vor dem Winter gerettet
Sie im Herbst aus dem Garten
ins Zimmer geschleppt
Nun stehen sie auf der Heizung
und lassen die Blätter hängen
als hätten wir eine große Dürre

Ich wasche meine Hände in Unschuld
Dabei gäbe es für das Wasser
bessere Verwendung

Nifl
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Beitragvon Nifl » 13.02.2010, 09:52

Einen Strauß Tulpen in den Schnee stecken
als hülfe es

näher sein
dabei verstauben
weiße Blüten der Orchidee
trotzdem: niemals aufgeben! (ein Frühstücksruf)

Die Feuerräder rollen unermüdlich
und ich warte im Tal
stelle mir die Umarmung vor
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.02.2010, 01:17

es ist rabenschwarze Nacht
mutig stelle ich dir
einen Strauß Eisblumen ins Fenster
tanze leichtfüßig davon
morgen wird die Sonne scheinen

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 14.02.2010, 21:49



ein strauß tulpen im schnee
(die köpfe gefüllt)
als wäre er
als wäre sie
gewiss, dass es ihr frühling wird
nimmt sie ihn mit
sonst wären sie erfroren
sagt sie (sammelt sich) den hügel hinauf
schlittert auf festgetretenen wegen
(das salz war lange aufgebraucht)

schnell, einen pfennig (die alte währung) in die vase gelegt
um sie nicht auswachsen zu sehen - dem welken
entgegen - zu setzen gibt es wenig


()


immer drumherum wedeln
mit den händen luft bewegen, als dirigiere man
das leben, die staublichter in den augen (leichtblütig
sich beim trällern ertappen)
misstrauen, misstrauen! (der refrain)

am winter müde werden bis ins mark
wärmen lassen, stellt sie sich vor
(was sie erwartet)


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Niko

Beitragvon Niko » 14.02.2010, 22:59

die luft mit der zunge bewegen
worte entstehen
aus luft
mit dem band der stimme

du bist kein wort
kein säuseln kein wind
greifbare erdung
und das was gedeiht

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.02.2010, 23:22

meine hände durchwirbeln
die luft wie ferngesteuert
der geist inspiriert
zu farbiger ernte

Herby

Beitragvon Herby » 18.02.2010, 01:09

Eingefahren
die farbige Ernte
Vorrat

in morschen Scheuern
fahler Hunger,
Durst nach Leben,

Gier

Niko

Beitragvon Niko » 18.02.2010, 16:54

notiz

vor lauter durst nach leben fast verhungert

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.02.2010, 11:39

schwarzernte


den walzer der pflanzen

hab ich gesehen

hab ich gesehen?


im wind dem säuselband

in den Haaren der Erde

hinüber , zu


den blu blu blumen sag ich's nicht.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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