Dramatischer Dialog I - Ein Versuch

Rubrik für Theaterstücke, Szenen, Sketche, Dialoge, Hörspiele, Drehbücher und andere dramatisch angelegte Texte
DonKju

Beitragvon DonKju » 14.02.2010, 10:25

Der Ort : Eine leere Theaterbühne, auf der sich nichts weiter als zwei Stühle und ein Tisch mit einem Totenschädel befinden – Selbst die Zuschauer glänzen im übrigen durch Abwesenheit …

Die Dramatis Personae : Die Personen namens D. sowie K., weder Geschlecht noch Alter oder ihr genaues Aussehen spielt hier eine Rolle … D. ist eifrig damit beschäftigt, etwas zu Papier zu bringen, während sich K. von hinten links dem Tische nähert, um D. über die Schulter zu schauen … woraufhin sich der folgende Dialog entspinnt :


K: Ich seh‘ gerade, wie sie hier
gar eifrig dilettieren

D: Verzeiht, aber es dünkte mir,
Man soll sich delektieren !

K: Aha, aha – also der hohen Muse Kuss
gedenkt sich hier zu zeigen

D: Ich ahne schon, hier will Verdruss
in Acht und Bann mich geigen

K: Nicht jeder Vers, hat er auch Maß
vermag es recht zu machen

D: Ich dacht‘, es wär‘ ein toller Spaß
und allerhand zu lachen

K: So leicht lässt sich die Dichterkrone
nun wahrlich nicht erringen

D: Ach, mag mir, K., doch nur zum Lohne
ein einz’ges Schelmenglöckchen klingen

K: Hinfort mit diesem Tand und Schmutz
der Aug‘ und Ohr beleidigt

D: Ich nehm das Verslein doch in Schutz
und weiß es wohl verteidigt

K: Oh Weh, die uns’re Zeit ist reich,
Ein jeder glaubt zu dichten

D: Und wird vom Kritiker sogleich
belehrt, er tut’s mitnichten

K: Die Kunst ist ernst und tief, Tragödie
soll wahrhaft ihr Respekt gebühren

D: Vergesst nur gänzlich die Komödie,
den Mensch zum Lachen will verführen

K: In Stolz und Würde soll sie sich kleiden,
und niemals taugen zum dummen Spiel

D: Nimmt doch auf sich des Narren Leiden,
wenn Heiterkeit erkannt als Ziel

K: Nun ist’s genug, du Possenreißer,
der sehr wohl sieht doch nicht erkennt

D: Schon recht, mein armer Wadenbeißer,
der des Schelmen Wahrheit anders nennt

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 14.02.2010, 22:13

Hallo Hannes,

Deine Verse sind dir sehr schön geraten, aber in zweiten Mittelteil bleibt mir vieles sehr rätselhaft ...

Der Reihe nach:
K: Ich seh‘ gerade, wie sie hier
gar eifrig dilettieren

wie "Sie" (?)
D: Verzeiht, aber es dünkte mir,
Man soll sich delektieren !

dilettieren ist kein Gegensatz zu delektieren ... - sollte es vielleicht gar nicht sein
K: Aha, aha – also der hohen Muse Kuss
gedenkt sich hier zu zeigen

ja ...
D: Ich ahne schon, hier will Verdruss
in Acht und Bann mich geigen
ist das nur des Reimes wegen? Gibt es den Ausdruck "in Acht & Bann geigen"?

K: Nicht jeder Vers, hat er auch Maß
vermag es recht zu machen
sehr gelungen ...
D: Ich dacht‘, es wär‘ ein toller Spaß
und allerhand zu lachen
ebenso
K: So leicht lässt sich die Dichterkrone
nun wahrlich nicht erringen
ebenso
D: Ach, mag mir, K., doch nur zum Lohne
ein einz’ges Schelmenglöckchen klingen
ebenso
K: Hinfort mit diesem Tand und Schmutz
der Aug‘ und Ohr beleidigt
"Hinfort" = Fürderhin, dachte keine Ortsangabe (Hinweg?)
D: Ich nehm das Verslein doch in Schutz
und weiß es wohl verteidigt
?? inhaltlich etwas unklar
K: Oh Weh, die uns’re Zeit ist reich,
Ein jeder glaubt zu dichten
ebenso (sehrschön))
D: Und wird vom Kritiker sogleich
belehrt, er tut’s mitnichten
ebenso
K: Die Kunst ist ernst und tief, Tragödie
soll wahrhaft ihr Respekt gebühren
??? auch hier ist mir nicht klar, was du sagen willst ...
D: Vergesst nur gänzlich die Komödie,
den Mensch zum Lachen will verführen
ja
K: In Stolz und Würde soll sie sich kleiden,
und niemals taugen zum dummen Spiel
wie vorher, es wird klar,wenn man umstellt
D: Nimmt doch auf sich des Narren Leiden,
wenn Heiterkeit erkannt als Ziel
schöne Aussage
K: Nun ist’s genug, du Possenreißer,
der sehr wohl sieht doch nicht erkennt

D: Schon recht, mein armer Wadenbeißer,
der des Schelmen Wahrheit anders nennt

Die beiden Schlussverse haben mir besonders gefallen.
Habe ich richtig verstanden, dass es ein Streit zwischen Komödie & Tragödie ist? Aber doch auch mehr? Ich finde, dass es noch nicht ganz fertig ist, vielleicht kannst du mit meinen Fragen etwas anfangen.

Varianten kann ich dir nicht anbieten, weil ich nicht ganz verstehe, worum es dir im Einzelnen geht.

Ich habs mit Neugier gelesen, und gern

liebe Grüße
Renée

PS Possenreißer - Wadenbeißer = wunderschöner Gegensatz und toller Reom!
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 15.02.2010, 07:28, insgesamt 1-mal geändert.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 14.02.2010, 22:14

Hallo Hannes,

Doppelt-gemoppelt wurde rausgeschmissn, dafür ein klein wenig am Rohling gefeilt

Hab einen schönen Montag ..

liebe Grüße
Renée

DonKju

Beitragvon DonKju » 16.02.2010, 17:14

Hallo Renée,

zunächst einmal vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich werde denn mal versuchen einiges zu klären.

01) Zu "... dilettieren ist kein Gegensatz zu delektieren..."
Der Einfachheit halber hier zwei Links zu Wikipedia, die die Begriffe verdeutlichen:

a) http://de.wikipedia.org/wiki/Dilettant
b) http://de.wiktionary.org/wiki/delektieren

Während K. also im falsch verstandenen Sinne abwertet, denn so wird der Begriff heute in der Regel besetzt, setzt D. als Kontrapunkt das gewollte Amüsement des Lesers hier gleich als Ziel ...

02) Zu " ... in Acht und Bann mich geigen ..."
Zugegebenermassen eine etwas eigenwillige Zusammenführung von "in Acht und Bann schlagen" und "jemanden die Meinung geigen", die mich originell dünkte, alternativ wäre für mich denkbar :

"... K: Aha, aha – also der hohen Muse Kuss
zu zeigen will er wagen

D: Ich ahne schon, hier will Verdruss
in Acht und Bann mich schlagen ..."

03) Zu " ... Hinfort ..."
Das ist ein altmodischer Begriff für "Weg damit !"

04) Zu " ... Ich nehm das Verslein ..."
Wenn K es doch am liebsten aus Aug' und Ohr' verbannt sehen möchte, dann braucht's einen Beschützer, der um seinen Wert weiss, und der es damit auch als "wolhlverteidigt" ansieht ...

05) Zu "... K: Die Kunst ist ernst und tief, Tragödie ..."
K. verlangt Ernst, Tiefe und Tragik von der "wahren" Kunst, dem setzt D. fröhlich seine Schelmenhaftigkeit und die Komödie entgegen, ein bißchen stand da auch das Streitgespräch des William von Baskerville und dem ehrwürdigen Jorge aus dem Namen der Rose Pate über die Schriften des Aristoteles ...

Der Text hat neben der von Dir genannten natürlich noch weitere Ebenen wie "Ernst kontra Humor" oder "Kritiker contra Dichter", um nur zwei zu nennen ... und sollte dabei in der lockeren Reimform gehalten, die den Leser, wenn irgend möglich, angenehm unterhalten sollte ... denn warum sollten wir alles immer nur bierernst angehen und darstellen, wenn es locker flockig leicht auch gehen könnte ...

Mit lieben Grüßen der Hannes

selachde

Beitragvon selachde » 16.02.2010, 20:17

hi hannes,

ich meine, dass dramen klassischerweise im fünfhebigen jambus geschrieben wurden ...(ich sage mal wurden).
im vierhebigen bekommt das ganze noch etwas volksliedcharakter ...(und ist am schluss auch nicht ganz durchgehalten). aber ich denke, das kann ganz gut zu deiner intention für diesen text passen.

lg. s.

Lyrillies

Beitragvon Lyrillies » 20.02.2010, 10:19

Huhu Bilbo,

ich wollte nur kurz vorbei schneien um dir zu sagen, dass ich eigentlich auch noch etwas hierzu schreiben wollte - das kommt noch, versprochen!

Liebe Grüße,
Ellie

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Beitragvon noel » 20.02.2010, 11:14

auch wennn zum schluss der klang-gesang ein wenig abklingt,
fast ruckelt...
habe ich mich amüsiert, über diese famose kontroverse,
den wadenbeißer contra dem lustvoll lebenden.

& das geigen ohrt & augt mir
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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Beitragvon Mnemosyne » 20.02.2010, 15:37

Hallo Bilbo,
deinen Dialogversuch mag ich, auch wenn ich Noels "Ruckeln" zum Ende hin ebenfalls fühle und meine Sympathien stark in Richtung K tendieren :-). Spontan fühle ich mich an das "Vorspiel auf dem Theater" im Faust erinnert, auch wenn die Positionen dort etwas anders verteilt sind. Das Gespräch wäre aber, wie ich finde, durchaus noch ausbaufähig.
Liebe Grüße
Merlin

DonKju

Beitragvon DonKju » 21.02.2010, 12:17

Hallo Leute,

da kam ja denn doch noch einiges zusammen, ich geh's mal einfach der Reihe nach durch ...

@selachde
Danke für den erhellenden Hinweis. Ich muss mal sehen, ob ich den Dialog dahingehend überarbeiten kann und möchte, ohne daß ihm seine Frische verlorengeht. Allerdings sollte es dann, wegen der unterschiedlichen Positionen, nur für K der fünfhebige Iambus sein. D sollte, seinem Charakter entsprechend den vierhebigen nutzen, so von wegen "Knittelvers" oder "vox populi" - schauen wir mal, kann aber etwas dauern ...

@Ellie
denn vorläufig nur ein "Huhu" zurück ...

@noel
schade, hatte ich doch gehofft, das schwächeln verberge sich besser hinter den reimen - erwischt ! danke für das amüsement sowie das augende & ohrende gEigen ...

@Merlin
Wenn überhaupt, dann hat der "Faust" hier, abgesehen von dem Reimen, hier eher unterbewußt Pate gestanden. Was die Sympathien angehen, dann solltest Du vielleicht den K "übernehmen", ich fühle mich denn doch mehr dem D hingewandt - also eine kleine Gemeinschaftsproduktion daraus machen ?! Da könnten wir es dann ja gemeinsam "ausbauen" ...

Lieben Sonntagsgruß in die Runde vom Hannes

selachde

Beitragvon selachde » 21.02.2010, 13:13

Bilbo hat geschrieben:@selachde
Danke für den erhellenden Hinweis. Ich muss mal sehen, ob ich den Dialog dahingehend überarbeiten kann

Hannes


huhu hannes. das würd ich nicht machen. aber viell. beim nächsten dann ... :hexe0013:

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Beitragvon Mnemosyne » 21.02.2010, 15:36

Hallo Bilbo!

"Da könnten wir es dann ja gemeinsam "ausbauen" ..."

Die Idee gefällt mir ausgezeichnet und ich denke auch, dass etwas spannendes dabei heraus kommen könnte. Wenn du Zeit und Lust für so eine kleine Kooperation hast, könnten wir die Einzelheiten per PM besprechen?
Liebe Grüße
Merlin

Lyrillies

Beitragvon Lyrillies » 22.02.2010, 21:06

So, lieber Bilbo, jetzt:

An sich gefällt mir deine Idee gut. Den Gegensatz hast du schön dargestellt, finde ich, und solche Ausdrücke wie "in Acht und Bann geigen" mag ich besonders! Klingt schön!
Den Anfang finde ich auch recht gelungen, was mich eher stört ist Mittelteil und besonders das Ende, wenn auch auf verschiedene Arten.
Der Mittelteil erscheint mir zu ...hm, ich nenne es mal unauffällig. Es gibt zumindest so wie ich das lese keinen deutlichen dramatischen Höhepunkt - sicher, das Gespräch entwickelt sich, aber ein klar herausgehobener Spannungshöhepunkt fehlt mir noch. So habe ich das Gefühl, du bist immernoch erst am Anfang, wenn du schon plötzlich endest. Und das ist das, was mich am Ende nicht recht überzeugt: Es endet so plötzlich, ohne Warnung, ohne klaren Schlusspunkt. Der letzte Satz wird gesprochen und ich denke "huch, schon vorbei?".
Ich weiß nicht ob es nur mir so geht, aber das stört meinen Genuss der ansonsten meiner Meinung nach wirklich schön geschriebenen Zeilen, die den ein oder anderen tollen Gedanken beinhalten.

Liebe Grüße,
Ellie

DonKju

Beitragvon DonKju » 23.02.2010, 17:26

Hallo selachde,

dann behalt' ich das also im Hinterkopf für die Zukunft ...

und ein liebes huhu zurück vom :hut0007: - Hannes

Hallo Lyrillies,

du magst recht haben, daß dem Dialog im "Mittelteil" ein dramatischer Höhepunkt fehlt, aber momentan kann ich leider keinen aus dem Hut zaubern ...

Was das sicherlich abrupt wirkende Ende angeht, so ist das durchaus Absicht, da sich die beiden Kontrahenten unversöhnlich gegenüberstehen und K dann eben auch aufgrund der Uneinsichtigkeit auf D's Seite willkürlich abbricht. Aber das ist vielleicht nicht so richtig deutlich geworden ...

Nun ja, aber das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, oder der Vorhang noch nicht gefallen, wie die Theaterleute sagen würden ...

Auf jeden Fall Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße vom Hobbit


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