Verbockt
Verfasst: 14.01.2010, 09:14
Auf einer Bank im Wiener Stadtpark im Jahr 2015 zur Mittagspause
- Heut Nacht sind noch mehr vom Himmel gefallen, Professor.
- Tatsächlich, Fräulein Doktor?
- Bald weiß keiner mehr, wohin mit ihnen.
- Das geht jetzt schon zwei Monate so. Eine Pest ist das!
- Aber die ärztlichen Untersuchungen haben ergeben, dass sie keinerlei Krankheiten in sich tragen.
- Krank ist das Ganze allemal, liebes Fräulein!
- Wie man’s nimmt ... und hören Sie bitte auf, mich Fräulein zu titulieren! Das ist doch ganz und gar aus der Mode. Auch in unserem Land.
- Verzeihen Sie, ich bin halt ein alter Kerl. Was meinen Sie mit: Wie man’s nimmt?
- Erst vorgestern – ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Freund – schon stand einer im Wohnzimmer und mischte sich ein.
- Was sagte er denn?
- Das Übliche: Freedom, peace all over the world.
- Ich habe gehört, sie sprechen nur englisch, wo man sie versteht. In Buxtehude zum Beispiel sprechen sie platt. Die sind schon überall. Hat schon was von Seuche, geben Sie’s zu.
- Aber Seuchen machen krank. Das tun die nicht. Nicht wahr?
- Ja. Katastrophal! Bei der Bevölkerungsexplosion! Schließlich müssen wir dankbar sein, dass es Hungersnöte und Kriege gibt. Und was machen die?
- Sättigen. Heilen.
- Ein Wahnsinn! Wo soll das enden?
- Sie sagen, wenn die Reichen teilen, wenn Nahrungsmittel nicht aus Profit vernichtet werden, ist für alle gesorgt.
- Blödsinn. Hat man eigentlich mittlerweile herausgefunden, warum sie herunterfallen?
3 Monate später ebenda
- Statt des Segens potenziert sich das Elend. Wusste ich gleich.
- Ich bin noch immer voller Zuversicht.
- Tagträumerischer Mumpitz.
- Schwarzmaler!
- Schauen Sie sich die Geschichte an. Vom Messias angefangen. Wir sind Zerstörer. Teufelsgeburten.
- Lieber Professor, die Zeit ist zu kurz, seit sie auf die Erde gefallen sind. Lassen Sie uns hoffen.
- Humanmediziner wie Sie, Frau Doktor – sehen Sie, ich habe dazugelernt –, haben den Eid des Äskulaps geschworen. Ich bin Naturwissenschaftler und zu nichts verpflichtet. Der Glaube lässt sich nicht in Formeln packen. Die Klimaveränderung, Schmelze des Permafrostes, Ansteigen der Meeresspiegel, Vergiftung der Meere durch die Plastikabfälle und ach so vieles! Das lässt sich nicht durch Hoffnung aufheben. Auch nicht dadurch verbessern, dass die Armen genährt werden. Wo sollen sie denn leben? Die Industriegesellschaft wird sie nicht aufnehmen, wenn ihr Lebensraum abgesoffen ist oder verdorrt.
Ein fast transparentes Wesen schwebt herab, landet auf der Wiese vor der Parkbank und faltet seine Flügel zusammen.
- Ich überlege immer noch, warum die eigentlich vom Himmel fallen? Werden sie vielleicht heruntergeworfen? Oder sind sie gar geflohen?
- Also ehrlich gesagt, ist mir das wurscht. Viel mehr interessiert mich das Resultat, was zum Teufel passiert mit uns?
Mit ernster Miene wendet sich der Durchscheinende ihnen zu.
- Wenn ich mich in euer Gespräch einmischen darf: Der Teufel hat nichts damit zu tun, liebe Menschen. Das Problem ist vielmehr, dass der Teil eurer Spezies, der über reichlichen Besitz verfügt, keine Lust hat, zu teilen. Wir sind zum Schluss gekommen, uns mit den Bedürftigen hienieden verbünden zu müssen. Sonst wird das nichts.
Er breitet die Schwingen aus und erhebt sich wieder in die Lüfte.
Ein Jahr danach auf den Trümmern der Parkbank neben einem Bombenkrater
- Alles kaputt. Ich werde die Bretter, auf denen wir sitzen, mitnehmen, meine Wohnung ist schrecklich kalt, eine Außenwand fehlt.
- Ich kann nur lachen, liebe Frau Doktor. Da schmeißt einer, der vermutlich Gott heißt, seine Engel auf die Erde, damit alles gut wird! Wahrscheinlich, um seine Weltrettungsfantasien zu befriedigen, und das Ergebnis?
- Sie als Mathematiker haben es sofort gewusst: Die Gleichung konnte einfach nicht aufgehen ...
- Und Sie wissen natürlich auch, warum, Fräulein Doktor, nicht wahr?
- Es ist die Natur des Menschen.
Ein blasser Engel wankt durch den Park. Seine Flügel sind zerschlissen, er winkt schwach herüber, reißt ein paar Zweige von einer umgestürzten Birke und flickt sie damit. Dann wirft er einen letzten Blick auf die beiden und flattert schwerfällig zum Himmel hoch.
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- Heut Nacht sind noch mehr vom Himmel gefallen, Professor.
- Tatsächlich, Fräulein Doktor?
- Bald weiß keiner mehr, wohin mit ihnen.
- Das geht jetzt schon zwei Monate so. Eine Pest ist das!
- Aber die ärztlichen Untersuchungen haben ergeben, dass sie keinerlei Krankheiten in sich tragen.
- Krank ist das Ganze allemal, liebes Fräulein!
- Wie man’s nimmt ... und hören Sie bitte auf, mich Fräulein zu titulieren! Das ist doch ganz und gar aus der Mode. Auch in unserem Land.
- Verzeihen Sie, ich bin halt ein alter Kerl. Was meinen Sie mit: Wie man’s nimmt?
- Erst vorgestern – ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Freund – schon stand einer im Wohnzimmer und mischte sich ein.
- Was sagte er denn?
- Das Übliche: Freedom, peace all over the world.
- Ich habe gehört, sie sprechen nur englisch, wo man sie versteht. In Buxtehude zum Beispiel sprechen sie platt. Die sind schon überall. Hat schon was von Seuche, geben Sie’s zu.
- Aber Seuchen machen krank. Das tun die nicht. Nicht wahr?
- Ja. Katastrophal! Bei der Bevölkerungsexplosion! Schließlich müssen wir dankbar sein, dass es Hungersnöte und Kriege gibt. Und was machen die?
- Sättigen. Heilen.
- Ein Wahnsinn! Wo soll das enden?
- Sie sagen, wenn die Reichen teilen, wenn Nahrungsmittel nicht aus Profit vernichtet werden, ist für alle gesorgt.
- Blödsinn. Hat man eigentlich mittlerweile herausgefunden, warum sie herunterfallen?
3 Monate später ebenda
- Statt des Segens potenziert sich das Elend. Wusste ich gleich.
- Ich bin noch immer voller Zuversicht.
- Tagträumerischer Mumpitz.
- Schwarzmaler!
- Schauen Sie sich die Geschichte an. Vom Messias angefangen. Wir sind Zerstörer. Teufelsgeburten.
- Lieber Professor, die Zeit ist zu kurz, seit sie auf die Erde gefallen sind. Lassen Sie uns hoffen.
- Humanmediziner wie Sie, Frau Doktor – sehen Sie, ich habe dazugelernt –, haben den Eid des Äskulaps geschworen. Ich bin Naturwissenschaftler und zu nichts verpflichtet. Der Glaube lässt sich nicht in Formeln packen. Die Klimaveränderung, Schmelze des Permafrostes, Ansteigen der Meeresspiegel, Vergiftung der Meere durch die Plastikabfälle und ach so vieles! Das lässt sich nicht durch Hoffnung aufheben. Auch nicht dadurch verbessern, dass die Armen genährt werden. Wo sollen sie denn leben? Die Industriegesellschaft wird sie nicht aufnehmen, wenn ihr Lebensraum abgesoffen ist oder verdorrt.
Ein fast transparentes Wesen schwebt herab, landet auf der Wiese vor der Parkbank und faltet seine Flügel zusammen.
- Ich überlege immer noch, warum die eigentlich vom Himmel fallen? Werden sie vielleicht heruntergeworfen? Oder sind sie gar geflohen?
- Also ehrlich gesagt, ist mir das wurscht. Viel mehr interessiert mich das Resultat, was zum Teufel passiert mit uns?
Mit ernster Miene wendet sich der Durchscheinende ihnen zu.
- Wenn ich mich in euer Gespräch einmischen darf: Der Teufel hat nichts damit zu tun, liebe Menschen. Das Problem ist vielmehr, dass der Teil eurer Spezies, der über reichlichen Besitz verfügt, keine Lust hat, zu teilen. Wir sind zum Schluss gekommen, uns mit den Bedürftigen hienieden verbünden zu müssen. Sonst wird das nichts.
Er breitet die Schwingen aus und erhebt sich wieder in die Lüfte.
Ein Jahr danach auf den Trümmern der Parkbank neben einem Bombenkrater
- Alles kaputt. Ich werde die Bretter, auf denen wir sitzen, mitnehmen, meine Wohnung ist schrecklich kalt, eine Außenwand fehlt.
- Ich kann nur lachen, liebe Frau Doktor. Da schmeißt einer, der vermutlich Gott heißt, seine Engel auf die Erde, damit alles gut wird! Wahrscheinlich, um seine Weltrettungsfantasien zu befriedigen, und das Ergebnis?
- Sie als Mathematiker haben es sofort gewusst: Die Gleichung konnte einfach nicht aufgehen ...
- Und Sie wissen natürlich auch, warum, Fräulein Doktor, nicht wahr?
- Es ist die Natur des Menschen.
Ein blasser Engel wankt durch den Park. Seine Flügel sind zerschlissen, er winkt schwach herüber, reißt ein paar Zweige von einer umgestürzten Birke und flickt sie damit. Dann wirft er einen letzten Blick auf die beiden und flattert schwerfällig zum Himmel hoch.
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