Sturmwarnung
Verfasst: 06.05.2009, 16:43
1. Januar, Autobahn Göttingen-Frankfurt
Sturmwarnung, sagt mir der Mann morgens um halb sechs an der Tankstelle, als ich vom klaren Sternenhimmel und der Aussicht auf schönes Wetter rede.
Windböen mit 140 Stundenkilometern im Harz.
Dunkle Sturmwolken fegen über Anhöhen und Autobahn.
Tief am Horizont, Wächter über die Morgenröte : die Mondsichel.
Kaum kenne ich das Land, so weit öffnet sich der Blick und flammt der Himmel von Osten kilometerlang. Schattierungen wie im Süden Frankreichs, bleich Wald und Erde : Im Orkan wächst der Süden nordwärts.[/i][/i][/i]
2. Januar, Genfer See (besser: le Lac Léman)
Kaum erkenne ich den See wieder : eine schiefergraue, matte Tafel unter tiefhängenden Wolken. Die Städte am anderen Ufer, Lausanne in der Ferne, wie elfenbeinfarbene Zähne mit schimmernden Goldkronen. Hier und da rot glühende Kontrastpunkte : Rücklichter, Krähne, Sendetürme. Mein Auge verliert sich in tausend und einer Schattierung von Grau. Sturm, sagt mir später ein Kollege. Mir aber scheinen Zeit und See still zu stehen : ein Aquarell aus Schwarz und Weiss, Traum eines Gottes, der der Farben müde ist. Nur spät, auf dem Rückweg, ganz im Westen : eine Ahnung von Licht.
3.
Sturmblut
Donnernde Herzwand
Alle Ruhe dahin
Auch das Geistherz
Nur geliehen
Stetig flutet das Leben
Nichts zu halten
Vertrauen jedoch
Es gibt Tao
4. Oktober, Genfer See
Sturmsonne. Du legst dich glühend
als Band in dunkle Wolkenflucht,
unverhofftes Licht, vom Nordwind umtost.
Meine Sonne, Sturmsonne. Du rufst Farbe
aus bleierner Urgewalt, metallene
Kampfansage, gleissend und scharf.
Wie auf Messers Schneide erscheinen
Baum und Strauch im Grau.
Siegerin nicht. Im Kampf erst entbrennt
deine Macht. Deine Strahlen sind Heerscharen.
Und doch ! Inmitten flammend apokalyptischer
Entfesselung rührst du an innersten Quell.
Erbarmen, dein Ursprung. Erbarmen.
Licht von ewigem Licht. Du ruhst in Gott.
5. Dezember, Genfer See
Meine Seele, meine Seele,
unter finstren Gedanken, unter finstren Gesichten,
fliehst du mit der Wolken Ballung, Schicht um Schicht,
schwanger mit Kälte und Schnee,
zu Flecken, braun und grün im Tal ;
schiefergrau der See,
Hänge und Wald weiss,
fliehst du dahin unter Schmerzen,
in Fetzen, an einem neuen Wintermorgen,
der Farben aufgehen lässt über durchfieberter Nacht.
6. Verregneter Wintertag
Ich verirre mich zwischen den Tropfen,
zerschelle im Gehör,
verdunste am brennenden Auge,
halte nicht stand.
Der heutige Tag zerstreut meine Seele
zu Legionen.
Dämonenhaft fahre ich
auseinander.
7. Nun ist mir
Mein brennendes Blut zur
Krankheit geworden
Zieht sich mein Leben ins
Innerste zurück
Fern pochender Hirnhaut
Fern hämmernder Sprache
Kühn und aufrecht stand ich
Am Ende jeder Nervenbahn
Liege blank nun im Mark
Fernes Du
Fernes Ich
Blättert die Welt von mir ab
Sturmwarnung, sagt mir der Mann morgens um halb sechs an der Tankstelle, als ich vom klaren Sternenhimmel und der Aussicht auf schönes Wetter rede.
Windböen mit 140 Stundenkilometern im Harz.
Dunkle Sturmwolken fegen über Anhöhen und Autobahn.
Tief am Horizont, Wächter über die Morgenröte : die Mondsichel.
Kaum kenne ich das Land, so weit öffnet sich der Blick und flammt der Himmel von Osten kilometerlang. Schattierungen wie im Süden Frankreichs, bleich Wald und Erde : Im Orkan wächst der Süden nordwärts.[/i][/i][/i]
2. Januar, Genfer See (besser: le Lac Léman)
Kaum erkenne ich den See wieder : eine schiefergraue, matte Tafel unter tiefhängenden Wolken. Die Städte am anderen Ufer, Lausanne in der Ferne, wie elfenbeinfarbene Zähne mit schimmernden Goldkronen. Hier und da rot glühende Kontrastpunkte : Rücklichter, Krähne, Sendetürme. Mein Auge verliert sich in tausend und einer Schattierung von Grau. Sturm, sagt mir später ein Kollege. Mir aber scheinen Zeit und See still zu stehen : ein Aquarell aus Schwarz und Weiss, Traum eines Gottes, der der Farben müde ist. Nur spät, auf dem Rückweg, ganz im Westen : eine Ahnung von Licht.
3.
Sturmblut
Donnernde Herzwand
Alle Ruhe dahin
Auch das Geistherz
Nur geliehen
Stetig flutet das Leben
Nichts zu halten
Vertrauen jedoch
Es gibt Tao
4. Oktober, Genfer See
Sturmsonne. Du legst dich glühend
als Band in dunkle Wolkenflucht,
unverhofftes Licht, vom Nordwind umtost.
Meine Sonne, Sturmsonne. Du rufst Farbe
aus bleierner Urgewalt, metallene
Kampfansage, gleissend und scharf.
Wie auf Messers Schneide erscheinen
Baum und Strauch im Grau.
Siegerin nicht. Im Kampf erst entbrennt
deine Macht. Deine Strahlen sind Heerscharen.
Und doch ! Inmitten flammend apokalyptischer
Entfesselung rührst du an innersten Quell.
Erbarmen, dein Ursprung. Erbarmen.
Licht von ewigem Licht. Du ruhst in Gott.
5. Dezember, Genfer See
Meine Seele, meine Seele,
unter finstren Gedanken, unter finstren Gesichten,
fliehst du mit der Wolken Ballung, Schicht um Schicht,
schwanger mit Kälte und Schnee,
zu Flecken, braun und grün im Tal ;
schiefergrau der See,
Hänge und Wald weiss,
fliehst du dahin unter Schmerzen,
in Fetzen, an einem neuen Wintermorgen,
der Farben aufgehen lässt über durchfieberter Nacht.
6. Verregneter Wintertag
Ich verirre mich zwischen den Tropfen,
zerschelle im Gehör,
verdunste am brennenden Auge,
halte nicht stand.
Der heutige Tag zerstreut meine Seele
zu Legionen.
Dämonenhaft fahre ich
auseinander.
7. Nun ist mir
Mein brennendes Blut zur
Krankheit geworden
Zieht sich mein Leben ins
Innerste zurück
Fern pochender Hirnhaut
Fern hämmernder Sprache
Kühn und aufrecht stand ich
Am Ende jeder Nervenbahn
Liege blank nun im Mark
Fernes Du
Fernes Ich
Blättert die Welt von mir ab