Das Märchen vom Donnerlüttchen (von Lyrillies und Mnemosyne)
Verfasst: 20.03.2009, 10:42
Das Märchen vom Donnerlüttchen
Von Merlisabeth Thörl
Es war einmal eine Brauerstochter, die lebte mit ihrem Vater in einer ärmlichen Brauerei. Vor langer Zeit, bevor der Großvater des Mädchens starb, war die Brauerei groß und wohlhabend gewesen. Als der Vater sie nach dem Tod des Alten übernahm, stürzte das Dorf in eine Finanzkrise. Das Geschäft lief immer schlechter und der Brauer begann zu trinken und verfiel der Prahlsucht: "Ich fahre über die Meere in die Welt hinaus!", pflegte er zu sagen, wenn er des Morgens sein Fass ins Dorf hinunter rollte. "Ich habe einhundert Goldstücke verdient, bald bin ich reicher als der König!", sagte er wenn er heimkam. Das Mädchen aber suchte Zuflucht in der Welt der Bücher. Sie las den ganzen Tag und glaubte bald, alles zu kennen. Streifte sie durch den Wald und sah ein Haus aus duftendem Lebkuchen, so dachte sie bei sich: "Elende Menschenfresserhexe! Darauf falle ich doch nicht herein!" - und schritt mit hocherhobenem Kopf vorbei. Darüber entgingen ihr sogar die vielen vergnügten Kinder, die sich ganz schadlos an den Köstlichkeiten gütlich taten. Frösche, die ihren Weg kreuzten, pflegte sie nach Prüfung ihres Geschlechtes und ohne Zögern wahlweise zu küssen oder gegen die nächste Wand zu werfen, wofür sie jedoch noch nie mit einem Prinzen belohnt wurde. Und wenn ihre Großmutter sie mit großen Augen ansah, eilte sie zu deren Befremden schnurstracks aus dem Haus zum nächsten Förster.
Es begab sich aber zu der Zeit da der Schnee zu schmelzen begann und der Bäcker wie jedes Jahr zu Werbezwecken im Wald ein großes Lebkuchenhaus errichtete, dass der König ins Dorf geritten kam. Durstig wie er war, suchte er zunächst die Schenke auf.
Wie staunte er aber, als er von der Türe her die Worte vernahm "Der König? Das ist doch ein armer Schlucker, sein Reichtum ist nichts gegen das, was ich in meinem Keller horte!"
"Woher will einer wie ihr solch Schätze nehmen? Ihr scheint mir eher wie einer, der sein Bier am liebsten selber säuft." spottete daraufhin der König.
"Ich kann es mir leisten, denn ich braue nur zu meinem Vergnügen! Meine Tochter vermag aus Opel-Aktien perfekte Blüten herzustellen. Die nimmt jede Bank!"
Da dachte der König bei sich: "Dieses Mädchen muss ich haben!" Laut sagte er: "Gebt mir eure Tochter! Vermag sie tatsächlich solche Wunder zu wirken, so will ich sie zu meiner Frau machen! Kann sie es jedoch nicht, so sollt ihr beide die Strafe für Lügner erhalten."
Was blieb dem armen Brauer da anderes übrig, als seiner Tochter Bescheid zu geben, sich auf dem Schloss des Königs einzufinden.
Als das Mädchen dies erfuhr, schmunzelte sie nur. "Ich will's dem König schon zeigen.", antwortete sie keck und stolperte wie immer über die Türschwelle.
("Billige Slapstick-Einlage!", dachte sie, aber da hatte sie die Ebenen verwechselt.)
Nach einer langen, beschwerlichen Reise erreichten sie schließlich das Schloss des Königs. Dort sperrte man die Brauerstochter in eine Kammer im höchsten Turm, die über und über voll war mit völlig wertlosen Opel-Aktien.
Das Mädchen setzte sich auf einen der Aktienstapel, stütze den Kopf in die Hände und erwartete das Unvermeidliche. Kurz darauf erschien ein kleines, hässliches, hutzliges Männlein in der Kammer. Das Mädchen hätte nicht sagen können, ob es auf magische Weise durch die Wand getreten war, oder sich die ganze Zeit hinter einem Aktienstapel versteckt gehalten hatte. (Vielleicht sollten wir lieber Papiertürme sagen, denn Aktienstapel hatten wir ja schon.)
„Du bist spät dran, ich wollte schon zu Bett gehen.“, sagte das Mädchen und zeigte auf einen der Haufen. „Wie ich vermute, bist du gekommen um im Austausch gegen mein Erstgeborenes diesen ganzen Müll in perfekte Blüten umzuwandeln.“ Das Männlein blinzelte verwirrt, räusperte sich kurz und antwortete: „Äh ja... ja in der Tat, das bin ich.“
„Nun denn, beginne! Ich lege mich derweil schlafen.“ Die Brauerstochter wandte sich ab und legte sich hin.
Wie war das Erstaunen des Königs groß, als er am nächsten Morgen die Kammer betrat und das Mädchen zwischen tausenden und abertausenden gefälschten Banknoten vorfand. Nicht eine Opel-Aktie war übrig geblieben.
„Inflationsgeld aus der Kaiserzeit!“, bemerkte der König und rümpfte die Nase. „Aber gut, versprochen ist versprochen. Gehen wir heiraten.“
Elf Monate später ging im Lande die Kunde, die neue Königin erwarte ein Kind. Kurz darauf erschien auch das Männlein wieder im königlichen Schloss. Die ehemalige Brauerstochter hatte in Erwartung dieses Tages ihr seidenes Taschentuch bereits in Zwiebelsaft getränkt. Als nun das Männchen vor ihr stand, weinte sie bittere Tränen.
„Oh bitte!“, flehte sie, „Ich war jung und brauchte das Geld! Du kannst mir doch mein Kind nicht rauben!“
„Es ist doch immer das Gleiche mit diesen Königinnen! Nun gut, ich will dir eine letzte Chance gewähren: Bringst du innerhalb von drei Tagen meinen Namen in Erfahrung, so sollst du dein Kind behalten.“ Damit machte das hutzlige Wesen auf dem Absatz kehrt und verschwand, wie es gekommen war.
Tags darauf ging die Königin in die Stadt um einzukaufen. Auf dem Weg dorthin begegnete sie dem Teufel. „Hallo Teufel.“, sagte die Königin. „Hallo Königin.“, sagte der Teufel. „Sag, weshalb schaust du denn so besorgt?“
„Ach“, entgegnete die Königin. „Ach“, antwortete der Teufel. „Och“, meinte die Königin. „Och“, sagte der Teufel. „Ech“, seufzte die Königin. „Ech?“, fragte der Teufel. „Uch“, rief die Königin und stolperte. „Uch!“, wiederholte der Teufel. „Ich“, setzte die Königin an. „Ja was denn nun?!“, unterbrach der Teufel sie ärgerlich.
„So lass‘ mich doch ausreden! Ein gar altes, hässliches, hutzliges Männlein sitzt bei mir daheim und verlangt mein Erstgeborenes. Errate ich nicht in drei Tagen seinen Namen, so muss ich ihm mein Kind überlassen.“ Die Königin schluchzte theatralisch.
Erbost rief der Teufel: „Aber das ist doch mein Außendienstmitarbeiter Donnerlüttchen! Ja hat er sich denn nicht vorgestellt? Was treibt er nur wieder für einen Unsinn, ich muss doch einmal mit der Personalabteilung darüber reden... So kann das ja nicht weitergehen! Keine Sorge liebe Königin, nun da ihr seinen Namen kennt, kann euch kein Leid mehr geschehen.“
Die Königin aber wischte daraufhin die Tränen von ihren Wangen und setzte ihren Einkaufsbummel wie geplant fort.
Zwei Tage später trat das Männchen erneut vor ihren Thron. Es hatte einen Korb für das Kind mitgebracht, und schien sehr guter Dinge. „Nun?“, fragte das Männlein mit halbem Ernst, „Habt ihr meinen Namen in Erfahrung bringen können?“
„Ja! Du heißt Donnerlüttchen!“, antwortete die Königin mit stolzgeschwellter Brust. Das Männlein fletschte die Zähne und zischte: "Das hat dir der Teufel gesagt!"
Die Brauerstochter nickte mit selbstzufriedenem Grinsen.
"Oh ja.", entgegnete das Männchen und grinste noch breiter als sie, "Und er hat dich belogen! In Wahrheit heiße ich nicht Donnerlüttchen, sondern Hans-Dieter und arbeite auch nicht für den Teufel, sondern für das Jugendamt! Jetzt nehme ich dein Erstgeborenes aus dieser wirren Geschichte raus, darin kann ja kein Kind vernünftig aufwachsen!“ sprach’s, nahm das Kind und verschwand.
Von Merlisabeth Thörl
Es war einmal eine Brauerstochter, die lebte mit ihrem Vater in einer ärmlichen Brauerei. Vor langer Zeit, bevor der Großvater des Mädchens starb, war die Brauerei groß und wohlhabend gewesen. Als der Vater sie nach dem Tod des Alten übernahm, stürzte das Dorf in eine Finanzkrise. Das Geschäft lief immer schlechter und der Brauer begann zu trinken und verfiel der Prahlsucht: "Ich fahre über die Meere in die Welt hinaus!", pflegte er zu sagen, wenn er des Morgens sein Fass ins Dorf hinunter rollte. "Ich habe einhundert Goldstücke verdient, bald bin ich reicher als der König!", sagte er wenn er heimkam. Das Mädchen aber suchte Zuflucht in der Welt der Bücher. Sie las den ganzen Tag und glaubte bald, alles zu kennen. Streifte sie durch den Wald und sah ein Haus aus duftendem Lebkuchen, so dachte sie bei sich: "Elende Menschenfresserhexe! Darauf falle ich doch nicht herein!" - und schritt mit hocherhobenem Kopf vorbei. Darüber entgingen ihr sogar die vielen vergnügten Kinder, die sich ganz schadlos an den Köstlichkeiten gütlich taten. Frösche, die ihren Weg kreuzten, pflegte sie nach Prüfung ihres Geschlechtes und ohne Zögern wahlweise zu küssen oder gegen die nächste Wand zu werfen, wofür sie jedoch noch nie mit einem Prinzen belohnt wurde. Und wenn ihre Großmutter sie mit großen Augen ansah, eilte sie zu deren Befremden schnurstracks aus dem Haus zum nächsten Förster.
Es begab sich aber zu der Zeit da der Schnee zu schmelzen begann und der Bäcker wie jedes Jahr zu Werbezwecken im Wald ein großes Lebkuchenhaus errichtete, dass der König ins Dorf geritten kam. Durstig wie er war, suchte er zunächst die Schenke auf.
Wie staunte er aber, als er von der Türe her die Worte vernahm "Der König? Das ist doch ein armer Schlucker, sein Reichtum ist nichts gegen das, was ich in meinem Keller horte!"
"Woher will einer wie ihr solch Schätze nehmen? Ihr scheint mir eher wie einer, der sein Bier am liebsten selber säuft." spottete daraufhin der König.
"Ich kann es mir leisten, denn ich braue nur zu meinem Vergnügen! Meine Tochter vermag aus Opel-Aktien perfekte Blüten herzustellen. Die nimmt jede Bank!"
Da dachte der König bei sich: "Dieses Mädchen muss ich haben!" Laut sagte er: "Gebt mir eure Tochter! Vermag sie tatsächlich solche Wunder zu wirken, so will ich sie zu meiner Frau machen! Kann sie es jedoch nicht, so sollt ihr beide die Strafe für Lügner erhalten."
Was blieb dem armen Brauer da anderes übrig, als seiner Tochter Bescheid zu geben, sich auf dem Schloss des Königs einzufinden.
Als das Mädchen dies erfuhr, schmunzelte sie nur. "Ich will's dem König schon zeigen.", antwortete sie keck und stolperte wie immer über die Türschwelle.
("Billige Slapstick-Einlage!", dachte sie, aber da hatte sie die Ebenen verwechselt.)
Nach einer langen, beschwerlichen Reise erreichten sie schließlich das Schloss des Königs. Dort sperrte man die Brauerstochter in eine Kammer im höchsten Turm, die über und über voll war mit völlig wertlosen Opel-Aktien.
Das Mädchen setzte sich auf einen der Aktienstapel, stütze den Kopf in die Hände und erwartete das Unvermeidliche. Kurz darauf erschien ein kleines, hässliches, hutzliges Männlein in der Kammer. Das Mädchen hätte nicht sagen können, ob es auf magische Weise durch die Wand getreten war, oder sich die ganze Zeit hinter einem Aktienstapel versteckt gehalten hatte. (Vielleicht sollten wir lieber Papiertürme sagen, denn Aktienstapel hatten wir ja schon.)
„Du bist spät dran, ich wollte schon zu Bett gehen.“, sagte das Mädchen und zeigte auf einen der Haufen. „Wie ich vermute, bist du gekommen um im Austausch gegen mein Erstgeborenes diesen ganzen Müll in perfekte Blüten umzuwandeln.“ Das Männlein blinzelte verwirrt, räusperte sich kurz und antwortete: „Äh ja... ja in der Tat, das bin ich.“
„Nun denn, beginne! Ich lege mich derweil schlafen.“ Die Brauerstochter wandte sich ab und legte sich hin.
Wie war das Erstaunen des Königs groß, als er am nächsten Morgen die Kammer betrat und das Mädchen zwischen tausenden und abertausenden gefälschten Banknoten vorfand. Nicht eine Opel-Aktie war übrig geblieben.
„Inflationsgeld aus der Kaiserzeit!“, bemerkte der König und rümpfte die Nase. „Aber gut, versprochen ist versprochen. Gehen wir heiraten.“
Elf Monate später ging im Lande die Kunde, die neue Königin erwarte ein Kind. Kurz darauf erschien auch das Männlein wieder im königlichen Schloss. Die ehemalige Brauerstochter hatte in Erwartung dieses Tages ihr seidenes Taschentuch bereits in Zwiebelsaft getränkt. Als nun das Männchen vor ihr stand, weinte sie bittere Tränen.
„Oh bitte!“, flehte sie, „Ich war jung und brauchte das Geld! Du kannst mir doch mein Kind nicht rauben!“
„Es ist doch immer das Gleiche mit diesen Königinnen! Nun gut, ich will dir eine letzte Chance gewähren: Bringst du innerhalb von drei Tagen meinen Namen in Erfahrung, so sollst du dein Kind behalten.“ Damit machte das hutzlige Wesen auf dem Absatz kehrt und verschwand, wie es gekommen war.
Tags darauf ging die Königin in die Stadt um einzukaufen. Auf dem Weg dorthin begegnete sie dem Teufel. „Hallo Teufel.“, sagte die Königin. „Hallo Königin.“, sagte der Teufel. „Sag, weshalb schaust du denn so besorgt?“
„Ach“, entgegnete die Königin. „Ach“, antwortete der Teufel. „Och“, meinte die Königin. „Och“, sagte der Teufel. „Ech“, seufzte die Königin. „Ech?“, fragte der Teufel. „Uch“, rief die Königin und stolperte. „Uch!“, wiederholte der Teufel. „Ich“, setzte die Königin an. „Ja was denn nun?!“, unterbrach der Teufel sie ärgerlich.
„So lass‘ mich doch ausreden! Ein gar altes, hässliches, hutzliges Männlein sitzt bei mir daheim und verlangt mein Erstgeborenes. Errate ich nicht in drei Tagen seinen Namen, so muss ich ihm mein Kind überlassen.“ Die Königin schluchzte theatralisch.
Erbost rief der Teufel: „Aber das ist doch mein Außendienstmitarbeiter Donnerlüttchen! Ja hat er sich denn nicht vorgestellt? Was treibt er nur wieder für einen Unsinn, ich muss doch einmal mit der Personalabteilung darüber reden... So kann das ja nicht weitergehen! Keine Sorge liebe Königin, nun da ihr seinen Namen kennt, kann euch kein Leid mehr geschehen.“
Die Königin aber wischte daraufhin die Tränen von ihren Wangen und setzte ihren Einkaufsbummel wie geplant fort.
Zwei Tage später trat das Männchen erneut vor ihren Thron. Es hatte einen Korb für das Kind mitgebracht, und schien sehr guter Dinge. „Nun?“, fragte das Männlein mit halbem Ernst, „Habt ihr meinen Namen in Erfahrung bringen können?“
„Ja! Du heißt Donnerlüttchen!“, antwortete die Königin mit stolzgeschwellter Brust. Das Männlein fletschte die Zähne und zischte: "Das hat dir der Teufel gesagt!"
Die Brauerstochter nickte mit selbstzufriedenem Grinsen.
"Oh ja.", entgegnete das Männchen und grinste noch breiter als sie, "Und er hat dich belogen! In Wahrheit heiße ich nicht Donnerlüttchen, sondern Hans-Dieter und arbeite auch nicht für den Teufel, sondern für das Jugendamt! Jetzt nehme ich dein Erstgeborenes aus dieser wirren Geschichte raus, darin kann ja kein Kind vernünftig aufwachsen!“ sprach’s, nahm das Kind und verschwand.