„Die Seele des Künstlers ist eine Naturgewalt“
Verfasst: 15.03.2009, 16:56
(Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, den Maler Armin Bruhns zu treffen und folgendes Interview mit ihm zu führen. Ursprünglich schrieb ich es für die Kunstzeitschrift „con.temp.art“, aber aus verschiedenen Gründen wurde es nie veröffentlicht. Bevor nun dieses Gespräch ganz in Vergessenheit gerät, möchte ich es wenigstens hier der Öffentlichkeit zugänglich machen.)
„Die Seele des Künstlers ist eine Naturgewalt“
Armin Bruhns gilt neben Mark Rothko und Barnett Newman als einer der bedeutendsten Vertreter des Colourfield-Painting. Die Bilder des gebürtigen Stuttgarters sind heute aus den großen Galerien und Museen der Welt nicht mehr wegzudenken. Ein Gespräch über das Wesen der Kunst mit einem streitbaren Künstler. Ein Interview von Dirk Schallbauer.
S: Herr Bruhns, was ist für sie Kunst?
B: Kunst.
S: Bitte?
B: Unklare Frage, klare Antwort.
S: Welche Aufgabe hat ihrer Meinung nach die Kunst in der Gesellschaft?
B: Keine. Kunst ist das Produkt eines Künstlers, sie ist ein Ding und damit frei von jeder Aufgabe. Es ist ja auch nicht Aufgabe des Spatens zu graben, sondern die des Gärtners.
S: Dann hat also der Künstler eine Aufgabe?
B: Die Hauptaufgabe hat der Betrachter, der Rezipient von Kunst. Er soll verdammt noch mal hingehen und sich Gedanken machen, was er da eigentlich sieht. Es steht in seiner Verantwortung ein Kunstwerk zu erfassen, die Bedeutung zu ergründen oder die Gefühle wahrzunehmen, die es bei ihm auslöst. Aber leider leben wir in einer nahezu apathischen Berieselungsgesellschaft, in welcher jegliche Verantwortung auf den Künstler abgewälzt wird. Das ist unser Dilemma.
S: Ihrer Meinung nach trägt also der Betrachter die Verantwortung für die Kunst?
B: Um Gottes Willen, nein. Dann wäre die Kunst schon längst elendig krepiert. Es ist aber die Pflicht des Betrachters, die Kunst durch Aufnahme neu zu erzeugen, sie in sich hinein zu lassen und mit ihr zu verschmelzen. Sich ihr hinzugeben.
S: Welche Rolle spielt da der Künstler?
B: Ein Künstler ist das Medium und die Quelle zugleich. Er ist eine Kreatur der Gesellschaft in der er lebt und somit auch ihr Spiegelbild. Seine Kreativität ist der Katalysator der Zustände, das Ergebnis davon ist Kunst. Gleichzeitig ist er nichts anderes als seine zeitlose Kreativität, und nur sich selbst und somit der Erschaffung wahrer Kunst verpflichtet.
S: Gibt es unwahre Kunst?
B: Stellen sie sich nicht dümmer an, als sie sind. Halten sie etwa die unsäglichen Bilder von Sonnenuntergängen oder romantischen Stillleben für Kunst? Das ist Harmoniewichserei und hat nicht das geringste mit Malerei zu tun.
S: Dann gibt es auch unwahre Künstler?
B: Nein. Es gibt Künstler, und Leute, die es nicht sind. So einfach. Ein Künstler kann nicht leben ohne seine Kunst. Er hat die fundamentale Notwendigkeit der Kunst, seiner Kunst erkannt. Er würde lieber sterben, als sich seine Arbeit verbieten zu lassen. Der normale Mensch weiß nichts von der existenziellen Wucht des Schaffens, die durch jeder Künstler fließt. Die Leute sollen doch ihre Pferdebildchen malen oder ihre Befindlichkeiten in Aquarelle pinseln, ist mir egal, sie werden aber niemals Künstler sein.
S: Dennoch sind Sie gerade sehr erregt.
B: Weil sich kein Mensch mehr die Mühe macht hinzuschauen. Kunst ist harte Arbeit, besonders für den Betrachter. Selbst in Museen hängen Werke von echten Künstlern neben Schmierereien von Dilettanten. Da muss einfach klarer getrennt werden.
S: Wie soll das gehen?
B: Fragen sie mich nicht. Ich bin kein Politiker.
S: Nach welchen Maßstäben könnte man denn die Qualität eines Künstlers bewerten?
B: Noch einmal: Entweder ist ein Mensch ein Künstler, oder er ist es nicht. Es gibt nichts dazwischen. In unserer liberal-postmodernen Gesellschaft wird so gerne der letzte Scheiß als Kunstwerk gefeiert, um ja nicht als politisch inkorrekt zu erscheinen. Es gehört Mut dazu, vorzutreten und zu sagen: das ist einfach nur blutleere Mist. Und noch mehr Mut erfordert es zu sagen: das hat Kraft. Denn der Mensch fürchtet sich mehr vor seiner Kraft als vor seiner Schwäche.
S: Was würden sie einem jungen Künstler mit auf den Weg geben?
B: Nichts.
S: Gar nichts? Gibt es keine Entwicklung bei einem Künstler? Sie selbst haben sehr unterschiedlich gemalt...
B: Ja. Und dennoch war es immer einhundert Prozent ich. Das letzte was ein Künstler gebrauchen kann, sind gutgemeinte Ratschläge. Die Seele des Künstlers ist eine Naturgewalt. Die kann man nicht eindämmen oder in eine Form zwängen, ohne ihre Ursprünglichkeit und ihre Kraft zu vernichten. Aber genau das passiert an den Akademien, wo die Kreativität junger Künstler kastriert wird, aus Angst vor deren Wucht. Die Entwicklung eines Künstler kann einzig und allein aus ihm selbst heraus stattfinden. Jegliche Beeinflussung behindert seine individuelle Entwicklung.
S: Würden sie dem Kunstbetrachter etwas mit auf den Weg geben wollen?
B: Fürchte dich!
S: Wie meinen sie das?
B: Genau so. Erschrick zu Tode, wenn du Kunst siehst. Geh nicht wohlwollend nickend an ihr vorbei, sondern lass dich erschüttern. Mach die Augen auf, schau direkt in die Seele des Künstlers, und damit in das Gefüge der Welt. Streng dich an, dir werden Schätze offenbart.
S: Herr Bruhns, ich bedanke mich für dieses Gespräch.
B: Bitte.
„Die Seele des Künstlers ist eine Naturgewalt“
Armin Bruhns gilt neben Mark Rothko und Barnett Newman als einer der bedeutendsten Vertreter des Colourfield-Painting. Die Bilder des gebürtigen Stuttgarters sind heute aus den großen Galerien und Museen der Welt nicht mehr wegzudenken. Ein Gespräch über das Wesen der Kunst mit einem streitbaren Künstler. Ein Interview von Dirk Schallbauer.
S: Herr Bruhns, was ist für sie Kunst?
B: Kunst.
S: Bitte?
B: Unklare Frage, klare Antwort.
S: Welche Aufgabe hat ihrer Meinung nach die Kunst in der Gesellschaft?
B: Keine. Kunst ist das Produkt eines Künstlers, sie ist ein Ding und damit frei von jeder Aufgabe. Es ist ja auch nicht Aufgabe des Spatens zu graben, sondern die des Gärtners.
S: Dann hat also der Künstler eine Aufgabe?
B: Die Hauptaufgabe hat der Betrachter, der Rezipient von Kunst. Er soll verdammt noch mal hingehen und sich Gedanken machen, was er da eigentlich sieht. Es steht in seiner Verantwortung ein Kunstwerk zu erfassen, die Bedeutung zu ergründen oder die Gefühle wahrzunehmen, die es bei ihm auslöst. Aber leider leben wir in einer nahezu apathischen Berieselungsgesellschaft, in welcher jegliche Verantwortung auf den Künstler abgewälzt wird. Das ist unser Dilemma.
S: Ihrer Meinung nach trägt also der Betrachter die Verantwortung für die Kunst?
B: Um Gottes Willen, nein. Dann wäre die Kunst schon längst elendig krepiert. Es ist aber die Pflicht des Betrachters, die Kunst durch Aufnahme neu zu erzeugen, sie in sich hinein zu lassen und mit ihr zu verschmelzen. Sich ihr hinzugeben.
S: Welche Rolle spielt da der Künstler?
B: Ein Künstler ist das Medium und die Quelle zugleich. Er ist eine Kreatur der Gesellschaft in der er lebt und somit auch ihr Spiegelbild. Seine Kreativität ist der Katalysator der Zustände, das Ergebnis davon ist Kunst. Gleichzeitig ist er nichts anderes als seine zeitlose Kreativität, und nur sich selbst und somit der Erschaffung wahrer Kunst verpflichtet.
S: Gibt es unwahre Kunst?
B: Stellen sie sich nicht dümmer an, als sie sind. Halten sie etwa die unsäglichen Bilder von Sonnenuntergängen oder romantischen Stillleben für Kunst? Das ist Harmoniewichserei und hat nicht das geringste mit Malerei zu tun.
S: Dann gibt es auch unwahre Künstler?
B: Nein. Es gibt Künstler, und Leute, die es nicht sind. So einfach. Ein Künstler kann nicht leben ohne seine Kunst. Er hat die fundamentale Notwendigkeit der Kunst, seiner Kunst erkannt. Er würde lieber sterben, als sich seine Arbeit verbieten zu lassen. Der normale Mensch weiß nichts von der existenziellen Wucht des Schaffens, die durch jeder Künstler fließt. Die Leute sollen doch ihre Pferdebildchen malen oder ihre Befindlichkeiten in Aquarelle pinseln, ist mir egal, sie werden aber niemals Künstler sein.
S: Dennoch sind Sie gerade sehr erregt.
B: Weil sich kein Mensch mehr die Mühe macht hinzuschauen. Kunst ist harte Arbeit, besonders für den Betrachter. Selbst in Museen hängen Werke von echten Künstlern neben Schmierereien von Dilettanten. Da muss einfach klarer getrennt werden.
S: Wie soll das gehen?
B: Fragen sie mich nicht. Ich bin kein Politiker.
S: Nach welchen Maßstäben könnte man denn die Qualität eines Künstlers bewerten?
B: Noch einmal: Entweder ist ein Mensch ein Künstler, oder er ist es nicht. Es gibt nichts dazwischen. In unserer liberal-postmodernen Gesellschaft wird so gerne der letzte Scheiß als Kunstwerk gefeiert, um ja nicht als politisch inkorrekt zu erscheinen. Es gehört Mut dazu, vorzutreten und zu sagen: das ist einfach nur blutleere Mist. Und noch mehr Mut erfordert es zu sagen: das hat Kraft. Denn der Mensch fürchtet sich mehr vor seiner Kraft als vor seiner Schwäche.
S: Was würden sie einem jungen Künstler mit auf den Weg geben?
B: Nichts.
S: Gar nichts? Gibt es keine Entwicklung bei einem Künstler? Sie selbst haben sehr unterschiedlich gemalt...
B: Ja. Und dennoch war es immer einhundert Prozent ich. Das letzte was ein Künstler gebrauchen kann, sind gutgemeinte Ratschläge. Die Seele des Künstlers ist eine Naturgewalt. Die kann man nicht eindämmen oder in eine Form zwängen, ohne ihre Ursprünglichkeit und ihre Kraft zu vernichten. Aber genau das passiert an den Akademien, wo die Kreativität junger Künstler kastriert wird, aus Angst vor deren Wucht. Die Entwicklung eines Künstler kann einzig und allein aus ihm selbst heraus stattfinden. Jegliche Beeinflussung behindert seine individuelle Entwicklung.
S: Würden sie dem Kunstbetrachter etwas mit auf den Weg geben wollen?
B: Fürchte dich!
S: Wie meinen sie das?
B: Genau so. Erschrick zu Tode, wenn du Kunst siehst. Geh nicht wohlwollend nickend an ihr vorbei, sondern lass dich erschüttern. Mach die Augen auf, schau direkt in die Seele des Künstlers, und damit in das Gefüge der Welt. Streng dich an, dir werden Schätze offenbart.
S: Herr Bruhns, ich bedanke mich für dieses Gespräch.
B: Bitte.