Zum Wegkippen
Verfasst: 02.10.2008, 21:04
Zum Wegkippen
S-Bahn, die lange Stuhlreihe parallel zu den Fenstern. Man kann über die Köpfe der anderen Fahrgäste hinweg nach draußen gucken… nach der Arbeit ein bisschen träumen… entspannen –
„… mein Apple ist kaputt, ganz neu das Teil, ich fasse es nicht…“
Er spricht laut: ein Typ, der sich sichtlich selbst „hip“ findet – Mitte dreißig, gut rasiert, glänzende Schuhe, glänzendes Handy.
„… ich mein, ich hab mir den doch nicht für 10.000 Euro gekauft, damit er sofort kaputt geht. Scheiße, ich brauch das Ding für die Arbeit – okay, ich hab ihn auch gekauft, weil er hübsch aussieht, aber nicht, damit er kaputt geht. Töchterchen leiht mir zwar ihr Laptop, das hätte ich in zehn Minuten konfiguriert …“
Die anderen – Hauptverkehrszeit, der Zug ist voll – versuchen wegzuhören. Beschämt, weil der Kerl sich peinlich benimmt, weil er peinlich ist.
Nur sich selbst ist er nicht peinlich. Sich selbst findet er super.
„… nich so schlimm, ich hab ja die Kohle, aber es geht mir einfach so verdammt auf die Nerven… Töchterchen hat neulich auch so was Komisches erlebt mit dem Navi … „
Er sagt tatsächlich „Töchterchen“, auf dass ein jeder von seiner Vaterschaft informiert sei. Klingt fast genauso liebevoll wie "Navi".
„… Sie fährt mit dem Mercedes durch den Tiergartentunnel…“
Na klar, nicht etwa „Auto“ oder „Wagen“. Damit auch ja jeder mitbekommt, dass es sich um einen Mercedes handelt, denn dieser Typ hat nichts Billiges!
„… und das Navi sagt ihr kurz darauf, sie sei in Wannsee. Dabei war sie noch gar nicht zuhause…“
Aha, jetzt muss er uns noch „nebenbei“ kundtun, dass er in einem der teuersten Berliner Stadtbezirke lebt. Der Typ ist gnadenlos. Fast schon komisch. Eine Karikatur?
„… die Navi-CD ist total neu… ich hab ja die alte noch, nicht so schlimm, wenn das Ding weiterspinnt, aber weißte…“
Nervt alle Leute, und kriegt es nicht mal mit. Schaut niemanden an, sondern ist völlig fixiert auf sich selbst und seine großspurigen Probleme. Hast genug zu tun mit seiner Großartigkeit genug, während er etwas führt, das er vermutlich als „Gespräch“ bezeichnen würde, wenn er auch nur einen Gedanken drauf verwenden würde, was er da tut.
Aber das tut er nicht. Leider.
All seine Gedanken sind mit all den Dingen beschäftigt, die er sich leisten kann, ihrem Funktionieren und Nichtfunktionieren, und er verwechselt offenbar Besitz bzw. Zahlungsfähigkeit mit persönlichem Wert. Die Gleichung der Werbung geht voll auf: Ware angesagt + teuer = Mensch wertvoll. Nicht sonderlich originell, aber er führt diesen Beweis eindrucksvoll (wenn auch wenig überzeugend) – unter Einschluss der Öffentlichkeit sozusagen.
Mein Blick trifft auf den der Frau gegenüber; wir ziehen beide gleichzeitig eine Augenbraue hoch und einen Mundwinkel runter – in gespiegelter Missbilligung, mit widerwilligem Amüsement.
Am liebsten würde ich sehr laut zu ihr sagen: „Sachen hat er jedenfalls genug, auch wenn ihm offenbar eins nach dem andern kaputt geht.“
Und sie könnte antworten: „Nur sein Handy funktioniert offenbar noch.“
Und der ganze S-Bahnwaggon würde rufen: „Leider!“ – und dann so laut lachen, dass es den billigen Typen mit dem teuren Handy in die Spree spülte.
Weg damit.
S-Bahn, die lange Stuhlreihe parallel zu den Fenstern. Man kann über die Köpfe der anderen Fahrgäste hinweg nach draußen gucken… nach der Arbeit ein bisschen träumen… entspannen –
„… mein Apple ist kaputt, ganz neu das Teil, ich fasse es nicht…“
Er spricht laut: ein Typ, der sich sichtlich selbst „hip“ findet – Mitte dreißig, gut rasiert, glänzende Schuhe, glänzendes Handy.
„… ich mein, ich hab mir den doch nicht für 10.000 Euro gekauft, damit er sofort kaputt geht. Scheiße, ich brauch das Ding für die Arbeit – okay, ich hab ihn auch gekauft, weil er hübsch aussieht, aber nicht, damit er kaputt geht. Töchterchen leiht mir zwar ihr Laptop, das hätte ich in zehn Minuten konfiguriert …“
Die anderen – Hauptverkehrszeit, der Zug ist voll – versuchen wegzuhören. Beschämt, weil der Kerl sich peinlich benimmt, weil er peinlich ist.
Nur sich selbst ist er nicht peinlich. Sich selbst findet er super.
„… nich so schlimm, ich hab ja die Kohle, aber es geht mir einfach so verdammt auf die Nerven… Töchterchen hat neulich auch so was Komisches erlebt mit dem Navi … „
Er sagt tatsächlich „Töchterchen“, auf dass ein jeder von seiner Vaterschaft informiert sei. Klingt fast genauso liebevoll wie "Navi".
„… Sie fährt mit dem Mercedes durch den Tiergartentunnel…“
Na klar, nicht etwa „Auto“ oder „Wagen“. Damit auch ja jeder mitbekommt, dass es sich um einen Mercedes handelt, denn dieser Typ hat nichts Billiges!
„… und das Navi sagt ihr kurz darauf, sie sei in Wannsee. Dabei war sie noch gar nicht zuhause…“
Aha, jetzt muss er uns noch „nebenbei“ kundtun, dass er in einem der teuersten Berliner Stadtbezirke lebt. Der Typ ist gnadenlos. Fast schon komisch. Eine Karikatur?
„… die Navi-CD ist total neu… ich hab ja die alte noch, nicht so schlimm, wenn das Ding weiterspinnt, aber weißte…“
Nervt alle Leute, und kriegt es nicht mal mit. Schaut niemanden an, sondern ist völlig fixiert auf sich selbst und seine großspurigen Probleme. Hast genug zu tun mit seiner Großartigkeit genug, während er etwas führt, das er vermutlich als „Gespräch“ bezeichnen würde, wenn er auch nur einen Gedanken drauf verwenden würde, was er da tut.
Aber das tut er nicht. Leider.
All seine Gedanken sind mit all den Dingen beschäftigt, die er sich leisten kann, ihrem Funktionieren und Nichtfunktionieren, und er verwechselt offenbar Besitz bzw. Zahlungsfähigkeit mit persönlichem Wert. Die Gleichung der Werbung geht voll auf: Ware angesagt + teuer = Mensch wertvoll. Nicht sonderlich originell, aber er führt diesen Beweis eindrucksvoll (wenn auch wenig überzeugend) – unter Einschluss der Öffentlichkeit sozusagen.
Mein Blick trifft auf den der Frau gegenüber; wir ziehen beide gleichzeitig eine Augenbraue hoch und einen Mundwinkel runter – in gespiegelter Missbilligung, mit widerwilligem Amüsement.
Am liebsten würde ich sehr laut zu ihr sagen: „Sachen hat er jedenfalls genug, auch wenn ihm offenbar eins nach dem andern kaputt geht.“
Und sie könnte antworten: „Nur sein Handy funktioniert offenbar noch.“
Und der ganze S-Bahnwaggon würde rufen: „Leider!“ – und dann so laut lachen, dass es den billigen Typen mit dem teuren Handy in die Spree spülte.
Weg damit.