mindestens acht grad zu kalt
Diesen Morgen also Shirt von vor zwei Tagen, weil keine Zeit für zum Schrank gehen und nach einem frischen riechen. Die Tage der Unterhose habe ich nicht mitgezählt. Ich nehme mir vor, sie ab morgen laut zu zählen. Keine Zeit, mich über blaue Haut zu wundern. Keine Zeit, ans Kämmen zu denken und den Gedanken zu verwerfen. Diesen Morgen bleiben die Fliegen im Zimmer, ich werde das Fenster nicht aufreißen und die Insekten nicht mit der Hose hinaus jagen. Am Abend werden sie tot auf dem Fensterbrett liegen, die Beine eingeknickt. Ich werde es nicht bemerken, werde das Fenster aufmachen und mit meinem rechten Ellbogen eine platt drücken, pressen, wie ich es mit der Sumpfdotterblume gemacht habe, die Dana als Lesezeichen benutzt. Keine Zeit, mir den Pelz auf der Zunge zu rasieren. Zwischen zwei Fingern das Frühstück, Gouda mit Butter bestrichen, fällt hart in den Magen.
Ich lasse mich von den Treppen hinunter führen auf die Straße, der ich nur so lange folge, dass ich am Abend auch zurückfinde. An der Litfasssäule mit dem Plakat der Frau, die immer noch tanzt, wie sie schon vor vier Tagen getanzt hat, warte ich auf die Linie 17. Ich hoffe, die Frau wird den ganzen Winter tanzen. Wie Dana sieht sie aus.
Dana, sag ich zu der Frau, ich habe dich fast nicht erkannt. Dana, sage ich, du trägst kurze Haare, seit wann trägst du sie kurz und wieso jetzt in einer Zeit, in der der Wind ins Ohr weht und es mindestens acht Grad zu kalt ist. Dana, findest du nicht, es ist kalt hier?
Manchmal, sagt sie.
Ich stelle mich nah an Dana. Aus meiner Jackentasche hole ich einen Stift, setze ihn an die Haarspitzen und zeichne Strähnen bis zu den Schultern. Danas Haar fängt an zu wachsen und schlägt Wellen, wie es das tut, wenn es feucht ist, wie als Dana nach dem Schwimmen unter der Sonne sich auf mein Strandtuch gesetzt hat. Ich lasse Danas Haare wachsen, so lang, wie sie es im Juli waren. Gefällt es dir, frage ich.
Ein bisschen länger vielleicht, sagt sie.
So, und jetzt?
Danke.
Bis Morgen, sage ich und mache einen Schritt zur Straße hin, damit Linie 17 hält.
neue ausgeschmückte variante hier: http://www.blauersalon.net/online-liter ... 091#120091
Zuletzt geändert von Thea am 24.03.2009, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.
Hallo Thea,
bis auf den ersten Satz gefällt mir dein Text sehr gut.
...
... klingt echt gruselig und fällt sprachlich sehr aus dem Rahmen.
Ansonsten lese ich einen Text über Sehnsucht, Verlust und Selbstaufgabe. Und dem Versuch, zurückzufinden, zu dem, was einem verloren gegangen ist. Solche Versuche scheitern natürlich, und alles, was man tut, um das Verlorene wieder zu erlangen sind sinnlose Mundzumundbeatmungen an gestorbener Zeit. Was man auch macht, es ist und bleibt kälter, als es vorher war. In diesem Fall acht Grad zu kalt.
Liebe Grüße
Sam
bis auf den ersten Satz gefällt mir dein Text sehr gut.
...
weil keine Zeit für zum Schrank gehen
... klingt echt gruselig und fällt sprachlich sehr aus dem Rahmen.
Ansonsten lese ich einen Text über Sehnsucht, Verlust und Selbstaufgabe. Und dem Versuch, zurückzufinden, zu dem, was einem verloren gegangen ist. Solche Versuche scheitern natürlich, und alles, was man tut, um das Verlorene wieder zu erlangen sind sinnlose Mundzumundbeatmungen an gestorbener Zeit. Was man auch macht, es ist und bleibt kälter, als es vorher war. In diesem Fall acht Grad zu kalt.
Liebe Grüße
Sam
Hi Thea,
ich rätsele, wer die wirkliche Dana ist, die gepresste Sumpfdotterblumen als Lesezeichen benutzt. Aber ich vermute, dass sie absichtlich ein Geheimnis sein soll, oder?
Man könnte Dana natürlich auch als das LI selbst lesen.
Saludos
Mucki
ich rätsele, wer die wirkliche Dana ist, die gepresste Sumpfdotterblumen als Lesezeichen benutzt. Aber ich vermute, dass sie absichtlich ein Geheimnis sein soll, oder?
Man könnte Dana natürlich auch als das LI selbst lesen.
Saludos
Mucki
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