Katzenmärchen

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 19.07.2008, 17:21

Die kleine Katze Reina wurde in einem Nest aus Blüten geboren. Sie lag unter einem Kirschbaum und träumte sich ins Leben. Sie war weiß und ein bisschen fleckig.. Sie war das einzige Junge von Taormina. Taormina hatte große Angst, Reina könnte nicht überleben. Sie war eine Katze mit großen Pfoten und stahlblauen Augen- Sie drückte ständig eine Pfote auf das Nest, in dem Reina lag, als könnte sie so verhindern, dass auch nur der leiseste Wind Reina streifte. Die Nächte hatten Augen und sie hörte die Feinde im Windschatten flüstern.

In einer finsteren Ecke der Stadt trafen sich die schwarzen Katzen mit den bebenden Pfoten.. Sie bewegten sich geschmeidig wie Butter. Schon lange hatten sie einen Pakt mit der roten Schlange. Sie lieh ihnen ihr Gift. Rufus, ihr Anführer schätzte einen ordentlichen Schluck der durchsichtigen Schlangenmilch. Er verlieh seinen Gedanken eine metallische Schärfe und ließ sein Blut flimmern. Hatte er die Schlangemilch getrunken, sah er das Zittern der Blätter in dem Erlenbaum vor dem zerfallenen Haus, in dem sie Quartier bezogen hatten und hörte die Stimmen der Katzen in der ganzen Stadt. Leider hörte er nur Bruchstücke. Das Haus lag am Ende der Stadt auf einer buckligen Anhöhe.
Rufus kniff ein Auge zu und konnte plötzlich einen kurzen Moment lang Reina weinen hören. Er horchte auf, doch schon war das Weinen verstummt. Wieder klang es herauf, doch es wurde vom Laub des Baumes stark gedämpft. Es war zu früh, zu handeln.

Orlanda tanzte um Rufus herum. Sie wollte sich mit ihm paaren. Sie hatte sehr schräg stehende Augen, deren Grün an Smaragdsplitter erinnerte und war sehr ehrgeizig. Rufus sagte nicht ja und nicht nein. Nie sollte man eine Katze in Sicherheit wiegen. Er stellte sich blind und taub und blinzelte nur mit einem Auge. Ihm entging nichts. Er wusste, dass Orlanda zu spitze Krallen hatte und selbst die Schlangenmilch trinken wollte, die nur ihm zustand. Er ließ sie abblitzen. Stattdessen rief er die mollige Susa. Sie sollte für ihn die ägyptische Katzenballade singen, die ihn so besoffen machte wie Mäuseblut. Susa wiegte sich in den Hüften und ihr Schwanz malte langgezogene Spiralen, die einen schwindlig machten, wenn man sie mit den Augen verfolgte. Und während Rufus leise mit dem Kopf wackelte im Rhythmus von Susas Liedern, hörte er wieder ein leises Weinen. Und diesmal witterte er Kirschblütenduft. Rufus schätzte die dunklen Gerüche, Moschus und drei Tage alte Katzenpisse und gebratene Makrele und verabscheute Kirschblüten. Kirschblüten machten ihn fuchsteufelswild. Sie waren zu rosig und verdünnten das Blut. Sie machten einen Kater unvernünftig und hinderten ihn daran, seinem Instinkt zu folgen.. Er schüttelte sich kurz und gebot Susa zu schweigen. Dann stieß er ein tiefes, bedrohliches Gurgeln aus. Er zog sich zurück hinter die brüchige Heizung im blauen Haus. Dort wartete er auf seine Träume.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 23.07.2008, 20:56

Hallo Ben,

ich war etwas erstaunt, als ich das hier von dir las. Es ist so völlig anders, als die anderen Texte, die du bisher eingestellt hast. Hier wird das Bunte auserzählt, ich finde nichts von der phantasievollen Leichtigkeit, den Offenheiten, den Anklängen, dem skurrilen Pinselstrich. Den vermisse ich aber. :-)
Du hast das Katzenbild schon im Titel benannt, erklärt und damit festgelegt. Ich gebe zu, die Geschichte hat es daher bei mir doppelt schwer, zum einen, weil ich keine sprechenden, vermenschlichten Katzen mag ;-) und zum anderen, weil ich eine bestimmte Erwartungshaltung habe, wenn da Märchen steht und diese sprachlich nicht erfüllt wird.
Die Übertragung aufs Menschliche greift für mich auch zu sehr oder zu deutlich gängige Klischees auf.
Du führst in diesem kurzen Text viele Katzen namentlich auf, beschreibst sie, aber letztlich wirken sie auf mich ein wenig wie Fassaden, die nur für etwas stehen, benutzt werden, um etwas zu verdeutlichen, selbst aber nicht lebendig werden können.

Was mir gefallen hat, war ein Satz, Gedanke, der da eigentlich nicht steht, aber aus der Geschichte hervorlugt.

Unter weißen Düften verblassen die Instinkte.

liebe Grüße smile

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 24.07.2008, 08:23

Hallo smile,

ich gebe dir in allen Punkten recht. Das war ein Versuchsballon.
Funktioniert so nicht.

Mal sehen, ich bleibe dran.

Gruß
Wüstenfuchs

Trixie

Beitragvon Trixie » 24.07.2008, 11:27

Hi, guten Morgen!

Ja, da sind so ein paar Dinge drin, bei denen ich mich frage "hä?" und ein paar, bei denen ich denk "na und? weiter?" ;-). Also, ich frage mich, wozu du überhaupt die Eingangserzählung brauchst. Es wäre doch viel interessanter, wenn man noch nicht weiß, was da am anderen Ende des Hügels lauert, wer da weint, warum? So weiß man ja das schon alles, weiß, dass man sich keine Sorgen machen muss, weil die Mama mit dem komplizierten Namen auf ihr Kitten aufpasst. Also schon mal nix, worüber man sich zusammen mit Rufus fürchten müsste.
Dann schreibst du, dass sie einen Pakt mit der Schlange haben, Plural,die ihnen ihr Gift gibt. Gegen was? Dass sie sie nicht tötet? Ein Pakt hat doch zwei Seiten? Und außerdem - wieso Plural, wenn am Ende doch nur Rufus davon was abgekommt? Und überhaupt - wozu das Ganze? Momentan lese ich als Botschaft: Nehmt bewusstseinserweiternde Drogen, damit ihr Leuten in Not vielleicht helfen könnt ;-). Nein, also - so ganz komme ich nicht zurecht damit. Auch mit der Vermenschlichung der Katzen nicht, denn normalerweise sind es die Kätzinnen, die die Kater warten lassen, sie beißen und sie sich jagen lassen, bis sie die Kater endlich ranlassen. Die müssen furchtbar leiden, bis sie endlich ihre Bedürfnisse befriedigen können. Das wirkt hier genau umgekehrt... Der Ansatz ist nicht schlecht und ich hab die Geschichte auch ganz durchgelesen, was schon mal Pluspunkte sind :-)!

Liebe Grüße
Trixie

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 24.07.2008, 11:48

Hallo Trixie,


inhaltlich wäre die Bedrohung der Katze schon noch rüber gekommen.

Aber zuerst muss ich mich nun mit der Frage befassen, wie stelle ich Katzen dar, ohne sie zu vermenschlichen.

Danke für eure Anhaltspunkte so far,

ich krieche jetzt mal ins Fell

Gruß
WÜstenfuchs

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 24.07.2008, 16:49

Revision Anfang:

Junge Katzen träumen sich ins Fell, wenn der Mond wegsieht. Sie verdauen die Tage und berauschen sich am dunklen Schacht der Nacht.
Ein schwarzer Wind bläst Leuchtkraft in ihr Fell, wenn sie sich anschleichen und verdrießliche Mäuse schrecken. Sie trinken die Rosen aus und zinken die Karten, wenn sie schwere Stiefeltritte hören.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.09.2008, 21:42

Lieber wüstenfuchs,

das lese ich erst heute. Ich denke auch, dass der Text noch nicht fertig ist, wobei ich eher keinen roten Faden sehe, einen ganz klaren zu haben, so ist der Text sicher auch nicht angelegt, er muss ein wenig ins Surreale und nicht Fassbare hinfortgleiten können, aber man merkt doch, dass die Komposition noch nicht vollständig unter der KOntrolle des Autors ist.

Trotzdem fasziniert mich irgendwas an dem Text, wobei ich "Tier"texte, seien sie nun direkt oder übertragen angelegt, eigentlich nicht so ansprechend finde. Kurioserweise erinnert mich deine Geschichte aber an Steinbeck und seine Protagonisten, die Typenzeichnung und die Art, die Individuen wie Details in einer Landschaft (wehendes blatt, auffliegender Vogel, bunter Stein) zu zeigen, wodurch sie weder auserzählt sind noch nur randfigur (in einer landschaft ist ja jedes detail gleichrangig) - das mag ich.

Insgesamt wieß ich zwar noch nicht genau, was der Text möchte, aber trotzdem hat er was. Magst du was zu der Idee sagen? @Versuchsballon

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 25.09.2008, 16:09

Hallo Lisa,
ursprünglich wollte ich mehrere Einzelepisoden von verschiedenen Katzen der Stadt zu einer Erzählung (multiperspektivisch) zusammenführen,

danke für deinen aufmunternden Beitrag.

Viele Grüße
Wüstenfuchs


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