IV. Vertrau dir: Es ist nicht zu spät
Verfasst: 17.02.2008, 19:29
soo, hier der vierte teil meiner reihe surrealer geschichten. ich glaube, ich bin ein bisschen verblendet, weil ich sie so toll finde, aber vielleicht findet ihr noch grammatik- , tempus und rechtschreibfehler, die unbedingt behoben werden müssten. naja, oder eben andere sachen, die ihr für besonders verkehrt haltet. eine grundsätzliche überarbeitet halte ich nicht für nötig, sonst hätte ich den text in die werkstatt gestellt, also kommt nicht zu viel arbeit auf euch zu, hoffe ich! danke für eure mithilfe!
Vertrau dir: Es ist nicht zu spät
Ich saß an der Haltestelle und wartete auf den Fahrstuhl. In wenigen Minuten sollte er ankommen und ich genoss das leicht beklemmende Gefühl, das man mittags um sieben an verlassenen Haltestellen verspürte. Auf der anderen Seite, genau spiegelverkehrt, saß ein kleines Mädchen, das Erbsen zählte. Bei der siebzehnten verzählte es sich stets und fing von vorne an. Das kleine Mädchen war ich, denn ich sah in den Spiegel der Vergangenheit und das auch noch in Sepia. Ich erinnerte mich an die Szene, als wir bei meiner Großmutter im Garten gesessen hatten. Doch es waren keine Erbsen gewesen, sondern Bohnen. Was wir allerdings damit angestellt hatten, wusste ich nicht mehr, denn ich war damals etwa fünf bis zehn Jahre alt gewesen. Ich wusste aber, dass wir uns gegenseitig Geschichten aus unserer Jugend erzählten, meine Oma und ich. Auch gelacht haben wir und ein bisschen geweint, aber nur zum Spaß.
Ein Eilzug unterbrach meine Gedanken. Er war auf dem Weg ins Morgenland, damit das Gestern nicht in Vergessenheit geraten würde. Der Zug kam meistens zu spät, daher war er in Eile. Er hatte abwechselnd dreiundzwanzig Wagons. Das erzählte mir die kleine, graue Eule, die vom Bordstein kaum zu unterscheiden war. Ich war erstaunt, dass sie so schnell zählen konnte, denn der Zug fuhr ungefähr 200 Meter die Minute. Doch ich wusste, dass wenn man auf etwas wartete, eine Minute sehr lang dauerte. Und die Eule wartete schon ewig, deshalb war sie in der Lage, mitzubekommen, was sie mitbekam und ich nicht. Diese Überlegung erschütterte mich dermaßen, dass ich mich verschluckte und hustete. Das röchelnde Geräusch polterte direkt auf die Schienen und belegte sie mit einem goldenen Zauberspruch. Daraufhin donnerte die kleine Eule mit der Stimme von Robert Redford direkt in mein Ohr: ‘Es ist nie zu spät! Es ist nie zu spät!’ und das Donnern floss aus meinem anderen Ohr wieder heraus wie heißes Bienenwachs. Erschrocken sah ich mich um und entdeckte, dass ich noch immer alleine war. Zum Glück – sonst würden sie mich vielleicht doch wieder dahin zurückbringen, wo ich niemals gewesen war und niemals gewesen sein wollte.
Das sollte mich jedoch nicht weiter belasten, denn mein Fahrstuhl traf endlich ein. Es war nun auch schon zwei Minuten nach sieben und die Sonne stand hoch am Nachthimmel, sodass es unmöglich war, die Wolken zu übersehen. Ich stieg also ein und sah mich um. Schließlich entschied ich mich für den einzig freien Platz, nämlich ein grün-weiß gestreiftes Sofa links hinten in der Ecke mit Aussicht auf die Berge. Ich war beinahe davon überzeugt, dass ich schon mal auf diesem Sofa gesessen hatte, nämlich mit dir. Aber weil du nicht warst, verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Mit einem Ruck und einem Geräusch wie von einer alten Schreibmaschine, setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Ich betete inständig, dass er mich zu dir bringen würde. Oder dich zu mir. Doch der Fahrstuhl passierte Stockwerk um Stockwerk und Wesen stiegen ein oder aus. Einmal stand auch ein wütender Stier in der Eingangtüre und alle hielten den Atem an, doch er grunzte nur: ‘Oh, Verzeihung, ich habe mich wohl in der Erinnerung geirrt.’
Draußen wurde es mal Tag und Nacht, mal war der Himmel weiß und die Wolken blau, und einmal regnete es in Strömen magentafarbene Sterne. Mittlerweile waren wir schon dreieinhalb Minuten unterwegs und mir wurde langweilig. Ich schlug den anderen Mitfahrern vor, ein Spiel zu spielen. Schach oder Memory, vorzugsweise. Doch das versilberte Gnu und der Engel mit dem gebrochenen Flügel waren bereits ins Erfinden von brauchbaren Geräten vertieft und der Schaffner war mit den anderen Zugführern über den Dächern der Stadt, um den Mond anzulachen.
Mit einem sanften Ruck hielt der Fahrstuhl an und lud mich ein, auszusteigen. Ich nahm das Angebot gerne an und trat hinaus in einen leeren Raum. Allerdings war es stockfinster und ich fand den Lichtschalter nicht. Ich tastete mich an der weichen Wand entlang und mein Herz klopfte sehr schnell, weil in meinem Bauch zwei Schmetterlings fangen spielten. Und dann wusste ich auch, weshalb. Es war nicht die Wand, an der meine Finger entlang glitten. Es war deine Hand! Und diese Erkenntnis ließ den Raum in einem dunkelgelben Licht erstrahlen und die Schmetterlinge flogen aus meinem Mund als ich ihn öffnete, um dir zu sagen, was du schon wusstest, nämlich dass ich dich immer noch liebte. Doch es war nur eine Illusion gewesen und du warst gar nicht du, sondern ein Pirat aus einem berühmten Film, der mir partout nicht einfallen wollte. Der Pirat schlang seine Arme um meine Taille und fragte, ob mir kalt sei, doch ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Also schwieg ich bescheiden und danach hüstelte ich, damit ich niemanden weckte.
Die einzige jedoch, die ich dadurch tatsächlich weckte, war ich selbst. Ich war an der Haltestelle eingeschlafen und lag verknotet auf der Bank. Ich wollte aufstehen und am liebsten davonrennen. Aber da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und diesmal wusste ich, dass du mich gefunden hast. Und stell dir vor: Wir haben den Fahrstuhl noch nicht verpasst! Vielleicht bringt er uns ja nach Hause, dachte ich. Und schließlich war es die Eule, die mich beruhigte, als sie mit ihrer tiefen Stimme brummte: ‚Es ist nicht zu spät.’
[align=right]MVS 31.12.2007[/align]
Vertrau dir: Es ist nicht zu spät
Ich saß an der Haltestelle und wartete auf den Fahrstuhl. In wenigen Minuten sollte er ankommen und ich genoss das leicht beklemmende Gefühl, das man mittags um sieben an verlassenen Haltestellen verspürte. Auf der anderen Seite, genau spiegelverkehrt, saß ein kleines Mädchen, das Erbsen zählte. Bei der siebzehnten verzählte es sich stets und fing von vorne an. Das kleine Mädchen war ich, denn ich sah in den Spiegel der Vergangenheit und das auch noch in Sepia. Ich erinnerte mich an die Szene, als wir bei meiner Großmutter im Garten gesessen hatten. Doch es waren keine Erbsen gewesen, sondern Bohnen. Was wir allerdings damit angestellt hatten, wusste ich nicht mehr, denn ich war damals etwa fünf bis zehn Jahre alt gewesen. Ich wusste aber, dass wir uns gegenseitig Geschichten aus unserer Jugend erzählten, meine Oma und ich. Auch gelacht haben wir und ein bisschen geweint, aber nur zum Spaß.
Ein Eilzug unterbrach meine Gedanken. Er war auf dem Weg ins Morgenland, damit das Gestern nicht in Vergessenheit geraten würde. Der Zug kam meistens zu spät, daher war er in Eile. Er hatte abwechselnd dreiundzwanzig Wagons. Das erzählte mir die kleine, graue Eule, die vom Bordstein kaum zu unterscheiden war. Ich war erstaunt, dass sie so schnell zählen konnte, denn der Zug fuhr ungefähr 200 Meter die Minute. Doch ich wusste, dass wenn man auf etwas wartete, eine Minute sehr lang dauerte. Und die Eule wartete schon ewig, deshalb war sie in der Lage, mitzubekommen, was sie mitbekam und ich nicht. Diese Überlegung erschütterte mich dermaßen, dass ich mich verschluckte und hustete. Das röchelnde Geräusch polterte direkt auf die Schienen und belegte sie mit einem goldenen Zauberspruch. Daraufhin donnerte die kleine Eule mit der Stimme von Robert Redford direkt in mein Ohr: ‘Es ist nie zu spät! Es ist nie zu spät!’ und das Donnern floss aus meinem anderen Ohr wieder heraus wie heißes Bienenwachs. Erschrocken sah ich mich um und entdeckte, dass ich noch immer alleine war. Zum Glück – sonst würden sie mich vielleicht doch wieder dahin zurückbringen, wo ich niemals gewesen war und niemals gewesen sein wollte.
Das sollte mich jedoch nicht weiter belasten, denn mein Fahrstuhl traf endlich ein. Es war nun auch schon zwei Minuten nach sieben und die Sonne stand hoch am Nachthimmel, sodass es unmöglich war, die Wolken zu übersehen. Ich stieg also ein und sah mich um. Schließlich entschied ich mich für den einzig freien Platz, nämlich ein grün-weiß gestreiftes Sofa links hinten in der Ecke mit Aussicht auf die Berge. Ich war beinahe davon überzeugt, dass ich schon mal auf diesem Sofa gesessen hatte, nämlich mit dir. Aber weil du nicht warst, verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Mit einem Ruck und einem Geräusch wie von einer alten Schreibmaschine, setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Ich betete inständig, dass er mich zu dir bringen würde. Oder dich zu mir. Doch der Fahrstuhl passierte Stockwerk um Stockwerk und Wesen stiegen ein oder aus. Einmal stand auch ein wütender Stier in der Eingangtüre und alle hielten den Atem an, doch er grunzte nur: ‘Oh, Verzeihung, ich habe mich wohl in der Erinnerung geirrt.’
Draußen wurde es mal Tag und Nacht, mal war der Himmel weiß und die Wolken blau, und einmal regnete es in Strömen magentafarbene Sterne. Mittlerweile waren wir schon dreieinhalb Minuten unterwegs und mir wurde langweilig. Ich schlug den anderen Mitfahrern vor, ein Spiel zu spielen. Schach oder Memory, vorzugsweise. Doch das versilberte Gnu und der Engel mit dem gebrochenen Flügel waren bereits ins Erfinden von brauchbaren Geräten vertieft und der Schaffner war mit den anderen Zugführern über den Dächern der Stadt, um den Mond anzulachen.
Mit einem sanften Ruck hielt der Fahrstuhl an und lud mich ein, auszusteigen. Ich nahm das Angebot gerne an und trat hinaus in einen leeren Raum. Allerdings war es stockfinster und ich fand den Lichtschalter nicht. Ich tastete mich an der weichen Wand entlang und mein Herz klopfte sehr schnell, weil in meinem Bauch zwei Schmetterlings fangen spielten. Und dann wusste ich auch, weshalb. Es war nicht die Wand, an der meine Finger entlang glitten. Es war deine Hand! Und diese Erkenntnis ließ den Raum in einem dunkelgelben Licht erstrahlen und die Schmetterlinge flogen aus meinem Mund als ich ihn öffnete, um dir zu sagen, was du schon wusstest, nämlich dass ich dich immer noch liebte. Doch es war nur eine Illusion gewesen und du warst gar nicht du, sondern ein Pirat aus einem berühmten Film, der mir partout nicht einfallen wollte. Der Pirat schlang seine Arme um meine Taille und fragte, ob mir kalt sei, doch ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Also schwieg ich bescheiden und danach hüstelte ich, damit ich niemanden weckte.
Die einzige jedoch, die ich dadurch tatsächlich weckte, war ich selbst. Ich war an der Haltestelle eingeschlafen und lag verknotet auf der Bank. Ich wollte aufstehen und am liebsten davonrennen. Aber da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und diesmal wusste ich, dass du mich gefunden hast. Und stell dir vor: Wir haben den Fahrstuhl noch nicht verpasst! Vielleicht bringt er uns ja nach Hause, dachte ich. Und schließlich war es die Eule, die mich beruhigte, als sie mit ihrer tiefen Stimme brummte: ‚Es ist nicht zu spät.’
[align=right]MVS 31.12.2007[/align]