Süchtig mit Angela Merkel
Verfasst: 15.02.2008, 15:59
Süchtig mit Angela Merkel
Ich hätte das nie gedacht, aber Angela Merkel wird mir immer vertrauter. Ich mag ihren Haarschnitt. Ich mag die Art, wie sie verheiratet ist (dezent) und wie sie Herrn Stoiber unterworfen hat (souverän, ohne Häme). Ich mag ihr Lächeln. Und ich mag, wie sie fast alles per SMS regelt. Per SMS kann man Aufgaben verteilen (oder Beziehungen beenden oder verliebt sein) ohne Krach zu machen – ganz diskret. Ich bin genauso SMS-süchtig wie meine Kanzlerin.
Man kann damit einen Auftraggeber fragen, wann die Besprechung stattfindet, den Ehemann bitten, Brot und Milch und den Sohn von der Kita mitzubringen (samt „küssi“), den Babysitter für den Abend bestellen, die halbwüchsige Tochter für „spätestens 18 uhr!“ nach Hause beordern. Man kann auf eine lange Anfrage, die den Absender mindestens zwei Einheiten gekostet hat, „ok“ tippen und sich dabei einigermaßen cool vorkommen, weil man in der Lage ist, sich knapp zu fassen, obwohl man doch in Wirklichkeit schon auf die nächste Gelegenheit lauert, mehr zu sagen, mehr zu lesen, mehr zu zeigen… Man kann sagen „ich liebe dich“. Man kann tippen „Nein“. Man kann fragen „heute 12 Uhr mittagsschlaf?“, und als Antwort lesen „park inn zimmer 2906“, und dann kann man das Große Schöne Zittern bekommen, unter die Dusche springen, ein paar Klamotten anziehen, die man gleich wieder ausziehen wird, Wimperntusche auflegen, die gleich verwischen wird, zum Park Inn fahren, mit dem Aufzug nach Zimmer 2906 gleiten, an die Tür klopfen, das Handy wie einen kleinen Teufel in der Jackentasche, und dann kann man es vorübergehend ausschalten, bis zur nächsten SMS „du bist der reine wahnsinn, gerne wieder“. Man kann das alles natürlich auch lassen (und sollte das vermutlich auch), es ist nur exemplarisch: Man kann eben alles per SMS! Nur ärgerlich oder zickig sein – das kann man hier nicht.
Aber man kann Satzzeichen weglassen, die Worte ineinander fließen lassen, grob kleinschreiben, mit der Rechtschreibung Verstecken pielen; man kann eine eigene Poesie schaffen, über die niemand je gebietet, ein Zauberland, das niemand wahrnimmt, das man sogleich wieder verlassen wird, indem man auf ‚Löschen’ drückt; man kann keine Spuren hinterlassen – man kann eben alles! – und das schönste: Dieses „alles“ schwingt völlig lautlos.
Beim Empfang einer Nachricht brummt mein Mobiltelefon nur ein bisschen; es klingt, als wolle es etwas sagen, bekäme aber den Mund nicht auf (und das stimmt ja im Grunde auch). Sonst muss ich nichts hören, darf nur schauen, wie jenes verlockende Icon, jener klitzekleine orangegelbe Briefumschlag, leuchtet! Die Verheißung auf meinem Display, mein ganz privates Infotainment, lässt mir sozusagen das Wasser im Mund zusammen laufen: Ess-Emm-Ess! Es gibt Neuigkeiten. Termine. Pläne. Jemand denkt an mich. Jemand antwortet. Jemand will mir etwas sagen. Schön…! Weniger schön sind die monatlichen Rechnungen der Mobilfunkgesellschaft, die Angela Merkel vermutlich nicht halb so viel ausmachen wie mir (oder genauer gesagt: Ihre Handyrechnungen machen mir noch zusätzlich etwas aus, weil ich als Steuerzahlerin gewissermaßen dafür aufkomme), aber nach dem ersten Schock schlucke ich nun tapfer, bleibe stumm und tippe weiter.
Kurzmitteilungen haben für mich einen Reiz, der weit über den Reiz zum von Beispiel Emails hinausgeht: In ihrer formgebenden Verknappung, die jedes Missverständnis teuer macht, zwingt die SMS zur Präzision, zur Vermeidung von Adjektiven, macht jeden Schmuck überflüssig. Die Worte finden in der SMS zurück zu einer schlichten Größe, derer sie in Zeiten des Schwafel und Brabbel lange entbehren mussten. Auf dem Display ist nicht der Ort für Deko, kein Platz für „äh“, „naja“ „im Grunde genommen“, „eigentlich“, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“. Nur die Aussage zählt, und es ist egal, wie es aussieht.
Kurzmitteilungen erlauben überdies eine quasi religiöse Überhöhung, denn sie sind, wenn mir ausnahmsweise ein zartes Fremdwort erlaubt sei: ubiquitär. Überall, wo mein Handy, mein spirit, eingeschaltet bei mir liegt, befindet sich die Möglichkeit für Kommunikation, Tag und Nacht, für den Austausch mit Gott und der Welt (okay: mit Gott hat es bei mir bis jetzt noch nicht gefunkt). Allein die Möglichkeit ist erregend. Zu hören ohne Laut. Zu sehen ohne gesehen zu werden. Zu schreiben ohne zu sprechen, ohne stören zu müssen…
Ich jedenfalls freue mich immer über ein Zeichen, auch wenn mir nur die Babysitterin mitteilt „geht klar komme 19 uhr“. Ich habe alles in der Hand, in Kürze und Würze, genauso wie Angela Merkel. So wird sie mir immer vertrauter, und ich gehe sogar soweit zu schreiben: Per SMS versöhne ich mich mit meiner zerknautschten Regierung, ja, mit meinem ganzen kleinteiligen Land!
Vielleicht sollte ich meiner Kanzlerin eine SMS schicken, ein 122-Zeichen-Zeichen: „Liebe frau merkel, habe sie nicht gewählt aber tippe hiermit respektvoll auf sie trotz allem achtungsvoll ihre bürgerin k.“
Ich hätte das nie gedacht, aber Angela Merkel wird mir immer vertrauter. Ich mag ihren Haarschnitt. Ich mag die Art, wie sie verheiratet ist (dezent) und wie sie Herrn Stoiber unterworfen hat (souverän, ohne Häme). Ich mag ihr Lächeln. Und ich mag, wie sie fast alles per SMS regelt. Per SMS kann man Aufgaben verteilen (oder Beziehungen beenden oder verliebt sein) ohne Krach zu machen – ganz diskret. Ich bin genauso SMS-süchtig wie meine Kanzlerin.
Man kann damit einen Auftraggeber fragen, wann die Besprechung stattfindet, den Ehemann bitten, Brot und Milch und den Sohn von der Kita mitzubringen (samt „küssi“), den Babysitter für den Abend bestellen, die halbwüchsige Tochter für „spätestens 18 uhr!“ nach Hause beordern. Man kann auf eine lange Anfrage, die den Absender mindestens zwei Einheiten gekostet hat, „ok“ tippen und sich dabei einigermaßen cool vorkommen, weil man in der Lage ist, sich knapp zu fassen, obwohl man doch in Wirklichkeit schon auf die nächste Gelegenheit lauert, mehr zu sagen, mehr zu lesen, mehr zu zeigen… Man kann sagen „ich liebe dich“. Man kann tippen „Nein“. Man kann fragen „heute 12 Uhr mittagsschlaf?“, und als Antwort lesen „park inn zimmer 2906“, und dann kann man das Große Schöne Zittern bekommen, unter die Dusche springen, ein paar Klamotten anziehen, die man gleich wieder ausziehen wird, Wimperntusche auflegen, die gleich verwischen wird, zum Park Inn fahren, mit dem Aufzug nach Zimmer 2906 gleiten, an die Tür klopfen, das Handy wie einen kleinen Teufel in der Jackentasche, und dann kann man es vorübergehend ausschalten, bis zur nächsten SMS „du bist der reine wahnsinn, gerne wieder“. Man kann das alles natürlich auch lassen (und sollte das vermutlich auch), es ist nur exemplarisch: Man kann eben alles per SMS! Nur ärgerlich oder zickig sein – das kann man hier nicht.
Aber man kann Satzzeichen weglassen, die Worte ineinander fließen lassen, grob kleinschreiben, mit der Rechtschreibung Verstecken pielen; man kann eine eigene Poesie schaffen, über die niemand je gebietet, ein Zauberland, das niemand wahrnimmt, das man sogleich wieder verlassen wird, indem man auf ‚Löschen’ drückt; man kann keine Spuren hinterlassen – man kann eben alles! – und das schönste: Dieses „alles“ schwingt völlig lautlos.
Beim Empfang einer Nachricht brummt mein Mobiltelefon nur ein bisschen; es klingt, als wolle es etwas sagen, bekäme aber den Mund nicht auf (und das stimmt ja im Grunde auch). Sonst muss ich nichts hören, darf nur schauen, wie jenes verlockende Icon, jener klitzekleine orangegelbe Briefumschlag, leuchtet! Die Verheißung auf meinem Display, mein ganz privates Infotainment, lässt mir sozusagen das Wasser im Mund zusammen laufen: Ess-Emm-Ess! Es gibt Neuigkeiten. Termine. Pläne. Jemand denkt an mich. Jemand antwortet. Jemand will mir etwas sagen. Schön…! Weniger schön sind die monatlichen Rechnungen der Mobilfunkgesellschaft, die Angela Merkel vermutlich nicht halb so viel ausmachen wie mir (oder genauer gesagt: Ihre Handyrechnungen machen mir noch zusätzlich etwas aus, weil ich als Steuerzahlerin gewissermaßen dafür aufkomme), aber nach dem ersten Schock schlucke ich nun tapfer, bleibe stumm und tippe weiter.
Kurzmitteilungen haben für mich einen Reiz, der weit über den Reiz zum von Beispiel Emails hinausgeht: In ihrer formgebenden Verknappung, die jedes Missverständnis teuer macht, zwingt die SMS zur Präzision, zur Vermeidung von Adjektiven, macht jeden Schmuck überflüssig. Die Worte finden in der SMS zurück zu einer schlichten Größe, derer sie in Zeiten des Schwafel und Brabbel lange entbehren mussten. Auf dem Display ist nicht der Ort für Deko, kein Platz für „äh“, „naja“ „im Grunde genommen“, „eigentlich“, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“. Nur die Aussage zählt, und es ist egal, wie es aussieht.
Kurzmitteilungen erlauben überdies eine quasi religiöse Überhöhung, denn sie sind, wenn mir ausnahmsweise ein zartes Fremdwort erlaubt sei: ubiquitär. Überall, wo mein Handy, mein spirit, eingeschaltet bei mir liegt, befindet sich die Möglichkeit für Kommunikation, Tag und Nacht, für den Austausch mit Gott und der Welt (okay: mit Gott hat es bei mir bis jetzt noch nicht gefunkt). Allein die Möglichkeit ist erregend. Zu hören ohne Laut. Zu sehen ohne gesehen zu werden. Zu schreiben ohne zu sprechen, ohne stören zu müssen…
Ich jedenfalls freue mich immer über ein Zeichen, auch wenn mir nur die Babysitterin mitteilt „geht klar komme 19 uhr“. Ich habe alles in der Hand, in Kürze und Würze, genauso wie Angela Merkel. So wird sie mir immer vertrauter, und ich gehe sogar soweit zu schreiben: Per SMS versöhne ich mich mit meiner zerknautschten Regierung, ja, mit meinem ganzen kleinteiligen Land!
Vielleicht sollte ich meiner Kanzlerin eine SMS schicken, ein 122-Zeichen-Zeichen: „Liebe frau merkel, habe sie nicht gewählt aber tippe hiermit respektvoll auf sie trotz allem achtungsvoll ihre bürgerin k.“