Artenschutz
Verfasst: 24.11.2007, 16:27
Joe putzte unablässig das ohnehin glänzende Whiskey-Glas und sah mitleidig-interessiert auf den vor ihm sitzenden Gast. Heiner war wieder mal der letzte in dieser kleinen Bar, es war wie üblich spät geworden, und Heiner redete sich den Frust von der Seele.
„Ich hab's satt, Joe, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Ich kann sie nicht mehr sehen.“
Joe nickte verständnisvoll, wie immer, wenn Heiner da war und seinem Herzen Luft verschaffte.
„Sie beachtet mich gar nicht, sie weiß gar nicht, was ich will. Und das ist ja eigentlich nicht viel. Weißt Du, ich vermisse jeden Respekt. Und sie hat kein Interesse an meinem Leben, meinem Wohlbefinden. Sie verwaltet unsere Ehe, unser Leben, wie ein Geschäftsführer. Bilanz stimmt, Klappe zu, Affe tot.“
Heiner trank seinen Whiskey mit einem Zug leer.
„Machst du mir noch einen, Joe?“
Joe runzelte die Stirn, schüttelte leicht den Kopf. „Das reicht für heute, Heiner. Am besten, ich ruf dir ein Taxi, Du willst doch kein Risiko eingehen.“
Heiner fühlte Wut und Ohnmacht in sich hochkommen, nicht mal hier wurde er verstanden, ernstgenommen. Er knallte einen Schein auf den Tresen, sprang vom Stuhl auf, der umfiel.
„Na schön, dann eben nicht. Scheißladen.“
Und schon war er an der Tür. Joe rief ihm noch etwas hinterher, es hatte keinen Zweck. Ein angetrunkener Dickschädel auf dem Weg nach Haus.
xxxx
Heiner bebte immer noch vor Wut, als er auf die Garagenauffahrt fuhr. Jetzt würde er ihr alles um die Ohren hauen. Er knallte die Wagentür zu, ging zum Haus und beamte das Auto zu, lässig den Schlüssel nach rückwärts über die Schulter zielend. Er fühlte sich endlich mal richtig gut, daran hatte auch der Alkohol seinen Anteil. Er fingerte das Schlüsselbund durch und wollte aufschließen, der ungeschickt gehaltene Schlüssel prallte am Schloss ab, machte sich selbständig, fiel auf den Boden auf die feuchte Matte. Das Licht ging schon wieder aus. `Mist´, dachte er, und es fiel ihm wieder ein, dass er aus Sparsamkeit das Intervall kurz eingestellt hatte.
Er griff nach dem schmuddeligen Bund, putzte es mit einem alten Tempo ab, der Schlüssel steckte endlich im Schloss. Das Licht ging wieder an, das Tempo fiel runter, er bückte sich, stieß mit dem Kopf schmerzhaft gegen das aus der Tür ragende Schlüsselbund, schwankte etwas, hielt sich mit der schmutzigen Hand die Stirn, bemerkte dies, wischte sich automatisch die Hand an der Hose ab. Das Licht ging wieder aus. Seine Siegerstimmung war inzwischen verflogen. `Egal, das Scheißtempo bleibt wo es ist´, dachte er sich. Er schloss endlich auf, trat unbemerkt in das Tempo, und so gelangte es ebenfalls ins Haus.
Heiner warf den Schlüssel auf die Garderobe, holte tief Luft und betrat das Wohnzimmer. Helga saß vor dem Fernseher, die Beine auf einem Hocker hochgelegt.
„Helga, ...“.
„Psst!“, winkte Helga etwas unwillig ab und deutete auf das TV-Gerät . „Grizzlimeck!“, sagte sie nur vieldeutig und nickte in Richtung der Mattscheibe, auf der ein älterer graumelierter Mann im Karopullover zu sehen war, der freundlich in die Kamera schaute.
Heiner seufzte schon etwas resigniert und ließ sich in einen Sessel sinken. Die Sendung begann gerade, die Erkennungsmelodie erklang. Heiner schlug die Beine übereinander, wippte im Takt mit der Schuhspitze mit, von ihm unbemerkt flatterte das alte Tempo musikalisch mit. Helga bemerkte es, runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Dann sah sie den Dreck auf seiner Stirn und den am Hosenbein. Jetzt seufzte sie.
„Willst du was?“, fragte sie und hielt ihre Mineralwasserflasche hoch.
Heiner nickte. „Ja, danke.“ Sie goss beiden ein. „Was ich noch sagen wollte, Helga...“
„Bitte, Heiner, das ist doch meine Sendung, das weißt du doch. Übrigens, du musst dir mal das Gesicht waschen. Und die Hose, bitte gleich in die Wäsche, auf links ziehen. Aber erstmal gucken wir.“
Heiner fasste sich an die Stirn, spürte den Schmutz, bemerkte jetzt auch die Dreckstreifen am Hosenbein. Und das Tempo winkte ihm freundlich zu, er bemerkte es immer noch nicht.
Bevor er noch etwas erwidern konnte, fiel ihm Prof. Grizzlimeck ins Wort.
„Liebe Freunde der Natur, liebe Gleichgesinnte. Heute will ich über ein besonderes Tier zu Ihnen sprechen, ein sehr kleines unscheinbares Wesen. Dennoch hat es jedes Recht, beachtet zu werden.“
Helga schaute hochzufrieden, blickte nochmals kurz herüber, mit etwas Missbilligung auf das Tempo, reichte Heiner die Salzstangen, die wie zufällig in Richtung Schuhspitze wiesen. „Magst du?“ Heiner schüttelte den Kopf, bemerkte das Taschentuch, riss es endlich ab.
Prof. Grizzlimeck setzte ungerührt fort. Er saß wie immer hinter seinem kleinen Schreibtisch, dahinter eine Stehlampe, an die sich ein kleiner Schimpanse klammerte. Grizzlimeck nahm ein halb gefülltes Glas Wasser von seinem Tisch und zeigte es in die Kamera.
„Und hierin lebt es, unbeachtet, scheinbar vergessen von der Natur, dennoch mit sich zufrieden, sein begrenztes Dasein ist ihm offenbar nicht bewusst.“
Grizzlimeck lächelte. Helga seufzte. Heiner trank etwas Mineralwasser.
„Oder, liebe Freunde, fürchtet es sich, ist es verzweifelt ob seiner eingesperrten Lage in diesem Glas? Glaubt es gar, Rechte zu haben uns gegenüber, die wir viel mächtiger sind als dieses Tier, und sein Universum spielerisch beherrschen?“
Grizzlimeck schwenkte das Glas hin und her, seine klugen Augen schauten zufrieden in das Wasser.
„Hat es überhaupt Rechte, die wir beachten müssen, wie etwa beim Großwild auf dem schwarzen Kontinent? Gibt es diesbezüglich eine Mindestgröße für Tier- und Naturschutz?“
Grizzlimeck stellte das Glas wieder vor sich ab. Der Schimpanse schaute interessiert darauf und dann wieder zu Grizzlimeck, der ernst in die Kamera blickte und die Stimme erhob, freundlich aber bestimmt.
„Wir sagen: Jedes Wesen ist schützenswert, darf seine Wünsche äußern, sie gehören respektiert, auch wenn es uns nicht passt.“
Er rückte seine Brille zurecht. Helga blickte wie gebannt auf den Bildschirm.
„Sie werden sich fragen, welches Tier gemeint ist. Ich werde es Ihnen sagen. Es ist das Pantoffeltierchen. Es verdient unseren Respekt.“
„Ja“, seufzte Helga, wischte sich eine Träne aus dem Auge, trank noch einen großen Schluck.
„Aber die Natur, liebe Freunde ...“, Grizzlimeck schaute zu dem Schimpansen und nickte leicht,
„... hat ihre eigenen Gesetze.“
Der Schimpanse fingerte nach dem Glas, nahm es in beide Hände und trank es aus.
Helga hielt sich vor Erstaunen die Hand vor den Mund. „Das ist ja ein Ding. Also dieser Grizzlimeck, der ist immer für eine Überraschung gut.“
Heiner hatte keinen Durst mehr, das Wasser revoltierte kurz in seinem Bauch.
„Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Freunde der Natur, bis zum nächsten Mal“, schloss Prof. Grizzlimeck die Sendung.
Helga stand plötzlich vor ihm, reichte Heiner die Pantoffeln. Er fühlte sich mit einem Mal sehr klein. „So, jetzt zieh doch erst mal die Schuhe und die Hose aus. Wo hast du dich bloß so eingesaut? Und was wolltest du mir eigentlich sagen?“
verbessert Gruß Tom
„Ich hab's satt, Joe, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Ich kann sie nicht mehr sehen.“
Joe nickte verständnisvoll, wie immer, wenn Heiner da war und seinem Herzen Luft verschaffte.
„Sie beachtet mich gar nicht, sie weiß gar nicht, was ich will. Und das ist ja eigentlich nicht viel. Weißt Du, ich vermisse jeden Respekt. Und sie hat kein Interesse an meinem Leben, meinem Wohlbefinden. Sie verwaltet unsere Ehe, unser Leben, wie ein Geschäftsführer. Bilanz stimmt, Klappe zu, Affe tot.“
Heiner trank seinen Whiskey mit einem Zug leer.
„Machst du mir noch einen, Joe?“
Joe runzelte die Stirn, schüttelte leicht den Kopf. „Das reicht für heute, Heiner. Am besten, ich ruf dir ein Taxi, Du willst doch kein Risiko eingehen.“
Heiner fühlte Wut und Ohnmacht in sich hochkommen, nicht mal hier wurde er verstanden, ernstgenommen. Er knallte einen Schein auf den Tresen, sprang vom Stuhl auf, der umfiel.
„Na schön, dann eben nicht. Scheißladen.“
Und schon war er an der Tür. Joe rief ihm noch etwas hinterher, es hatte keinen Zweck. Ein angetrunkener Dickschädel auf dem Weg nach Haus.
xxxx
Heiner bebte immer noch vor Wut, als er auf die Garagenauffahrt fuhr. Jetzt würde er ihr alles um die Ohren hauen. Er knallte die Wagentür zu, ging zum Haus und beamte das Auto zu, lässig den Schlüssel nach rückwärts über die Schulter zielend. Er fühlte sich endlich mal richtig gut, daran hatte auch der Alkohol seinen Anteil. Er fingerte das Schlüsselbund durch und wollte aufschließen, der ungeschickt gehaltene Schlüssel prallte am Schloss ab, machte sich selbständig, fiel auf den Boden auf die feuchte Matte. Das Licht ging schon wieder aus. `Mist´, dachte er, und es fiel ihm wieder ein, dass er aus Sparsamkeit das Intervall kurz eingestellt hatte.
Er griff nach dem schmuddeligen Bund, putzte es mit einem alten Tempo ab, der Schlüssel steckte endlich im Schloss. Das Licht ging wieder an, das Tempo fiel runter, er bückte sich, stieß mit dem Kopf schmerzhaft gegen das aus der Tür ragende Schlüsselbund, schwankte etwas, hielt sich mit der schmutzigen Hand die Stirn, bemerkte dies, wischte sich automatisch die Hand an der Hose ab. Das Licht ging wieder aus. Seine Siegerstimmung war inzwischen verflogen. `Egal, das Scheißtempo bleibt wo es ist´, dachte er sich. Er schloss endlich auf, trat unbemerkt in das Tempo, und so gelangte es ebenfalls ins Haus.
Heiner warf den Schlüssel auf die Garderobe, holte tief Luft und betrat das Wohnzimmer. Helga saß vor dem Fernseher, die Beine auf einem Hocker hochgelegt.
„Helga, ...“.
„Psst!“, winkte Helga etwas unwillig ab und deutete auf das TV-Gerät . „Grizzlimeck!“, sagte sie nur vieldeutig und nickte in Richtung der Mattscheibe, auf der ein älterer graumelierter Mann im Karopullover zu sehen war, der freundlich in die Kamera schaute.
Heiner seufzte schon etwas resigniert und ließ sich in einen Sessel sinken. Die Sendung begann gerade, die Erkennungsmelodie erklang. Heiner schlug die Beine übereinander, wippte im Takt mit der Schuhspitze mit, von ihm unbemerkt flatterte das alte Tempo musikalisch mit. Helga bemerkte es, runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Dann sah sie den Dreck auf seiner Stirn und den am Hosenbein. Jetzt seufzte sie.
„Willst du was?“, fragte sie und hielt ihre Mineralwasserflasche hoch.
Heiner nickte. „Ja, danke.“ Sie goss beiden ein. „Was ich noch sagen wollte, Helga...“
„Bitte, Heiner, das ist doch meine Sendung, das weißt du doch. Übrigens, du musst dir mal das Gesicht waschen. Und die Hose, bitte gleich in die Wäsche, auf links ziehen. Aber erstmal gucken wir.“
Heiner fasste sich an die Stirn, spürte den Schmutz, bemerkte jetzt auch die Dreckstreifen am Hosenbein. Und das Tempo winkte ihm freundlich zu, er bemerkte es immer noch nicht.
Bevor er noch etwas erwidern konnte, fiel ihm Prof. Grizzlimeck ins Wort.
„Liebe Freunde der Natur, liebe Gleichgesinnte. Heute will ich über ein besonderes Tier zu Ihnen sprechen, ein sehr kleines unscheinbares Wesen. Dennoch hat es jedes Recht, beachtet zu werden.“
Helga schaute hochzufrieden, blickte nochmals kurz herüber, mit etwas Missbilligung auf das Tempo, reichte Heiner die Salzstangen, die wie zufällig in Richtung Schuhspitze wiesen. „Magst du?“ Heiner schüttelte den Kopf, bemerkte das Taschentuch, riss es endlich ab.
Prof. Grizzlimeck setzte ungerührt fort. Er saß wie immer hinter seinem kleinen Schreibtisch, dahinter eine Stehlampe, an die sich ein kleiner Schimpanse klammerte. Grizzlimeck nahm ein halb gefülltes Glas Wasser von seinem Tisch und zeigte es in die Kamera.
„Und hierin lebt es, unbeachtet, scheinbar vergessen von der Natur, dennoch mit sich zufrieden, sein begrenztes Dasein ist ihm offenbar nicht bewusst.“
Grizzlimeck lächelte. Helga seufzte. Heiner trank etwas Mineralwasser.
„Oder, liebe Freunde, fürchtet es sich, ist es verzweifelt ob seiner eingesperrten Lage in diesem Glas? Glaubt es gar, Rechte zu haben uns gegenüber, die wir viel mächtiger sind als dieses Tier, und sein Universum spielerisch beherrschen?“
Grizzlimeck schwenkte das Glas hin und her, seine klugen Augen schauten zufrieden in das Wasser.
„Hat es überhaupt Rechte, die wir beachten müssen, wie etwa beim Großwild auf dem schwarzen Kontinent? Gibt es diesbezüglich eine Mindestgröße für Tier- und Naturschutz?“
Grizzlimeck stellte das Glas wieder vor sich ab. Der Schimpanse schaute interessiert darauf und dann wieder zu Grizzlimeck, der ernst in die Kamera blickte und die Stimme erhob, freundlich aber bestimmt.
„Wir sagen: Jedes Wesen ist schützenswert, darf seine Wünsche äußern, sie gehören respektiert, auch wenn es uns nicht passt.“
Er rückte seine Brille zurecht. Helga blickte wie gebannt auf den Bildschirm.
„Sie werden sich fragen, welches Tier gemeint ist. Ich werde es Ihnen sagen. Es ist das Pantoffeltierchen. Es verdient unseren Respekt.“
„Ja“, seufzte Helga, wischte sich eine Träne aus dem Auge, trank noch einen großen Schluck.
„Aber die Natur, liebe Freunde ...“, Grizzlimeck schaute zu dem Schimpansen und nickte leicht,
„... hat ihre eigenen Gesetze.“
Der Schimpanse fingerte nach dem Glas, nahm es in beide Hände und trank es aus.
Helga hielt sich vor Erstaunen die Hand vor den Mund. „Das ist ja ein Ding. Also dieser Grizzlimeck, der ist immer für eine Überraschung gut.“
Heiner hatte keinen Durst mehr, das Wasser revoltierte kurz in seinem Bauch.
„Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Freunde der Natur, bis zum nächsten Mal“, schloss Prof. Grizzlimeck die Sendung.
Helga stand plötzlich vor ihm, reichte Heiner die Pantoffeln. Er fühlte sich mit einem Mal sehr klein. „So, jetzt zieh doch erst mal die Schuhe und die Hose aus. Wo hast du dich bloß so eingesaut? Und was wolltest du mir eigentlich sagen?“
verbessert Gruß Tom