tektonik

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
pandora

Beitragvon pandora » 08.11.2007, 18:04

gone
Zuletzt geändert von pandora am 15.03.2008, 17:24, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 08.11.2007, 18:55

Liebe Peh,

ich weiß, es ist nicht gern gesehen, aber ich kann nur sagen: ich bin begeistert von deinem Text!

Die Übergänge von Bild zu Bild, prächtig für mich.

So schön ist das! :blumen:

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
Thomas Milser
Beiträge: 6069
Registriert: 14.05.2006
Geschlecht:

Beitragvon Thomas Milser » 08.11.2007, 23:58

Hallo Pandora,

ich schließe mich Elsa an, was die Bilder angeht. Ein Gedankenfluss, in den man sich ganz leicht einfügen kann, mitlaufen. Die Stimmung wird schön gezeichnet, wenn auch manche Beschreibungen (Dohlen liegen auf dem Rücken) zunächst sperrig erscheinen.

Für mich ensteht die Szene, dass ein Mann nach langer Abwesenheit in seine Heimat zurückkehrt, die nicht mehr seine ist. Irgendwie prägt sich ganz automatisch bei mir das Bild, es könne sich um ein ehemalig ostpreußisches, heute polnisches Dorf handeln ("deren Sprache er nicht spricht").

Einziger kleiner Kritikpunkt wäre, dass ich die Kleinschreibung nicht angemessen finde, da es sich doch um ganze Sätze handelt und kein Gedicht. Nach einem Punkt klein weiterzuschreiben finde ich ein bisschen befremdlich. Es wirkt für mich formal gekünstelt, im negativen Sinne 'designed', was so gar nicht dem gefühlten Inhalt entspricht. Warum machst du das?

Gruß,
Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Gast

Beitragvon Gast » 10.11.2007, 09:37

Liebe pandora,

feine bilder, die du sehr gekonnt gesetzt hast. Sie fordern zum genauen Lesen und Interpretieren,
lassen die Geschichte "dahinter" aber gut erkennen.
Gefällt mir.
Das Bild der Dohlenkrallen, die deinen Protagonisten an die Hände alter Menschen erinnern ist sehr gut gewählt. Zunächst dachte ich, der Zusammenhang müsse stärke zu erkennen sein, aber nach dem zweiten Lesen, hat sich der Eindruck verflüchtigt.

Hierzu habe ich eine Frage:

zum glück ist es dunkel. er steckt die fäuste in die hosentaschen.

schon von weitem sieht er das gebäude. fachwerk. dichte buchsbaumhecken schützen den vorgarten. die hortensien sind längst verblüht, alle fenster hell erleuchtet. eine greisin sitzt im sessel, über eine handarbeit gebeugt. oder ein buch?

Wie kann er das alles sehen, wenn es doch dunkel ist?
Vielleicht fehlt auch nur ein kleiner Hinweis darauf, dass er trotz Dunkelheit, alles erkennt (weil er es erkennt)?!

Feiner pandora Text.

Liebe Grüße
Gerda

pandora

Beitragvon pandora » 11.11.2007, 19:54

liebe elsa, liebe gerda, lieber tom,

danke für eure rückmeldungen.

zu deiner frage, liebe gerda, möchte ich anmerken, dass man erstens auch im dunkel (im "gemäßigten dunkel" - also in teilweise durch straßenlaternen... erleuchteter nacht)
ganz gut sehen kann. oder wahrnehmen.
zweitens, und das ist jetzt nicht ganz leicht zu erläutern, sieht man, auch in finsternis, irgendwie mit erinnerungen und assoziationen. also: man sieht, was man zu sehen glaubt. (klingt das sehr verwirrend? :spin2: )ich könnte vielleicht auch sagen/schreiben, dass man dinge aus der erinnerung heraus ergänzt, auch, wenn man sie nicht unmittelbar wahrnehmen kann. man kennt schließlich auch die bilder des tages und projiziert sie auf die nächtlichen eindrücke.

tom, der text it ein surrealer. ich hatte ihn zunächst in der üblichen groß- und kleinschreibung, aber das erschien mir unpassend. (es ist nicht so, dass alle meine prosatexte durchgängig kleingeschrieben sind.)nun überlege ich ehrlich gesagt, ob ich die reihenfolge der sequenzen ändere und, zur kennzeichnung einer "realen" ebene, nur die letzten (momentan ersten) drei zeilen groß/kleinschreibe und interpunktiere.

einen schönen abend euch und liebe grüße
peh

Benutzeravatar
Thomas Milser
Beiträge: 6069
Registriert: 14.05.2006
Geschlecht:

Beitragvon Thomas Milser » 12.11.2007, 00:28

Liebe Pandora,

ich warte mal ab, was du damit (der undezidierten Groß-/Kleinschreibung) im Einzelnen meinst. Meine Frage hinsichtlich der Orthografie sehe ich noch nicht beantwortet, aber die Zeit ist auf unserer Seite. :o)

Viel mehr würde mich interessieren, ob ich mit meiner geographischen Vermutung richtig liege. Oder beschreibst du einen Null-Ort, einen nicht physischen?

Ich befinde mich in einer Phase der Ahnenforschung resp. Wurzelsuche (inkl. langer beabsichtigter Reise zu ebendieser), und dieses Stück bringt mich irgendwie auf Siegfried-Lenz'sche Weise Richtung Pommern/Masuren, wenn auch auf eine weniger romantische und distanzierte Art.

Da dies alles auch nur Verklärung bzw. Wunschdenken sein kann, bitte ich um Aufklärung :o)

Toller Text,
Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Gast

Beitragvon Gast » 12.11.2007, 18:37

Liebe pan,

nein, nein, das klingt überhaupt nicht verwirrend, denn es ist das, was ich mir auch schon gedacht habe.
Nur, dass mir das "dunkel" explit genannt, zu nahe beim "sehen" steht ...

Wie wäre es hier an dieser Stelle statt "sieht", "erkennt" zu schreiben? Das wäre der kleine "Hinweis".

pandora hat geschrieben:schon von weitem siehterkennt er das gebäude.


Liebe Grüße
Gerda

pandora

Beitragvon pandora » 18.11.2007, 17:14

lieber tom, liebe gerda,

ich habe das "erkennen" aufgenommen, um das "sehen im dunklen" besser erklären zu können.
außerdem habe ich den text, wie ich bereits in einem kommentar angedeutete, in einer umgekehrter reihenfolge angeordnet und satzzeichen bis auf die letzten zwei sätze, die ja tatsächlich das "reale" sind, komplett eleminiert.
mir scheint so deutlicher zu werden, dass es traumsequenzen sind, sie sich hier aneinanderreihen.

lg
peh

die stimme versagt
er kann nicht reden und will doch schreien eine fremde familie lebt längst im hortensienhaus
er kennt sie nicht aber ahnt dass die kinder ball spielen im garten

er will der frau sagen dass er sie oft trifft wenn er schläft
dass er sich sorgt
dass er sich fürchtet weil andere leute in das haus vor der stadt ziehen
menschen die er nicht kennt.
frauen die ihm fremd sind
männer deren sprache er nicht spricht

er möchte überlegen
nachdenken
sich zurückfinden
besinnen
er rechnet
will dass sich jahrezahlen aufeinanderzubewegen
dann fügt er den eigenen namen ein
subtrahiert sich wieder
teilt das ganze in kindheit und erwachsensein
in fußballspiele und handyklingeln
es ist lange her dass er das letzte mal wirklich hier war
er ist ein anderer geworden

er erkennt das gebäude schon von weitem
fachwerk dichte buchsbaumhecken schützen den vorgarten die hortensien sind längst verblüht
alle fenster hell erleuchtet
eine greisin sitzt im sessel über eine handarbeit gebeugt oder ein buch

in astgabeln liegen blauschwarze dohlen auf dem rücken
das gefieder ist glatt die schnäbel glänzen wie teer ihre pergamentenen krallen aber sind verkrümmt und steif
vogelsicheln
er weiß wie die hände alter menschen aussehen wächsern und fleckig die adern zeichnen sich knotig ab unter der haut
zum glück ist es dunkel er steckt die fäuste in die hosentaschen

noch sind die bäume nicht kahl
ihre ungeduldigen schatten flackern in seinem atem verästeln sich in der lunge
er hustet

der asphalt – regennass
laub formt kontinente auf fußwegen
unter seinen schritten schieben sich welke erdteile ineinander ein windstoß lässt sie auseinanderdriften mit der schuhspitze schiebt er afrika in einen gulli

Er beginnt sich zu erinnern, erwacht.
Öffnet die Augen.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste