Hallo Sam,
ich muss abermals sagen, dass es mir eine Freude ist, mit Dir zu diskutieren. Du bietest schnörkellos einen robusten Kontrapunkt und zudem muss man nicht befürchten, dass es bei fortlaufenden Dialogen zu Zickigkeiten kommt. Ich meine diese Anmerkung ehrlich, unabhängig ihres potenziellen diplomatischen Nebeneffekts.
Worin ich Dir zustimme: "Wer über andere lacht, muss auch über sich lachen." Das ist eine alte Regel, deren Missachtung mir oft bei erfolglosen oder jungen Komikern auffällt.
Ja, insofern verstehe ich, warum Du den besagten Text als von "oben herab" empfindest. Der Autor lacht nicht über sich selbst.
Bei meinem Lesen ist das so: ich hatte mal wieder die blauen Kopfzeilen missachtet und damit übersehen, dass wir hier in der Humor-Rubrik sind, zumal ich im Text selbst auch keinen Lachreiz feststellte (weder über den Autor noch über Andere). Ich sehe diesen Text als Kritik. Als berechtigte Kritik. Nicht witzig, aber "bissig", wenn man so will.
Da stellt sich nun die Frage: Kann eine bissige Kritik ein großes Publikum erreichen, wenn neben seiner Außenkritik der Autor es unterlässt, sich währenddessen auch selbst unter die Lupe zu nehmen? Erfahrungsgemäß sieht die Lage hier ähnlich aus wie beim Lachen: Wer nur andere und nicht sich selbst kritisiert, wirkt oberlehrerhaft. Auf Plattformen, wo alle Personen auf gleicher Augenhöhe stehen wollen, kommt oberlehrerhaftes schlecht an; besser kommt das an bei Kultveranstaltungen, wie etwa beim Papst und anderen Popstars.
Diese Aus- und Einsteck-Formel könnte zu der Konsequenz führen, dass Textkritik, wie etwa Deine, Sam, nicht ausreichend selbstkritisch erscheinen könnte, stattdessen eher einseitig austeilend, und somit vom Kritisierten allwissend herablassend wirken könnte. (Das war ja bei ein paar Leuten auch schon der Fall. Da hilft es wohl nichts, wenn Du betonst, die Kritik sei an den Text und nicht an den Autor addressiert.)
Andererseits fügst Du in Deine Kritik Hinweise ein, dass Dein Beitrag nur subjektiv ist, nur Meinung ist, nur Empfindung ist. (Das tue ich in meinen Beiträgen auch, und das nicht als diplomatischen Trick, sondern weil ich wirklich daran denke, dass ich fehlbar bin, und diesen Gedanken dann direkt übermitteln will. Bei Dir ist es sicherlich auch kein Trick, sondern ehrlich gemeint.)
Wahrscheinlich ist es das, was den Text bereichern könnte: Mehr Selbstkritik. Nicht unbedingt Selbstlacher, aber Selbstkritik. Zumindest mehr Hinweise darauf, dass der Autor seiner eigenen Fehlbarkeit bewusst ist. (An die Trennbarkeit zwischen Autor und Text glaube ich bis heute nicht, Sam, weitere derartige Trennversuche bringen nichts, denke ich.)
Du hattest mal einen Text geschrieben über 10 Menschen und deren Schicksale. Meine Kritik dazu war in etwa, dass ich ihn als zirkusartige Beschaulustigung empfand; gleich 10 gescheiterte "Elefantenmenschen" nebeneinander, dazu, so schien es mir, die Befriedigung des Betrachters darob, dass es ihm selbst nicht so schlecht geht. Das empfand wiederum ich als ein Oben-Unten. Der Autor spricht über die Schäden anderer, aber nicht über die seinigen. -- Der Autor persönlich blieb mir natürlich trotzdem sympathisch! Aye, aye. Wie gesagt, der Grund für mein Mitteilungsbedürfnis in diesem Thema ist nicht moralische Verrechnung, sondern pure Neugier. Ich sage, was mir in Deiner Theorie widersprüchlich erscheint, und bitte um Erläuterung, nicht um Verrechnung. Ich will lediglich Deine Theorie verstehen. Sie wird mir immer verständlicher. Es bleiben noch ein paar Widersprüche ...
Aber ... da fällt mir wieder ein: Möglicherweise irre ich mich.

Cheers
Pjotr