Zu spät

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
scarlett

Beitragvon scarlett » 12.09.2007, 08:55

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Zuletzt geändert von scarlett am 27.10.2009, 20:53, insgesamt 3-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 12.09.2007, 09:47

Hallo Scarlett,

ein interessanter kleiner Text! Romantisch - und doch nicht. Schlicht - und doch nicht. In jedem Fall gekonnt. Er lässt sofort eine ganze Geschichte erahnen, mehrere Geschichten, Schicksale, Entscheidungen, Menschen; er besteht sozusagen aus lauter dreiPunkten, ohne dass du dieses Pünktchenpünktchenpünktchen benutzen müsstest.

Das Traurige dahinter, das Abgeklärte, das doch nicht ganz abeklärt ist. Das Abschließende. Ein bisschen Wut, die auch.

Ich würde überlegen, ob ich die französischen Sprengsel kursiv setze. Und am Ende ganz leicht umstellen (Änderung fett):

"Der Wein ist längst ausgetrunken, chéri, er schmeckte bitter, aber falsch war nur mein Etikett auf der Flasche."

Das Etikett zu wiederholen käme mir übertrieben pathetisch vor für diesen kleinen Text, den man wie ein Glas guten roten Wein trinken kann, lesen kann wie eine Erinnerung, an eine Herzabschürfung - oh, mir fällt sofort eine Menge dazu ein! ,-)

Lieber Gruß
Klara

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 12.09.2007, 10:55

Hallo scharlett,

mir kommt Dein Text rund vor. Erinnern an eine Liebe, die keine war. Interessant mit dem Brief, dem Wein und den französischen Zwischenworten umgesetzt

Diese Stelle:
"Natürlich wurde die Sehnsucht an die Wand geschleudert, so lang bis sie platzte,"
wirkt auf mich ungriffig. Warum ist das natürlich? Du benutzt es als Einstieg für das Weinbild, aber so ganz kann ich es nicht nachvollziehen.

Gerne gelesen

Jürgen

Klara
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Beitragvon Klara » 12.09.2007, 11:21

"Natürlich wurde die Sehnsucht an die Wand geschleudert, so lang bis sie platzte,"
wirkt auf mich ungriffig. Warum ist das natürlich? Du benutzt es als Einstieg für das Weinbild, aber so ganz kann ich es nicht nachvollziehen.

Hi Jürgen,

Ich lese es so, dass einerseits die Assoziation an das Märchen "Froschkönig" möglich ist (der Frosch an der Wand wird zum Prinzen, doch die Sehnsucht platzt nur, lässt nichts als Kaputtes übrig) - und andererseits das Immerwiederkehrende bei unglücklichem Verliebtsein oder Abwesenheit des Geliebten, ein Ritual: Man kaut alles durch und durch, man hält Zwiegespräche mit der Wand, man will etwas hören und hört doch nicht das, was man hören will, man will eines Besseren belehrt werden, obwohl man spürt und weiß, dass das Bessere nicht kommt. Die Lehre ist immer ebenso bitter wie die Leere. Gerade das "Natürlich" empfinde ich deshalb als authentisch und griffig: mit einem einzigen Wort sagt es all das, was ich hier gerade in vielen Zeilen geschrieben habe ,-)

Grüße
Klara

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.09.2007, 11:50

Liebe Scarlett,

das spricht mich sehr an.

Kinder wurden geboren in dieser Zeit, dir und mir, nicht aber uns, nur die Sonne war stets
die unsrige, auch wenn sie bei dir häufiger schien, ist nichts, wie es scheint.
Der Satz ist sehr gut bis auf den unterstrichenen Teil. Denn hier frage ich mich, woher das LI darauf schließt?

Klaras Vorschlag zum Schluß finde ich gut.

@Klara: Herzabschürfung: voll schön!

Lieben Gruß
Elsa
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scarlett

Beitragvon scarlett » 12.09.2007, 12:27

Hi ihr lieben fleißigen Kommentatoren,

vielen Dank für euere Antworten! Ich bin mal wieder äußerst beglückt, daß mein neuerlicher Prosa-Versuch offensichtlich was taugt.

@Klara:
daß du so anerkennende Worte gefunden hast, freut mich ganz besonders. Ja, so wie du das liest, so wünsche ich es verstanden.
Die kleine Umstellung übernehme ich gerne, die Wiederholung des "Etiketts" ist wirklich nicht nur unangemessen sondern auch umständlich.
Ich probiere die Kursivsetzung gerne mal aus und obendrein auch noch eine andere Gliederung, ein "Gedicht" wird daraus wohl aber trotzdem nicht.
Danke!

@Jürgen:
das mit dem "natürlich" hat Klara besser dargestellt, als ich es wahrscheinlich könnte, weil ich ja genau weiß, wie ich es meine, zu sehr drin bin, sozusagen ...
Freut mich, daß dir der Text gefällt und "rund" erscheint.
Danke!

@Elsa:
erinnerst du dich an unsere Diskussion: Gedicht oder lyrische Prosa? Die könnten wir jetzt hier gleich fortsetzen ... :smile:
Seltsamerweise fließen mir momentan nur solche "Gebilde" aus der Feder, die ich nicht eindeutig etikettieren kann.
Zu deiner Frage den eingeschobenen Satz betreffend: er sollte als Hinweis dafür gelten, daß lyrIch und Du wohl verschiedenen geographischen Gebieten zuzuordnen sind, also erstmal ganz konkret auffüllbar.
Zum anderen kann er aber auch als Hinweis auf den Brief selbst gelten, in dem etwas steht, aus dem das Ich schließt, im übertragenen Sinne, daß es dem Du besser erging ...
Klarer? Sollte ich das weglassen, umarbeiten? Eigentlich ist es mir wichtig, aber wenn es nicht verstanden wird oder nur irritiert .... *grübel*

Ja, und zum Schluß: die "Herzabschürfung" - die solltest du gleich mit dem copyright versehen, Klara!

Liebe Grüße,
scarlett

Gast

Beitragvon Gast » 12.09.2007, 12:58

Liebe scarlett,

das ist gut! Ja, da liegt so Vieles drin und du hast die harte Realität in eine wunderbare lyrische Sprache gepackt. Echt, ein Stückchen feine Kurzprosa.

Liebe Grüße
Gerda

scarlett

Beitragvon scarlett » 12.09.2007, 13:20

Danke dir, liebe Gerda, freut mich, daß es dich erreicht.

Liebe Grüße,
scarlett

Klara
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Beitragvon Klara » 12.09.2007, 14:31

Hallo noch kurz (freut mich so sehr, dass ich "richtig" lese...)

Kinder wurden geboren in dieser Zeit, dir und mir, nicht aber uns, nur die Sonne war stets
die unsrige, auch wenn sie bei dir häufiger schien, ist nichts, wie es scheint.

Der Satz ist sehr gut bis auf den unterstrichenen Teil. Denn hier frage ich mich, woher das LI darauf schließt?

Ich persönlich, Elsa, habe kein Problem mit dem unterstrichenen, sondern las das als kleinen geografischen Hinweis, also vermutlich: wohnt(e) der (oder die) Angesprochene im Süden. Ich tippe auf Südfrankreich ,-)

herzlich
k

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.09.2007, 14:56

Liebe Scarlett, liebe Klara,

ja, so kann man es auch lesen.

Ich nehme meine Frage zurück :).

Scarlett, wegen unserem lyr.Prosa Gespräch, ich finde es sehr schön, wenn du solche Sachen versuchst! Vielleicht schreibst du ja mal eine lyrische Novelle? Du kannst das gut.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

scarlett

Beitragvon scarlett » 12.09.2007, 19:03

Oh, liebe Elsa, ob ich das kann, da habe ich noch recht viele Zweifel, aber dein Zuspruch tut gut. Danke.

scarlett

Herby

Beitragvon Herby » 15.09.2007, 11:51

Liebe scarlett,

ich widerspreche dir vehement, wenn du diesen Text als einen Prosa - Versuch bezeichnest! Er ist - und ich wiederhole jetzt gerne, was die Vorkommentatoren/-innen schon sagten - sehr gelungen.

Besonders reizvoll finde ich die klare, aber dennoch verhaltene Sprache. In ihrer Aussage eindeutige Bilder kontrastieren mit dem, was ungesagt bleibt oder nur angedeutet wird und gerade deshalb lauter und eindringlicher klingt, als wäre es ausgesprochen worden.

Nein, scarlett, das ist kein Versuch, sondern gelungene und inspirierende Kurzprosa, vor der ich gerne den Hut ziehe! :hut0039:

Herzliche Wochenendgrüße
Herby

scarlett

Beitragvon scarlett » 16.09.2007, 10:49

Lieber Herby,

ich habe es als "Versuch" bezeichnet, da ich ja bisher immer der Ansicht war, ich könne keine Prosa schreiben, ich sei in der Prosa nicht "zu Hause". Aber der Prosalog hat mich inspiriert und ich habe es einfach mal "fließen" lassen.
Umso erstaunter und ja, erfreuter, bin ich, daß ich offenbar meine Selbsteinschätzung revidieren muß ...

Danke fürs Lesen.
Dein Lob ehrt mich.

Liebe Grüße und schönen Sonntag,
:d040: scarlett


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