Intelligenztest
Verfasst: 06.03.2006, 18:32
Intelligenztest
Papa war enttäuscht von ihr, das sah sie ihm an.
Wieder und wieder sah er die Blätter durch, mit ernster Miene und verkniffenen Lippen.
„Ich verstehe das nicht! So viele richtige Antworten, und dann das hier!"
Er tippte mit dem Finger aufs Papier: „Oder hier!"
Wieder stieß sein Finger wie ein Dolch auf eine Stelle nieder. Während er die Blätter von vorne nach hinten und von hinten nach vorne durchsah, würdigte er seine Tochter keines Blickes. Mama klapperte in der Küche herum und ließ sich kein einziges Mal sehen.
Papa riß ein Blatt heraus, rückte seine Brille zurecht und stand auf: „Martha! Sieh Dir das nur einmal an."
Mama erschien in der Türöffnung, mit einem Geschirrtuch in der Hand.
Papa hielt ihr das Blatt unter die Nase: „Deine Tochter hat Defizite, von denen ich nicht mal zu träumen wagte."
Mama sah hilflos zu ihr und dann pflichtschuldig aufs Blatt.
„Ein Hund – eine Katze – ein Radio. Ist doch deutlich zu erkennen, nicht wahr, Martha? Eines der Bilder paßt nicht in die Reihe. Und was kreist Deine Tochter ein? Die Katze! Ich fasse es einfach nicht. Derartiges findet sich noch einige Male in den Testbögen."
Papa zog die Brille ab und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. „Nicht zu glauben", murmelte er währenddessen. Dann setzte er die Brille wieder auf: „Na ja, nichts dran zu deuteln. Das Kind ist eben doch nicht so intelligent, wie wir es uns gewünscht hatten. Ich gehe ins Arbeitszimmer. Setz mir doch noch einen Kaffee auf, Martha, den kann ich jetzt gebrauchen."
Er schob sich an Mama vorbei aus dem Zimmer.
Mama lächelte sie hilflos aufmunternd an: „Bleib ruhig im Wohnzimmer. Möchtest Du fernsehen? Lassie kommt gleich."
Sie schüttelte den Kopf. Das hatte sie schon herausgefunden. Lassie kam angeblich immer, wenn Mama nicht mehr weiter wußte.
„Mach Dir nichts draus, Kind. Solche Fehler unterlaufen einem immer mal."
Sie schüttelte den Kopf.
Fehler! Fehler!
Keine Fehler. Sie hatte den Kringel um den Katzenkopf gemalt, weil die Katze nicht in die Reihe paßte. Das war richtig so. Für den Hund und für das Radio mußte man Abgaben zahlen, für die
Katze nicht. Wie oft hatte gerade Papa darüber schon lauthals geschimpft. Doch er hatte sie nicht einmal gefragt, warum sie die Katze mit dem Kringel ummalt hatte.
Die Prüfer sagten 'falsch', also war es falsch, meinte auch Papa.
Gerne, so gerne hätte sie es ihm erzählt.
Aber er hatte nicht gefragt, sie nicht einmal beachtet. Auch Mama fragte nicht.
Aber, auch wenn sie es getan hätten – wer traut solch eine Gedankenverbindung schon einem fünfjährigen Mädchen zu ?!
(c) Franktireur
Papa war enttäuscht von ihr, das sah sie ihm an.
Wieder und wieder sah er die Blätter durch, mit ernster Miene und verkniffenen Lippen.
„Ich verstehe das nicht! So viele richtige Antworten, und dann das hier!"
Er tippte mit dem Finger aufs Papier: „Oder hier!"
Wieder stieß sein Finger wie ein Dolch auf eine Stelle nieder. Während er die Blätter von vorne nach hinten und von hinten nach vorne durchsah, würdigte er seine Tochter keines Blickes. Mama klapperte in der Küche herum und ließ sich kein einziges Mal sehen.
Papa riß ein Blatt heraus, rückte seine Brille zurecht und stand auf: „Martha! Sieh Dir das nur einmal an."
Mama erschien in der Türöffnung, mit einem Geschirrtuch in der Hand.
Papa hielt ihr das Blatt unter die Nase: „Deine Tochter hat Defizite, von denen ich nicht mal zu träumen wagte."
Mama sah hilflos zu ihr und dann pflichtschuldig aufs Blatt.
„Ein Hund – eine Katze – ein Radio. Ist doch deutlich zu erkennen, nicht wahr, Martha? Eines der Bilder paßt nicht in die Reihe. Und was kreist Deine Tochter ein? Die Katze! Ich fasse es einfach nicht. Derartiges findet sich noch einige Male in den Testbögen."
Papa zog die Brille ab und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. „Nicht zu glauben", murmelte er währenddessen. Dann setzte er die Brille wieder auf: „Na ja, nichts dran zu deuteln. Das Kind ist eben doch nicht so intelligent, wie wir es uns gewünscht hatten. Ich gehe ins Arbeitszimmer. Setz mir doch noch einen Kaffee auf, Martha, den kann ich jetzt gebrauchen."
Er schob sich an Mama vorbei aus dem Zimmer.
Mama lächelte sie hilflos aufmunternd an: „Bleib ruhig im Wohnzimmer. Möchtest Du fernsehen? Lassie kommt gleich."
Sie schüttelte den Kopf. Das hatte sie schon herausgefunden. Lassie kam angeblich immer, wenn Mama nicht mehr weiter wußte.
„Mach Dir nichts draus, Kind. Solche Fehler unterlaufen einem immer mal."
Sie schüttelte den Kopf.
Fehler! Fehler!
Keine Fehler. Sie hatte den Kringel um den Katzenkopf gemalt, weil die Katze nicht in die Reihe paßte. Das war richtig so. Für den Hund und für das Radio mußte man Abgaben zahlen, für die
Katze nicht. Wie oft hatte gerade Papa darüber schon lauthals geschimpft. Doch er hatte sie nicht einmal gefragt, warum sie die Katze mit dem Kringel ummalt hatte.
Die Prüfer sagten 'falsch', also war es falsch, meinte auch Papa.
Gerne, so gerne hätte sie es ihm erzählt.
Aber er hatte nicht gefragt, sie nicht einmal beachtet. Auch Mama fragte nicht.
Aber, auch wenn sie es getan hätten – wer traut solch eine Gedankenverbindung schon einem fünfjährigen Mädchen zu ?!
(c) Franktireur