Liebesgeschichten
Verfasst: 26.06.2007, 01:53
Liebesgeschichten
Eins
Sommer. Sonne strahlt. Kinder spielen auf einer Blumenwiese Fangen. Man sieht wie sie mit ihren blonden, roten und schwarzen Mähnen durcheinander toben, wie in ihrer Mitte das Kind, dem gerade die Rolle des Fängers zugekommen ist, versucht, seine Beute zu fixieren und wie der kleine mit Sommersprossen übersäte Jäger losrennt. Nach ein paar halbherzigen Versuchen, eines der anderen Kinder zu stellen, legt er sich auf ein schlaksiges flachsblondes Mädchen fest. Die Kleine ist wendig und schnell. Keine gute Wahl, denkt man, doch die weißen Turnschuhe des Jägers greifen besser auf dem klammfeuchten Rasen als die pinken Chucks seines Opfers. Der Fänger holt auf. Er ist vollkommen konzentriert und als er es schließlich schafft, noch näher an seine Beute heranzukommen, schnitzt sich ein kurzes Lächeln in sein erstaunlich ernstes Kindergesicht. Jetzt beginnt sein Opfer lauthals zu kreischen. Das Mädchen durchfährt ein kitzliger Rausch zwischen Angst und Euphorie, eine bange Vorfreude auf den schlagartig erfolgenden Rollenwechsel wenn es heißt: „Hab Dich!“
Zwei
Winter. Der Regen trommelt auf das Oberlicht. Sie liegen auf dem Wohnzimmerteppich. Natürlich sind sie nackt. Er liegt ausgestreckt, bietet seine Brust als Kissen dar. Sie umschlingt ihn, zieht die Steppdecken herüber und läßt ihre noch feuchtheißen Körper darunter verschwinden. Aus den beiden, von Liebe erschöpften Ringern, werden so binnen Sekunden, zwei Häupter, zwei Gedankeninseln, umbrandet vom warmen Glück. Sie flüstern miteinander, ihre Stimmen sind frisch und weich wie Daunenkissen, die man ausgeschlagen und für einen Sommertag lang an der Fensterbank gelüftet hat. Sie reden über das einzige reale Thema: Über sich.
Sie durchstöbern gegenseitig ihre Gedanken und streunen durch ihre Köpfe, wie durch eine gut sortierte Bibliothek von Tagebüchern. Mal greifen sie hier ins Regal und mal dort, nehmen einen schweren Band heraus, blasen den Staub fort und beginnen lächelnd zu blättern. An einigen Stellen fahren sie mit ihrem Finger die Zeilen entlang - lesen sehr genau, Anderes stellen sie behutsam wieder in das große Regal, machen einen Schritt zurück, lassen ihren Blick über die vielen Buchrücken fliegen und greifen den nächsten Band heraus. Zeitlos vertiefen sie sich ineinandern, kramen in ihrer Vergangenheit, blicken in die ferne Zukunft oder lesen einfach nur im Jetzt – ganz egal.
Drei
Herbst. Alles glüht. Im Wald brechen kleine Äste unter ihren Füßen in morsche Stücke. Er erklärt, dass es erstaunlich sei, dass man dieses Geräusch einen Kilometer weit hören könne. Sie glaubt ihm nicht und lächelt. Ab und zu schaut sie ihm auf den Hintern und lächelt noch mehr. Auch sein Blick fällt ab und an in ihr Dekolleté. Dann wird er ernst. Er wird immer ernst, wenn er geil wird. Andere werden beschwingt, geben richtig Gas und umschwärmen ihr Liebesobjekt. Ihm sind Gefühle unheimlich. Er beobachtet sich vielmehr, schaut sich beim Gehen auf die Füße, misst jedem und allem Bedeutung zu und stolpert schließlich. Jetzt auch hier im Wald. Als er wankt, greift sie seinen Arm und ihre Hand klammert sich mit ihren langen Nägeln in den Stoff seines Hemdes. Und auch in seine Haut. Er jault auf, beschwert sich linkisch wie ein grummeliger Bär über ihren schmerzhaften Rettungsversuch. Sie findet das süß. Als ihm das aufgeht, schämt er sich ein bißchen, ist aber trotzdem zufrieden. Ihre Hand ist immer noch auf seinem Arm. Jetzt tastend, forschend, ob auch alles in Ordnung sei. Diese Frage formuliert sie vorsichtig. Sie ist dafür stehengeblieben. Er auch. Und Ironie glänzt dabei auf ihren Lippen, die ihm näher kommen und ihm fordernd alle Ausgänge versperren. Dann fällt er auf sie rein. Und so fressen sie sich auf - im glühenden Wald. Vogelstimmen singen und von woanders her hört man Äste knacken. Aber das ist ja kilometerweit weg.
Eins
Sommer. Sonne strahlt. Kinder spielen auf einer Blumenwiese Fangen. Man sieht wie sie mit ihren blonden, roten und schwarzen Mähnen durcheinander toben, wie in ihrer Mitte das Kind, dem gerade die Rolle des Fängers zugekommen ist, versucht, seine Beute zu fixieren und wie der kleine mit Sommersprossen übersäte Jäger losrennt. Nach ein paar halbherzigen Versuchen, eines der anderen Kinder zu stellen, legt er sich auf ein schlaksiges flachsblondes Mädchen fest. Die Kleine ist wendig und schnell. Keine gute Wahl, denkt man, doch die weißen Turnschuhe des Jägers greifen besser auf dem klammfeuchten Rasen als die pinken Chucks seines Opfers. Der Fänger holt auf. Er ist vollkommen konzentriert und als er es schließlich schafft, noch näher an seine Beute heranzukommen, schnitzt sich ein kurzes Lächeln in sein erstaunlich ernstes Kindergesicht. Jetzt beginnt sein Opfer lauthals zu kreischen. Das Mädchen durchfährt ein kitzliger Rausch zwischen Angst und Euphorie, eine bange Vorfreude auf den schlagartig erfolgenden Rollenwechsel wenn es heißt: „Hab Dich!“
Zwei
Winter. Der Regen trommelt auf das Oberlicht. Sie liegen auf dem Wohnzimmerteppich. Natürlich sind sie nackt. Er liegt ausgestreckt, bietet seine Brust als Kissen dar. Sie umschlingt ihn, zieht die Steppdecken herüber und läßt ihre noch feuchtheißen Körper darunter verschwinden. Aus den beiden, von Liebe erschöpften Ringern, werden so binnen Sekunden, zwei Häupter, zwei Gedankeninseln, umbrandet vom warmen Glück. Sie flüstern miteinander, ihre Stimmen sind frisch und weich wie Daunenkissen, die man ausgeschlagen und für einen Sommertag lang an der Fensterbank gelüftet hat. Sie reden über das einzige reale Thema: Über sich.
Sie durchstöbern gegenseitig ihre Gedanken und streunen durch ihre Köpfe, wie durch eine gut sortierte Bibliothek von Tagebüchern. Mal greifen sie hier ins Regal und mal dort, nehmen einen schweren Band heraus, blasen den Staub fort und beginnen lächelnd zu blättern. An einigen Stellen fahren sie mit ihrem Finger die Zeilen entlang - lesen sehr genau, Anderes stellen sie behutsam wieder in das große Regal, machen einen Schritt zurück, lassen ihren Blick über die vielen Buchrücken fliegen und greifen den nächsten Band heraus. Zeitlos vertiefen sie sich ineinandern, kramen in ihrer Vergangenheit, blicken in die ferne Zukunft oder lesen einfach nur im Jetzt – ganz egal.
Drei
Herbst. Alles glüht. Im Wald brechen kleine Äste unter ihren Füßen in morsche Stücke. Er erklärt, dass es erstaunlich sei, dass man dieses Geräusch einen Kilometer weit hören könne. Sie glaubt ihm nicht und lächelt. Ab und zu schaut sie ihm auf den Hintern und lächelt noch mehr. Auch sein Blick fällt ab und an in ihr Dekolleté. Dann wird er ernst. Er wird immer ernst, wenn er geil wird. Andere werden beschwingt, geben richtig Gas und umschwärmen ihr Liebesobjekt. Ihm sind Gefühle unheimlich. Er beobachtet sich vielmehr, schaut sich beim Gehen auf die Füße, misst jedem und allem Bedeutung zu und stolpert schließlich. Jetzt auch hier im Wald. Als er wankt, greift sie seinen Arm und ihre Hand klammert sich mit ihren langen Nägeln in den Stoff seines Hemdes. Und auch in seine Haut. Er jault auf, beschwert sich linkisch wie ein grummeliger Bär über ihren schmerzhaften Rettungsversuch. Sie findet das süß. Als ihm das aufgeht, schämt er sich ein bißchen, ist aber trotzdem zufrieden. Ihre Hand ist immer noch auf seinem Arm. Jetzt tastend, forschend, ob auch alles in Ordnung sei. Diese Frage formuliert sie vorsichtig. Sie ist dafür stehengeblieben. Er auch. Und Ironie glänzt dabei auf ihren Lippen, die ihm näher kommen und ihm fordernd alle Ausgänge versperren. Dann fällt er auf sie rein. Und so fressen sie sich auf - im glühenden Wald. Vogelstimmen singen und von woanders her hört man Äste knacken. Aber das ist ja kilometerweit weg.