Geziefer
Zum ersten Mal traf ich André bei Paco. Ich war gerade auf dem Weg nach Puerto Banus, um dort einige Fotos von der riesigen Yacht des Königs von Saudi Arabien zu machen. Dieser hatte mal wieder vor Marbella geankert, um sich in seiner Villa, die im Grunde ein eigens für ihn errichtetes Krankenhaus ist, der Unheilbarkeit seiner Krankheit zu widersetzen. Da ich die vollen Küstenstraßen vermeiden wollte, nahm ich den Weg übers Land. Alhaurin, Coin, an Ojen, vorbei, die gewundene Straße herunter nach Sierra Blanca. Wie immer, wenn ich diese Strecke fuhr, hielt ich bei Paco, um eine Kleinigkeit zu essen.
Das Restaurant war gut gefüllt, in der Mehrzahl Bauarbeiter, die in großen Gruppen zu Mittag aßen. An der Theke saßen alte Männer mit Strohhüten und weit aufgeknöpften Hemden, aus denen sich würdevoll weißes Brusthaar herauskringelte. Zwei schwitzende Kellner jagten durch den großen Raum, verteilten Karaffen mit gespritztem Rotwein, erklärten einem jeden Neuankömmling geduldig das Tagesmenü und riefen Paco die Bestellungen zu. Dieser stand dick und schweißgebadet hinter der Theke, zapfte Bier, bediente einen röchelnden Kaffeeautomaten, kassierte und unterhielt sich nebenbei mit den Alten auf den Barhockern.
André saß, in ein Buch vertieft, in der hintersten Ecke des Restaurants. Auf dem Tisch vor ihm stand ein kleiner Teller mit dünnen Schinkenscheiben und einigen Stückchen Käse, daneben ein Glas Wasser. Der einzige noch freie Platz war der an seinem Tisch, also setzte ich mich zu ihm. Schon stand einer der Kellner vor mir und stellte mich vor die Wahl zwischen Suppe und Paella als Vorspeise, Fisch oder Schnitzel als Hauptgang, Pudding oder Kaffee als Dessert. Während ich überlegte, fiel mein Blick auf den Teller mit Schinken, dessen frische Farbe an Spätburgunder erinnerte. Ich bestellte etwas davon, dazu Sardellen in Essig und einen Krug Bier.
Ich weiß nicht, ob Andre mich schon bemerkt hatte. Er nippte an seinem Wasser, ohne von dem Buch, dessen Titel ich zunächst nicht lesen konnte, aufzusehen, und ab und zu tastete er nach ein Stück Fleisch oder Käse. Irgendwann wurde mir im Vorbeigehen ein Teller und auch das Bier hingestellt. In diesem Moment sah Andre das erste Mal auf und wünschte mir einen guten Appetit. Er schaute auf seine Uhr, dann legte er die restlichen Schinkenstücke auf den übriggebliebenen Käse und schob sich die Portionen eine nach der anderen in den Mund. Jetzt konnte ich den Titel des Buches erkennen. Es war Nabokovs Lolita.
Was er denn halte, von Humbert Humbert, fragte ich ihn.
„Ein Päderast“, antwortete André mit kehliger Stimme.
„Das ist alles?“, erwiderte ich, „keinerlei Verständnis für seine Obsession? Immerhin ist er aufrichtig.“
„Aufrichtigkeit“, meinte er darauf, „könnte man in diesem Fall auch für Eitelkeit halten.“
Wir begannen uns zu unterhalten. Zu Hause käme er nicht dazu nur eine Zeile zu lesen, meinte André. Die Frau, die drei Kinder, das Haus mit dem Garten, da bliebe wenig Zeit. In diesem Restaurant aber, in dem er immer seine zweistündige Mittagspause verbrachte, in diesem Konglomerat aus Geräuschen und Gerüchen konnte er sich seltsamerweise entspannen und mit Vergnügen lesen.
„Das mag daran liegen“, sagte er lächelnd, als er meinen ungläubigen Blick bemerkte, „dass mich hier weder die Geräusche noch die Gerüche etwas angehen.“
André war für einen Andalusier ungewöhnlich groß. In sein längliches Gesicht waren langweilig blickende Augen gedrückt und eine viel zu kleine Nase, die erst auf Höhe des Jochbeins aus dem Gesicht herausstrebte, was ihr das Profil einer Skiflugschanze gab. Er arbeitete als Kameraassistent für eine Gesellschaft, die eine Telenovela für das andalusische Regionalfernsehen produzierte. Eine peinliche Serie, die in einem Hotel spielte. Der Drehort lag nicht weit von Pacos Restaurant zwischen Coin und Alhaurin. Wegen seiner Größe, seinem stoischen Gesichtsausdruck und dem Unverrückbaren, das seine ganze Erscheinung ausstrahlte, wurden mit André auch gerne Nebenrollen besetzt, sei es als Polizist, als Kofferträger oder als Sekretär eines verrückten Millionärs aus Madrid.
Wir beschlossen, uns einmal die Woche bei Paco zum Mittagessen zu treffen und über Bücher zu reden. André war nicht wirklich attraktiv, aber sein Gesicht hatte etwas Perspektivisches, wie ein Gemälde, das einem erst dann schön erscheint, wenn man etwas über den Maler und seine Intentionen erfahren hat. Auch wenn André zunächst selten über sich sprach, so zeigten mir seine Meinungen zu den verschiedensten Büchern und Schriftstellern doch deutlich, welch ein nachdenklicher und, trotz seiner Familie, einsamer Mensch er war.
Ich liebe einsame Menschen. Einsamkeit ist für mich das aufregendste Parfüm, das jemand tragen kann. Es ist nicht der Liebende, sondern der Einsame, der bereit ist, sich völlig hinzugeben.
An dem Tag, an dem wir das erste Mal miteinander schliefen, hatten wir über Pessoa geredet. André wusste viel über den Portugiesen. Er sagte, er verehre ihn nicht, weil er sich so gerne verstellte, aber er respektiere ihn, weil er sich in seiner Verstellung immer zu erkennen gab.
Von Pessoa stammte auch sein Lieblingszitat: Wir lieben niemals irgendjemanden. Wir lieben ganz allein die Vorstellung, die wir uns von jemandem machen.
Ich war nicht der erste Mann, mit dem er Sex hatte. Es gab da früher Mitschüler und später Kollegen. Ab und zu auch Frauen. Diese Unentschlossenheit verwirrte ihn am Ende derart, dass er es für das Beste hielt, zu heiraten. Aber auch danach hatte er immer wieder kürzere Affären, meist mit jungen Studenten, die tageweise bei den Dreharbeiten irgendwelche Hilfsarbeiten erledigten.
„Das mit dir ist etwas anderes“, sagte er einmal. Da trieben wir es schon einige Monate miteinander. Entweder trafen wir uns bei mir oder in einem kleinen Hotel etwas außerhalb von Marbella.
„Die Anderen, die kamen und gingen. Wie Jahreszeiten. Bei dir kann ich mir vorstellen, dass es so bleibt. Dass du bleibst.“
Ich sagte nichts dazu, streichelte seinen langen Rücken, seinen von kleinen Pickeln übersäten Hintern, griff zwischen seine Beine, bis wieder Bewegung in ihn kam und das, was er gerade gesagt hatte, von seiner Erregung beiseite geschoben wurde.
Irgendwann wollte André, dass ich seine Familie kennen lerne. Was ihn dazu trieb, weiß ich nicht. Vielleicht machte ihm sein Gewissen zu schaffen. An einem Tag hatte er mich gefragt, warum er die gleiche Leidenschaft, die er mir gegenüber zeigen konnte, nicht bei seiner Frau empfände.
„Dafür gibt es zwei Gründe“, antwortete ich ihm. „ Der eine ist: Du besitzt deine Frau, aber du besitzt nicht mich. Und wir empfinden die größere Leidenschaft immer dann, wenn wir mit denen zusammen sind, die wir nicht so besitzen, wie wir es gerne würden. Weil es eben dieser Moment der größten Leidenschaft ist, der uns vormacht, wir würden so besitzen, wie wir es uns wünschen.“
„Und der zweite Grund?“ fragte er nach einer längeren Pause.
„Das ist viel einfacher: Du kannst nur Fleisch vögeln oder Fleisch und Verstand“.
André wandte sich ab. Er mochte keine vulgären Ausdrücke. Aber ich denke, er hatte es trotzdem verstanden. Daher rührten wohl auch seine Gewissensbisse. In der Erkenntnis, dass er mit seiner Frau niemals solche Gespräche führen konnte wie mit mir.
André lebte mit seiner Familie in einem kleinen Dorf, etwa fünf Kilometer von Coin entfernt. Das übliche einstöckige, weißgetünchte Haus. Die übliche, von einem Baldachin aus wildem Wein beschattete Terrasse. Ein Garten, in dem Tomaten, Pferdebohnen und einige Mandelbäume wuchsen. Seine Frau begrüßte mich freundlich. Wir aßen Tappas auf der Terrasse und sprachen über Familie, Kinder und Heimweh. Inmaculada stammte aus dem Norden Spaniens. Als junge Frau hatte sie einmal Verwandte in Andalusien besucht und auf dieser Reise André kennen gelernt. Sie heirateten schnell und bald darauf kamen die Kinder. Belèn, die älteste, wurde jetzt schon bald siebzehn.
Ich begehrte Inmaculada sofort. So, wie man nur eine fettleibige Frau begehren kann. Es mag dafür Erklärungen geben, aber die interessieren mich nicht. Alles an dieser Frau war sinnlich und erregend. Ihr übergroßer Busen, ihr weit ausladender Hintern, ihre mächtigen Oberschenkel. Noch während des Essens stellte ich mir vor, wie sie riechen mochte. Es ist ein böses Vorurteil, welches besagt, dass dicke Frauen unangenehm riechen. Ich hatte meine Nase schon in den Mösen verschiedener magersüchtiger Frauen (die sind noch einsamer, als die Dicken). Was man da riecht, ist nur Tod. Die Dicken aber strotzen vor Leben. Ihr Geruch ist würzig und salzig, wie eine Mischung aus Weide und Strand.
Am nächsten Vormittag besuchte ich Inmaculada. Wir saßen auf der Terrasse, sprachen über dies und das und schließlich sagte sie, dass André nicht mehr mit ihr schlafe.
Ich fragte sie, ob sie den Lieblingsdichter ihres Mannes kenne.
„Garcia Lorca“, antwortete sie.
Ob sie denn wüsste, was dieser über die Brüste von Frauen dachte.
„Nein“, sagte sie und zupfte an ihrem Wickelkleid, das sie schon am Vorabend getragen hatte.
„Er hasste Brüste“, sagte ich, „vor allem die in ihrer wohlentwickelten Form. Das zumindest behauptete Dali. Brüste, in ihrer wohlentwickelten Form. So wie deine.“
Inmaculada weinte, während ich meine Hand in ihren Ausschnitt schob.
Von da an trafen wir uns mehrmals die Woche und es gab nichts, was sie mir vorenthielt, aus Angst, ich würde nicht wiederkommen.
Schon bald erzählte ich André davon. Interessant, wie seine Erregung einbrach und wie ich sie wiederbeleben konnte, nach und nach, obwohl er wusste, dass jene Zunge, die gerade an seinem Schwanz leckte, keine vierundzwanzig Stunden zuvor so tief, wie es ging, in der Möse seiner Frau gesteckt hatte.
„Ich will nur nicht, dass die Kinder es mitbekommen“, war alles, was er dazu sagte und ich konnte spüren, wie er sich dafür schämte.
Drei Monate später sagte mir André, er wolle mich nie wieder sehen. Wir saßen an der Strandpromenade von Fuengirola und beobachteten ein paar junge Marrokaner, die versuchten, Drogen an Touristen zu verkaufen.
Dies gelte im Übrigen auch für Inmaculada, sagte er. Sie hasse mich. Beide würden sie mich hassen. Und in diesem gemeinsamen Hass läge sogar etwas Gutes, denn er könnte bedeuten, dass es für sie doch noch so etwas wie eine gemeinsame Zukunft gäbe. Eine Zukunft, an die er die ganzen Monate, in denen er sich mit mir traf („In denen du mit mir gefickt hast“, unterbrach ich ihn), nicht mehr geglaubt hatte.
Ausgelöst wurde alles durch einen Zufall, der vielleicht gar keiner war. Ich traf Belèn in Malaga. Gegenüber der Schule, die sie seit einigen Monaten besuchte, befanden sich mehrere kleine Cafes, die von den Schülern in ihren Pausen gerne aufgesucht wurden, um dort etwas zu trinken und zu rauchen. Ich saß in einem jener Cafes, als Belèn mit ein paar Freundinnen eintrat. Sie erkannte mich sofort und kam an meinen Tisch. Man hätte das Mädchen für sechzehn oder sechsundzwanzig halten können. Je nachdem, wo man hinsah. Es war unschwer zu erkennen, dass sie einmal die Form ihrer Mutter annehmen würde. Schon jetzt hatte sie einen schweren Busen, ein rundes, volles Gesicht. Ihr Blick war aber der des Vaters, neugierig und kraftlos. Sie wollte Malerin werden und auf eine Kunsthochschule in Granada gehen. Ich sagte ihr, ich hätte Kontakte, und so blieb sie länger bei mir sitzen, als sie vielleicht geplant hatte, und wir sprachen über dieses und jenes. Sie fühle sich eingesperrt, meinte sie irgendwann, in diesem kleinen Dorf, diesem kleinen Haus, dieser kleinen Familie mit ihrer kleinen Art zu denken,
„Oh“, sagte ich, „dein Vater denkt nicht klein, er liest sehr viel.“
„Das tut er aber nur für sich“, erwiderte sie in einem Tonfall, der mir sehr gefiel, „aber nicht für uns. Alle tun alles nur für sich.“
„Und die Kunst?“, fragte ich. „Für wen die Kunst, die du studieren willst?“
„Die ist für mich“, sagte sie ein wenig trotzig. „Aber wenn sie mir mal gehört, will ich sie weitergeben. Ich denke, im Weitergeben liegt der Sinn der Kunst. Alles andere hieße alleine zu bleiben, so wie meine Eltern.“
„Ich habe mich nur mit deiner Tochter unterhalten“, sagte ich zu Andrè.
„Ich will, dass du sie in Ruhe lässt.“
„Natürlich lasse ich sie in Ruhe“, sagte ich, „solange, bis sie das Gegenteil wünscht.“
Danach gab es Tage, an denen ich André vermisste und Tage, an denen ich Inmaculada vermisste. Aber denken konnte ich nur noch an Belén. Währenddessen war Inmalculada nicht so konsequent wie ihr Mann und ich brachte sie wenigstens am Telefon noch einige Male dazu, sich selbst zu befriedigen.
Gestern erhielt ich eine Email von Belèn. Sie schreibt, dass sie ihr Studium abgebrochen hat. Sie wohnt jetzt wieder bei ihren Eltern und ihren Brüdern. Und irgendwie, schreibt sie, fühlt sie sich einsam.
Geziefer
Hallo Sam,
deine Geschichte über "Einsamkeit" habe ich einem Rutsch gelesen und genossen.
Vielleicht weil sie prall voll Leben und Möglichkeiten steckt, der Einsamkeit ein Schnippchen zu schlagen, wenn man bereit zur Veränderung ist.
Ich bin aber ohnehin noch nicht zu einer abschließenden Meinung gelangt, weshab mich die Geschichte begeistert, außer dass ich dir schreiben möchte: Toll und flott geschrieben, mir ist nicht die Winzigkeit einer Unstimmigkeit aufgefallen, abgesehen vom Titel, den ich nicht recht verstehe,
Betrachtest du die handelnden Menschen so? Statt Ungeziefer, Geziefer? Hm, der bisher einzige Wehrmutstropfen.
Ich lese später noch Mal.
Liebe Grüße
Gerdas
Manchmal ist ein ungefilterter erster Eindruck für den Autor gut.
deine Geschichte über "Einsamkeit" habe ich einem Rutsch gelesen und genossen.
Vielleicht weil sie prall voll Leben und Möglichkeiten steckt, der Einsamkeit ein Schnippchen zu schlagen, wenn man bereit zur Veränderung ist.
Ich bin aber ohnehin noch nicht zu einer abschließenden Meinung gelangt, weshab mich die Geschichte begeistert, außer dass ich dir schreiben möchte: Toll und flott geschrieben, mir ist nicht die Winzigkeit einer Unstimmigkeit aufgefallen, abgesehen vom Titel, den ich nicht recht verstehe,
Betrachtest du die handelnden Menschen so? Statt Ungeziefer, Geziefer? Hm, der bisher einzige Wehrmutstropfen.
Ich lese später noch Mal.
Liebe Grüße
Gerdas
Manchmal ist ein ungefilterter erster Eindruck für den Autor gut.
Hallo Sam,
sehr flüssig und anschaulich geschrieben. Hab ein paar Anmerkungen, nur Kleinigkeiten.
Mit dem Titel tu ich mich ein bisschen schwer, hm. Vielleicht magst du mal sagen, warum du gerade diesen gewählt hast.
Schlangensatz. Außerdem frage ich mich, warum du den König von Saudi Arabien in der Story erwähnst, da er im weiteren Verlauf nicht mehr vorkommt. Würde es nicht ausreichen, dass LI erzählt, er wäre auf dieser Reise, um Fotos zu machen?
hinunter statt herunter
jedem Neuankömmling
dessen frische Farbe mich an .....
Ich wusste nicht, ob....
Oder besser: Andre schien mich noch nicht bemerkt zu haben. Und: Akzent auf Andre fehlt.
Schlangensatz. Würde hinter "aufzusehen" eine Punkt setzen. Dann "und" weg. Weiter mit: Ab und zu...
Als mir im Vorbeigeben ein Teller und das Bier hingestellt wurde, sah Andre das erste Mal auf und wünschte...
die "dann" wirken holprig. Deshalb besser:
Er schaute auf seine Uhr, legte die restlichen Schinkenstücke auf den übriggebliebenen Käse und schob...
Hier würde ich gleich in den direkten Dialog gehen.
Bisschen holprig.
Zu Hause hätte er nicht die Zeit, auch nur eine Zeile zu lesen, meinte André.
"Konglomerat" passt hier irgendwie nicht. Besser fände ich: Gemisch aus Geräuschen und Gerüchen
Klasse!
Kommt bisschen plötzlich, ohne die Anbahnung/Hinführung dazu, aber ok.
Hier eine Frage zu Pessoa: Pessoa verstellte sich ja nicht in dem Sinne, sondern schuf seine Hieronyme mit ihren eigenen Lebensläufen. Je nachdem, unter welchen Hieronym Pessoa schrieb, war er derjenige, lebte ihn. Deshalb ist das Wort "verstellen" für mich nicht das richtige.
anderes Wort für "trieben", ich würde das "geschmeidiger" ausdrücken, nicht so "anrüchig"
Der zweite Satz ist m.E. überflüssig, da bereits im vorherigen enthalten.
Komma vor "fragte"
Belèn, die Älteste, wurde bald siebzehn. (Älteste wird groß geschrieben)
interessierten
dicken (hier klein, da vorher schon "Frauen" steht.) Und Komma vor "als" weg.
Hier besser direkter Dialog.
dito. (Dialoge machen eine Geschichte lebendiger)
Hier frage ich mich als Leser, warum er es André erzählt. Was ist seine Motivation?
Punkt nach "aufgesucht wurden". Rest weg, ist ja klar, dass man dort etwas trinken oder rauchen will.
Geht das? neugierig und kraftlos? Ist das nicht irgendwie ein Widerspruch?
Den Tonfall konkreter beschreiben.
ist die Kunst....
Komma nach "hieße"
falscher Akzent: André
"schrieb" und "hätte"
Sie wohne jetzt wieder bei ihren Eltern und Brüdern. Und irgendwie fühle sie sich einsam.
Oder hast du mit Absicht hier am Schluss im Präsens geschrieben?
So, das sind meine Anmerkungen. Sieht schlimmer aus, als es ist, sind alles nur peanuts,-) Du kannst sehr gut erzählen, Sam,-)
Saludos
Mucki
sehr flüssig und anschaulich geschrieben. Hab ein paar Anmerkungen, nur Kleinigkeiten.
Mit dem Titel tu ich mich ein bisschen schwer, hm. Vielleicht magst du mal sagen, warum du gerade diesen gewählt hast.
Dieser hatte mal wieder vor Marbella geankert, um sich in seiner Villa, die im Grunde ein eigens für ihn errichtetes Krankenhaus ist, der Unheilbarkeit seiner Krankheit zu widersetzen.
Schlangensatz. Außerdem frage ich mich, warum du den König von Saudi Arabien in der Story erwähnst, da er im weiteren Verlauf nicht mehr vorkommt. Würde es nicht ausreichen, dass LI erzählt, er wäre auf dieser Reise, um Fotos zu machen?
die gewundene Straße herunter nach Sierra Blanca
hinunter statt herunter
erklärten einem jeden Neuankömmling
jedem Neuankömmling
dessen frische Farbe an Spätburgunder erinnerte.
dessen frische Farbe mich an .....
Ich weiß nicht, ob Andre mich schon bemerkt hatte.
Ich wusste nicht, ob....
Oder besser: Andre schien mich noch nicht bemerkt zu haben. Und: Akzent auf Andre fehlt.
Er nippte an seinem Wasser, ohne von dem Buch, dessen Titel ich zunächst nicht lesen konnte, aufzusehen, und ab und zu tastete er nach ein Stück Fleisch oder Käse.
Schlangensatz. Würde hinter "aufzusehen" eine Punkt setzen. Dann "und" weg. Weiter mit: Ab und zu...
Irgendwann wurde mir im Vorbeigehen ein Teller und auch das Bier hingestellt. In diesem Moment sah Andre das erste Mal auf und wünschte mir einen guten Appetit.
Als mir im Vorbeigeben ein Teller und das Bier hingestellt wurde, sah Andre das erste Mal auf und wünschte...
Er schaute auf seine Uhr, dann legte er die restlichen Schinkenstücke auf den übriggebliebenen Käse und schob sich die Portionen eine nach der anderen in den Mund.
die "dann" wirken holprig. Deshalb besser:
Er schaute auf seine Uhr, legte die restlichen Schinkenstücke auf den übriggebliebenen Käse und schob...
Was er denn halte, von Humbert Humbert, fragte ich ihn.
Hier würde ich gleich in den direkten Dialog gehen.
Zu Hause käme er nicht dazu nur eine Zeile zu lesen, meinte André.
Bisschen holprig.
Zu Hause hätte er nicht die Zeit, auch nur eine Zeile zu lesen, meinte André.
in diesem Konglomerat aus Geräuschen und Gerüchen
"Konglomerat" passt hier irgendwie nicht. Besser fände ich: Gemisch aus Geräuschen und Gerüchen
Einsamkeit ist für mich das aufregendste Parfüm, das jemand tragen kann. Es ist nicht der Liebende, sondern der Einsame, der bereit ist, sich völlig hinzugeben.
Klasse!
An dem Tag, an dem wir das erste Mal miteinander schliefen,
Kommt bisschen plötzlich, ohne die Anbahnung/Hinführung dazu, aber ok.
Er sagte, er verehre ihn nicht, weil er sich so gerne verstellte, aber er respektiere ihn, weil er sich in seiner Verstellung immer zu erkennen gab.
Von Pessoa stammte auch sein Lieblingszitat: Wir lieben niemals irgendjemanden. Wir lieben ganz allein die Vorstellung, die wir uns von jemandem machen.
Hier eine Frage zu Pessoa: Pessoa verstellte sich ja nicht in dem Sinne, sondern schuf seine Hieronyme mit ihren eigenen Lebensläufen. Je nachdem, unter welchen Hieronym Pessoa schrieb, war er derjenige, lebte ihn. Deshalb ist das Wort "verstellen" für mich nicht das richtige.
Da trieben wir es schon einige Monate miteinander.
anderes Wort für "trieben", ich würde das "geschmeidiger" ausdrücken, nicht so "anrüchig"
Und wir empfinden die größere Leidenschaft immer dann, wenn wir mit denen zusammen sind, die wir nicht so besitzen, wie wir es gerne würden. Weil es eben dieser Moment der größten Leidenschaft ist, der uns vormacht, wir würden so besitzen, wie wir es uns wünschen.“
Der zweite Satz ist m.E. überflüssig, da bereits im vorherigen enthalten.
„Und der zweite Grund?“ fragte er nach einer längeren Pause.
Komma vor "fragte"
Belèn, die älteste, wurde jetzt schon bald siebzehn.
Belèn, die Älteste, wurde bald siebzehn. (Älteste wird groß geschrieben)
Es mag dafür Erklärungen geben, aber die interessieren mich nicht.
interessierten
magersüchtiger Frauen (die sind noch einsamer, als die Dicken).
dicken (hier klein, da vorher schon "Frauen" steht.) Und Komma vor "als" weg.
Ich fragte sie, ob sie den Lieblingsdichter ihres Mannes kenne.
Hier besser direkter Dialog.
Ob sie denn wüsste, was dieser über die Brüste von Frauen dachte.
dito. (Dialoge machen eine Geschichte lebendiger)
Schon bald erzählte ich André davon.
Hier frage ich mich als Leser, warum er es André erzählt. Was ist seine Motivation?
befanden sich mehrere kleine Cafes, die von den Schülern in ihren Pausen gerne aufgesucht wurden, um dort etwas zu trinken und zu rauchen.
Punkt nach "aufgesucht wurden". Rest weg, ist ja klar, dass man dort etwas trinken oder rauchen will.
Ihr Blick war aber der des Vaters, neugierig und kraftlos.
Geht das? neugierig und kraftlos? Ist das nicht irgendwie ein Widerspruch?
„Das tut er aber nur für sich“, erwiderte sie in einem Tonfall, der mir sehr gefiel,
Den Tonfall konkreter beschreiben.
Für wen die Kunst, die du studieren willst?“
ist die Kunst....
Alles andere hieße alleine zu bleiben
Komma nach "hieße"
sagte ich zu Andrè.
falscher Akzent: André
Sie schreibt, dass sie ihr Studium abgebrochen hat
"schrieb" und "hätte"
Sie wohnt jetzt wieder bei ihren Eltern und ihren Brüdern. Und irgendwie, schreibt sie, fühlt sie sich einsam.
Sie wohne jetzt wieder bei ihren Eltern und Brüdern. Und irgendwie fühle sie sich einsam.
Oder hast du mit Absicht hier am Schluss im Präsens geschrieben?
So, das sind meine Anmerkungen. Sieht schlimmer aus, als es ist, sind alles nur peanuts,-) Du kannst sehr gut erzählen, Sam,-)
Saludos
Mucki
Gut, dann nach dem zweiten Lesen ein paar Anmerkungen:
Sieht weißes Brusthaar würdevoll aus?
Ich habe mit Brusthaar als solches keine Probleme, vielleicht sexy oder animalisch, wenn es noch nicht weiß ist, aber würdevoll? Eher gilt dem Träger weißen Haupthaares dieses Attribut.
Hier müsste es heißen: Ich wusste nicht … Denn im Kontext hast du das Präteritum verwendet.
hier würde ich unbedingt ins Aktiv umformulieren sonst liest sich ein falscher Bezug.
Irgendwann stellte der Kellner mir im Vorbeigehen …usw.
Die Beschreibung des Gesichts hat schon ihren Reiz, aber hintereinander "länglich" und dann "langweilig" finde ich klanglich nicht so toll.
Dann die "Skifluschanze" … hm, ich weiß was du sagen willst und auch dass du gern "Stupsnase" vermeiden möchtest, weil das zu einem erwachsenen Mann eher nicht passt, aber ich finde diese Übertreibung passt nicht in den Schreibstil. Das ist beides nichts Gravierendes, aber ich würde überlegen ein wenig anders zu formulieren, (Rutschbahn ist auch nicht toll)
Das „nicht wirklich“ vor „attraktiv“ scheint mir eine Art Modeformulierung zu sein. (ich ertappe mich auch dabei). Vielleicht ist es besser zu schreiben, „nicht attraktiv im herkömmlichen Sinn“, oder „nicht attraktiv auf den ersten Blick“, das würde auch zur weitern Beschreibung passen.
Mir gefällt, wie du hier dichter und Zitate einflichst, ohne dass es auf mich wirkt, als wolltest du etwa „Wissen“ herzeigen.
Mir fällt es zwar schon früher auf, aber hier wird es augenscheinlich, dass ein Widerspruch besteht, zwischen der anfänglich geschilderten berufsbedingten Reise des Erzählers nach Marbella um Fotos zu machen, und dem daraus resultierenden Monate andauernden Aufenthalt aus Liebesgründen. (Man könnte auch sagen aus Gründen die Einsamkeit zu überwinden) Der Aufenthalt mit „Leben gefüllt“ werden, was macht der Erzähler dort? Beruflich, etc… 1, 2 Sätze reichen. Ich habe jetzt aber noch nicht geschaut, an welcher Stelle sie am besten passten.
Besser wäre: , … aber du besitzt mich nicht.
Mir ist nicht klar, was genau du damit sagen möchtest.
Geht es dir darum, dass der Erzähler André erklärt, dass ihm (André) Fleisch allein nicht reiche? Das, echte Leidenschaft immer auch etwas mit dem Kopf zu tun hat? So in dem Sinn, dass „Erotik“ immer im Kopf stattfindet, etwas mit Phantasie zu tun hat?
Oder möchtest du sagen, dass André der Geist seines Sexualpartners beim Akt wichtig ist?
Ich verstehe das so, nicht .
Mir ist nicht klar, wie ein Blick blickt, der neugierig und zugleich kraftlos ist.
Meiner Meinung steckt allein schon in der Neugier Kraft.
Mir gefällt die Geschichte, der Aufbau, auch das offenen Ende, das Zurück in die Einsamkeit am Beispiel der Tochter aufgezeigt. Man kann erahnen, dass der Erzähler auf ein Zeichen Beléns wartet… Aber die Einsamkeit wird er wohl dennoch nicht vertreiben können, weder die eigene noch die der Frau. denn das kennzeichnet die Geschichte insgesamt: Alles bleibt wie es war, so als wäre nichts geschehen.
Liebe Grüße
Gerda
Sam hat geschrieben:aus denen sich würdevoll weißes Brusthaar herauskringelte.
Sieht weißes Brusthaar würdevoll aus?
Ich habe mit Brusthaar als solches keine Probleme, vielleicht sexy oder animalisch, wenn es noch nicht weiß ist, aber würdevoll? Eher gilt dem Träger weißen Haupthaares dieses Attribut.
Sam hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob Andre mich schon bemerkt hatte.
Hier müsste es heißen: Ich wusste nicht … Denn im Kontext hast du das Präteritum verwendet.
Sam hat geschrieben:Irgendwann wurde mir im Vorbeigehen ein Teller und auch das Bier hingestellt.
hier würde ich unbedingt ins Aktiv umformulieren sonst liest sich ein falscher Bezug.
Irgendwann stellte der Kellner mir im Vorbeigehen …usw.
Sam hat geschrieben:André war für einen Andalusier ungewöhnlich groß. In sein längliches Gesicht waren langweilig blickende Augen gedrückt und eine viel zu kleine Nase, die erst auf Höhe des Jochbeins aus dem Gesicht herausstrebte, was ihr das Profil einer Skiflugschanze gab.
Die Beschreibung des Gesichts hat schon ihren Reiz, aber hintereinander "länglich" und dann "langweilig" finde ich klanglich nicht so toll.
Dann die "Skifluschanze" … hm, ich weiß was du sagen willst und auch dass du gern "Stupsnase" vermeiden möchtest, weil das zu einem erwachsenen Mann eher nicht passt, aber ich finde diese Übertreibung passt nicht in den Schreibstil. Das ist beides nichts Gravierendes, aber ich würde überlegen ein wenig anders zu formulieren, (Rutschbahn ist auch nicht toll)
Sam hat geschrieben:André war nicht wirklich attraktiv,
Das „nicht wirklich“ vor „attraktiv“ scheint mir eine Art Modeformulierung zu sein. (ich ertappe mich auch dabei). Vielleicht ist es besser zu schreiben, „nicht attraktiv im herkömmlichen Sinn“, oder „nicht attraktiv auf den ersten Blick“, das würde auch zur weitern Beschreibung passen.
Mir gefällt, wie du hier dichter und Zitate einflichst, ohne dass es auf mich wirkt, als wolltest du etwa „Wissen“ herzeigen.
Sam hat geschrieben: „Das mit dir ist etwas anderes“, sagte er einmal. Da trieben wir es schon einige Monate miteinander.
Mir fällt es zwar schon früher auf, aber hier wird es augenscheinlich, dass ein Widerspruch besteht, zwischen der anfänglich geschilderten berufsbedingten Reise des Erzählers nach Marbella um Fotos zu machen, und dem daraus resultierenden Monate andauernden Aufenthalt aus Liebesgründen. (Man könnte auch sagen aus Gründen die Einsamkeit zu überwinden) Der Aufenthalt mit „Leben gefüllt“ werden, was macht der Erzähler dort? Beruflich, etc… 1, 2 Sätze reichen. Ich habe jetzt aber noch nicht geschaut, an welcher Stelle sie am besten passten.
Sam hat geschrieben:„Dafür gibt es zwei Gründe“, antwortete ich ihm. „ Der eine ist: Du besitzt deine Frau, aber du besitzt nicht mich.
Besser wäre: , … aber du besitzt mich nicht.
Sam hat geschrieben:„Das ist viel einfacher: Du kannst nur Fleisch vögeln oder Fleisch und Verstand“.
Mir ist nicht klar, was genau du damit sagen möchtest.
Geht es dir darum, dass der Erzähler André erklärt, dass ihm (André) Fleisch allein nicht reiche? Das, echte Leidenschaft immer auch etwas mit dem Kopf zu tun hat? So in dem Sinn, dass „Erotik“ immer im Kopf stattfindet, etwas mit Phantasie zu tun hat?
Oder möchtest du sagen, dass André der Geist seines Sexualpartners beim Akt wichtig ist?
Ich verstehe das so, nicht .
Sam hat geschrieben:„Ihr Blick war aber der des Vaters, neugierig und kraftlos.
Mir ist nicht klar, wie ein Blick blickt, der neugierig und zugleich kraftlos ist.
Meiner Meinung steckt allein schon in der Neugier Kraft.
Mir gefällt die Geschichte, der Aufbau, auch das offenen Ende, das Zurück in die Einsamkeit am Beispiel der Tochter aufgezeigt. Man kann erahnen, dass der Erzähler auf ein Zeichen Beléns wartet… Aber die Einsamkeit wird er wohl dennoch nicht vertreiben können, weder die eigene noch die der Frau. denn das kennzeichnet die Geschichte insgesamt: Alles bleibt wie es war, so als wäre nichts geschehen.
Liebe Grüße
Gerda
Hallo Gerda, Hallo Mucki,
vielen, vielen Dank für eure genaue Beschäftigung mit dem Text. Dummerweise habe ich noch eine Menge Arbeit auf dem Schreibtisch liegen und bin ab morgen das ganze Wochenende unterwegs. Deswegen gibt es eine ausführliche Antwort erst Anfang nächster Woche, denn ich will jetzt nicht nur Huschhusch auf das, was ihr geschrieben habt eingehen (hätte den Text erst am Montag einstellen sollen, ich sehe es ein. Sorry)
Liebe Grüße
Sam
vielen, vielen Dank für eure genaue Beschäftigung mit dem Text. Dummerweise habe ich noch eine Menge Arbeit auf dem Schreibtisch liegen und bin ab morgen das ganze Wochenende unterwegs. Deswegen gibt es eine ausführliche Antwort erst Anfang nächster Woche, denn ich will jetzt nicht nur Huschhusch auf das, was ihr geschrieben habt eingehen (hätte den Text erst am Montag einstellen sollen, ich sehe es ein. Sorry)
Liebe Grüße
Sam
Lieber Sam,
du schreibst jedes Mal toll, ich finds so schön, dich hierzuhaben!
Die Geschichte hat einen etwas anderen (weniger kargen, merh erzählerischen) Stil, als die, die ich bisher von dir kenne, aber sie arbeitet wieder mit diesem Blickwinkel auf und in die Menschen, der einfach toll ist und purer Lesegenuss. Auch toll, wie du das Setting (anderes Land/andere Sitten etc.) beherrscht (mir zumindest fällt nichts unstimmiges auf). Völlig glaubhaft.
Einzig am Anfang bin ich etwas schwer eingesteigen in die Story, vor alllem, wie ich im Nachinein denke, weil man nicht weiß, was der Prot. da in dem Land eigentlich macht - er scheint fremd, aber was macht er da? Und dann noch die ganzen Essensszenen und Schilderungen - ich würde da etwas kürzen, nicht viel, aber etwas, das würde dem Text auch stilistisch gut tun.
Ansonsten habe ich nicht im Einzelnen geguckt, sondern nur notiert, was mir nebenbei aufgefallen ist:
Einfach nur genial - und so schön wahr. (also beide thesen)
auch ein toller Satz - nie so gelesen, und ich frage nich, wie das angehen kann.
Ich hab nichts gegen derbe Sprache (so derb ist es aber auch nicht), aber an eingien Stellen 8auch dieser) finde ich es in DIESER Geschichte irgednwie effektlos und daher doof.
würde ich umstellen - Du besitzt deine Frau, aber mich (besitzt du) nicht oder noch anders. so klingt es ungelenk
du meinst hier "du" im Sinne von "man", oder?
ich würde die Stelle vielleicht minimal klarer gestalten (durch ein man?)
geniale Beobachtung, toll erzählt. Nur die derbe Sprache würde ich auch hier nicht einsetzen. Sie spielt so wenig eine Rolle, dass sie stört, dass sie da ist.
dito
E-Mail
ich würde konj. setzen: fühle (indirekte rede)
Aber die letztern beiden Sätze würde ich eh streichen. Ist doch eh klar. Weg damit.
Das war ein Genuss!
Liebe Grüße,
Lisa
du schreibst jedes Mal toll, ich finds so schön, dich hierzuhaben!
Die Geschichte hat einen etwas anderen (weniger kargen, merh erzählerischen) Stil, als die, die ich bisher von dir kenne, aber sie arbeitet wieder mit diesem Blickwinkel auf und in die Menschen, der einfach toll ist und purer Lesegenuss. Auch toll, wie du das Setting (anderes Land/andere Sitten etc.) beherrscht (mir zumindest fällt nichts unstimmiges auf). Völlig glaubhaft.
Einzig am Anfang bin ich etwas schwer eingesteigen in die Story, vor alllem, wie ich im Nachinein denke, weil man nicht weiß, was der Prot. da in dem Land eigentlich macht - er scheint fremd, aber was macht er da? Und dann noch die ganzen Essensszenen und Schilderungen - ich würde da etwas kürzen, nicht viel, aber etwas, das würde dem Text auch stilistisch gut tun.
Ansonsten habe ich nicht im Einzelnen geguckt, sondern nur notiert, was mir nebenbei aufgefallen ist:
„Ein Päderast“, antwortete André mit kehliger Stimme.
„Das ist alles?“, erwiderte ich, „keinerlei Verständnis für seine Obsession? Immerhin ist er aufrichtig.“
„Aufrichtigkeit“, meinte er darauf, „könnte man in diesem Fall auch für Eitelkeit halten.“
Einfach nur genial - und so schön wahr. (also beide thesen)
Ich liebe einsame Menschen. Einsamkeit ist für mich das aufregendste Parfüm, das jemand tragen kann
auch ein toller Satz - nie so gelesen, und ich frage nich, wie das angehen kann.
„Das mit dir ist etwas anderes“, sagte er einmal. Da trieben wir es schon einige Monate miteinander.
Ich hab nichts gegen derbe Sprache (so derb ist es aber auch nicht), aber an eingien Stellen 8auch dieser) finde ich es in DIESER Geschichte irgednwie effektlos und daher doof.
Der eine ist: Du besitzt deine Frau, aber du besitzt nicht mich
würde ich umstellen - Du besitzt deine Frau, aber mich (besitzt du) nicht oder noch anders. so klingt es ungelenk
Du kannst nur Fleisch vögeln oder Fleisch und Verstand“.
du meinst hier "du" im Sinne von "man", oder?
ich würde die Stelle vielleicht minimal klarer gestalten (durch ein man?)
Schon bald erzählte ich André davon. Interessant, wie seine Erregung einbrach und wie ich sie wiederbeleben konnte, nach und nach, obwohl er wusste, dass jene Zunge, die gerade an seinem Schwanz leckte, keine vierundzwanzig Stunden zuvor so tief, wie es ging, in der Möse seiner Frau gesteckt hatte.
geniale Beobachtung, toll erzählt. Nur die derbe Sprache würde ich auch hier nicht einsetzen. Sie spielt so wenig eine Rolle, dass sie stört, dass sie da ist.
(„In denen du mit mir gefickt hast“, unterbrach ich ihn), nicht mehr geglaubt hatte.
dito
Und irgendwie, schreibt sie, fühlt sie sich einsam.
ich würde konj. setzen: fühle (indirekte rede)
Aber die letztern beiden Sätze würde ich eh streichen. Ist doch eh klar. Weg damit.
Das war ein Genuss!
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
welch seltsamer zufall, ich las letzte woche wieder einmal in nabokovs lolita
der päderast humbert ist übrigens beides, ehrlich und eitel
aber nun zum 'Geziefer':
flott geschrieben, ganz pfiffig die einbindung der literatur, überzeugend böse bei lorca
kritik im detail wurde ja schon ausführlich geleistet.
der picklige hintern des andre bleibt in (wenn auch unangenehmer erinnerung ):daumen:
die sadistische besessenheit des erzählers korrespondiert mit seinem job des paparazzo. vögelt der alles, was bei drei nicht auf dem baum hockt, treibt er das nur in andalusien, weil die bäume dort rar, oder ist er speziell von dieser familie besessen, weil er sich deren einsamkeit so gut zunutze machen kann?
die würdigen weissen brusthaare find ich etwas exaltiert, ebenso das sprungschanzengesicht,
selbiges halte ich für schief:
"aber sein Gesicht hatte etwas Perspektivisches, wie ein Gemälde, das einem erst dann schön erscheint, wenn man etwas über den Maler und seine Intentionen erfahren hat"
darstellungsform und sinngehalt vermengt im bild
daneben feines, vor allem dieser satz:
„Das mag daran liegen“, sagte er lächelnd, als er meinen ungläubigen Blick bemerkte, „dass mich hier weder die Geräusche noch die Gerüche etwas angehen.“
das parfüm der einsamkeit ist für mich hart am kitsch - wobei der erzähler eigentlich nicht sentimental angelegt ist, ganz im gegenteil - er unterbindet andres versuche einer gefühligkeit ganz zielgerichtet durch den griff zwischen die beine.
ein bißchen dicke wirds, wenn auch auch noch mamma vernascht und es mit beiden weitertreiben kann, auch wenn beide (?) von seinem verhältnis zum jeweils anderen wissen und darunter leiden, die beschworene einsamkeit reicht mir da nicht aus. und dass er auch noch die tochter so halbwegs rumkriegt, hmm....muß ein hecht sein.
max d.
übrigens: geziefer verstehe ich als gegenteil von ungeziefer - wäre also positiv

aber nun zum 'Geziefer':
flott geschrieben, ganz pfiffig die einbindung der literatur, überzeugend böse bei lorca
kritik im detail wurde ja schon ausführlich geleistet.
der picklige hintern des andre bleibt in (wenn auch unangenehmer erinnerung ):daumen:
die sadistische besessenheit des erzählers korrespondiert mit seinem job des paparazzo. vögelt der alles, was bei drei nicht auf dem baum hockt, treibt er das nur in andalusien, weil die bäume dort rar, oder ist er speziell von dieser familie besessen, weil er sich deren einsamkeit so gut zunutze machen kann?
die würdigen weissen brusthaare find ich etwas exaltiert, ebenso das sprungschanzengesicht,
selbiges halte ich für schief:
"aber sein Gesicht hatte etwas Perspektivisches, wie ein Gemälde, das einem erst dann schön erscheint, wenn man etwas über den Maler und seine Intentionen erfahren hat"
darstellungsform und sinngehalt vermengt im bild
daneben feines, vor allem dieser satz:
„Das mag daran liegen“, sagte er lächelnd, als er meinen ungläubigen Blick bemerkte, „dass mich hier weder die Geräusche noch die Gerüche etwas angehen.“
das parfüm der einsamkeit ist für mich hart am kitsch - wobei der erzähler eigentlich nicht sentimental angelegt ist, ganz im gegenteil - er unterbindet andres versuche einer gefühligkeit ganz zielgerichtet durch den griff zwischen die beine.
ein bißchen dicke wirds, wenn auch auch noch mamma vernascht und es mit beiden weitertreiben kann, auch wenn beide (?) von seinem verhältnis zum jeweils anderen wissen und darunter leiden, die beschworene einsamkeit reicht mir da nicht aus. und dass er auch noch die tochter so halbwegs rumkriegt, hmm....muß ein hecht sein.
max d.
übrigens: geziefer verstehe ich als gegenteil von ungeziefer - wäre also positiv
Lieber Dernet,
ja, das Geziefer hab ich gar nicht erwähnt - ich habs auch als Anlehung an Ungeziefer gelesen, aber eher neutral, nicht positiv - auch nahe an ein "Geräusch" gelegt ~, als wäre das Geziefer eben der Wisperton 8der durchaus laut/derb sein kann) dieser Geschichte. Ich finde es so oder so gelungen.
Liebe Grüße,
Lisa
ja, das Geziefer hab ich gar nicht erwähnt - ich habs auch als Anlehung an Ungeziefer gelesen, aber eher neutral, nicht positiv - auch nahe an ein "Geräusch" gelegt ~, als wäre das Geziefer eben der Wisperton 8der durchaus laut/derb sein kann) dieser Geschichte. Ich finde es so oder so gelungen.
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Lisa hat geschrieben:Lieber Dernet,
ja, das Geziefer hab ich gar nicht erwähnt - ich habs auch als Anlehung an Ungeziefer gelesen, aber eher neutral, nicht positiv - auch nahe an ein "Geräusch" gelegt ~, als wäre das Geziefer eben der Wisperton 8der durchaus laut/derb sein kann) dieser Geschichte. Ich finde es so oder so gelungen.
Liebe Grüße,
Lisa
hallo lisa,
ich seh es analog zu unhold. wenn man da das 'un' wegläßt, wirds ein 'hold'
viel grüße
max d.
unhold. wenn man da das 'un' wegläßt, wirds ein 'hold'
Ah! Schön! (ich liebe solche Entdeckungen) (gibst noch m ehr davon)? (Ameisenbär und Bär?) ,-)
Ah! Schön! (ich liebe solche Entdeckungen) (gibst noch m ehr davon)? (Ameisenbär und Bär?) ,-)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Hallo Sam!
Super geschrieben, liest sich flüssig runter. Nachdem die Details ja schon oben behandelt worden sind, nur ein paar gröbere Gedanken. Finde, Du hast vor allem das Setting und die Personen- und sonstigen Beschreibungen sehr gut im Griff, auch wenn da einiges wohl als widersprüchlich kritisiert wurde - Menschen sind in sich schließlich auch oft widersprüchlich, dann muss man sie auch so beschreiben. Allerdings bin auch ich der Meinung, dass das plötzliche "wir trieben es miteinander" stilistisch leider völlig aus dem Rahmen fällt, das und Ähnliches solltes Du vielleicht wirklich ändern.
Was ich nicht verstehe, ist erstens mal "Du kannst nur Fleisch vögeln oder Fleisch und Verstand." Inhaltlich könnte ich mir da notfalls noch was drunter vorstellen, aber inwiefern ist das eine Antwort auf Andrés Frage? Meint er vielleicht, dass er nicht beides parallel kann?
Außerdem habe ich ein wenig Schwierigkeiten mit der Rolle des Erzählers. Ist er ständig auf der Suche und springt auf alles, was er abkriegt, Hauptsache es ist einsam und gibt sich hin? Dann bringe ich das irgendwie nicht ganz mit dem zusammen, wie er sich sonst präsentiert, irgendwas stört mich da.
Und dann seine Funktion im Hinblick auf die Familie: Dient das Ganze letztlich nur dazu zu zeigen, dass es aus dieser Form von Einsamkeit keinen Ausweg gibt, dass keine Entwicklung möglich ist (denn nachdem, was die Tochter am Schluss äußert, scheint sich ja trotz des zunächst vielversprechenden gemeinsamen Hasses nichts geändert zu haben)?
Der letzte Punkt ist der Titel. Klar, das Gegenteil von Ungeziefer - aber was heißt Geziefer (was Ungeziefer ist, ist ja klar, aber das Gegenteil von was ist das eigentlich?)? Habe überhaupt keine Ahnung, was ich mir da so drunter vorstellen soll; finde ich aber gut, weil ich bis jetzt noch nie drüber nachgedacht habe. Weißt Du zufällig was über die Etymologie dieses Wortes?
Danke schon mal für die Antworten!
Liebe Grüße,
Rala
Super geschrieben, liest sich flüssig runter. Nachdem die Details ja schon oben behandelt worden sind, nur ein paar gröbere Gedanken. Finde, Du hast vor allem das Setting und die Personen- und sonstigen Beschreibungen sehr gut im Griff, auch wenn da einiges wohl als widersprüchlich kritisiert wurde - Menschen sind in sich schließlich auch oft widersprüchlich, dann muss man sie auch so beschreiben. Allerdings bin auch ich der Meinung, dass das plötzliche "wir trieben es miteinander" stilistisch leider völlig aus dem Rahmen fällt, das und Ähnliches solltes Du vielleicht wirklich ändern.
Was ich nicht verstehe, ist erstens mal "Du kannst nur Fleisch vögeln oder Fleisch und Verstand." Inhaltlich könnte ich mir da notfalls noch was drunter vorstellen, aber inwiefern ist das eine Antwort auf Andrés Frage? Meint er vielleicht, dass er nicht beides parallel kann?
Außerdem habe ich ein wenig Schwierigkeiten mit der Rolle des Erzählers. Ist er ständig auf der Suche und springt auf alles, was er abkriegt, Hauptsache es ist einsam und gibt sich hin? Dann bringe ich das irgendwie nicht ganz mit dem zusammen, wie er sich sonst präsentiert, irgendwas stört mich da.
Und dann seine Funktion im Hinblick auf die Familie: Dient das Ganze letztlich nur dazu zu zeigen, dass es aus dieser Form von Einsamkeit keinen Ausweg gibt, dass keine Entwicklung möglich ist (denn nachdem, was die Tochter am Schluss äußert, scheint sich ja trotz des zunächst vielversprechenden gemeinsamen Hasses nichts geändert zu haben)?
Der letzte Punkt ist der Titel. Klar, das Gegenteil von Ungeziefer - aber was heißt Geziefer (was Ungeziefer ist, ist ja klar, aber das Gegenteil von was ist das eigentlich?)? Habe überhaupt keine Ahnung, was ich mir da so drunter vorstellen soll; finde ich aber gut, weil ich bis jetzt noch nie drüber nachgedacht habe. Weißt Du zufällig was über die Etymologie dieses Wortes?
Danke schon mal für die Antworten!
Liebe Grüße,
Rala
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