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Hundblick

Verfasst: 08.05.2007, 16:47
von Chaostom
Hallo alle miteinander,
nachdem ich jetzt doch schon 3 Wochen mein LoghIn habe, sollte ich mich wirklich langsam mal am Forum beteiligen:
Hier also ein kurzer Text.



Hundeblick
Gib das Bier noch mal her. Die dicke Schaffnerin ist noch zwei Wagen entfernt. Zwei Wagen haben
wir Zeit, Bier zu kippen, durch das Fenster diese komische gelbe Landschaft anzustarren und die Flie-
gen zu zählen, die auf dem Glas zerplatzen.
Dann wirst du wieder tun, als hättest du deine Brieftasche vergessen. Die dicke Schaffnerin wird
sagen: „Das kann schon mal passieren, aber ich muss Sie trotzdem bitten, mit ins Dienstabteil zu kom-
men."
Du machst dann wieder deinen Hundeblick, toll, wie du den immer hin bekommst. Ich habe das
noch nie geschafft und meistens muss ich nachzahlen. Aber du machst einfach den Hundeblick mit so
einem bekümmerten Lächeln.
Und du wirst etwas von bösen Chefs erzählen, dass du deinen Job verlierst, wenn das heraus-
kommt und ob man nicht...
Die Schaffnerin schüttelt dann energisch den Kopf, aber sie hat halt schon 6 Stunden Dienst hinter
sich, hat geschimpft und Leuten verboten, ihre Schuhe auf die Sitze zu legen und die meisten haben
sie nicht mal angeschaut, als sie die Fahrkarten herüberreichten.
Doch du machst deinen Hundeblick mit diesem Lächeln.

Wenn ich dann von meinem Versteck im Klo wiederkomme, habe ich vor lauter Panik die ganze
Flasche ausgetrunken. Aber du grinst mich an.
Wenn ich dich frage, wie es denn lief, sagst du: „Wie immer" und machst uns ein neues Bier auf.

Verfasst: 08.05.2007, 17:35
von pandora
hallo tom chaos,

ich glaube, wir sind uns hier im salon noch nicht begegnet. daher erst einmal: willkommen.

dein erster text steht im einklang mit deinem nick...
ein bisschen chaotisch kommt der ich-erzähler in deiner geschichte jedenfalls nach meinem empfinden daher.

insgesamt eine ziemlich banale angelegenheit, die du schilderst. zwei, dem alkohol offenbar recht zugeneigte, typen fahren schwarz mit dem zug. einer der beiden rettet, wie immer, die situation mit seinem charme. (dem "hundeblick". treu, entwaffnend, mitleidheischend. oder gibt es eine weitere geheimwaffe, mit der die dicke bahnangestellte besänftigt wird?)
der andere schwarzfahrer rettet sich aufs klo und schließlich und endlich ist alles wieder gut.

sprachlich betrachtet finde ich deinen text sehr simpel gestrickt. "(dicke) schaffnerin" kommt beispielsweise immer wieder vor, aber auch der "hundeblick", der ja auch noch in der überschrift auftaucht. mir ist das ehrlich gesagt zu viel des guten. ich denke, mit ein bisschen mühe könnte man sprachlich aus dem text einiges rausholen. (übrigens SIE groß.)

außerdem würde ich das potential der skizze nutzen und mich an deiner stelle mehr um die dicke schaffnerin/korpulente bahnangestellte..kümmern. psychologisch. warum fällt sie auf den dackelblick rein? und wie schafft sie es, trotzdem das gesicht einer amts- und respektsperson zu wahren? wahrt sie es überhaupt? sind noch andere fahrgäste zeugen der unterredung?

als gelegentliche bahnfahrerin überlege ich auch, ob die klonummer glaubwürdig ist. (eigentlich sind doch die toiletten in den zügen eh immer defekt. )

p.

Verfasst: 08.05.2007, 19:49
von Gast
Hallo Chaostom,

willkommen im Salon,
pandora hat ausführlich die Mängel deiner Geschichte kommentiert.
Ihrem Kommentar kann ich beipflichten, wenngleich mich darüberhinaus noch einiges andere stutzen lässt.

Für mich ist die Geschichte nicht lebensnah und glaubhaft erzählt.

Das heißt nicht, dass ich nicht glaube, dass sich alles genau so zugetragen hat, aber die Wiedergabe krankt daran, dass sie ungenau ist.

Im Titel fehlt übrigens ein "e" Hundeblick.

Mit was für einer Art von Zug sind dein Protag. unterwegs?
In S- und U-Bahnen gibt es keine Toiletten.
Wo gibt es denn heute noch "Schaffnerinnen"? - Außer im Fernverkehr?
Dienstabteil deutet auf einen Fernreisezug hin.
Möglicherweise spielt die Geschichte auch außerhalb von Deutschland.

Zusammen mit pandoras Vorschlägen, dem Auserzählen der Begebenheit und einer besseren Sprache, könntest du dann von der eindimesionalen Beschreibung weg kommen.

So wirkt es auf mich zu dünn und ein wenig, als ob du dich bei Aufschreiben ins Tagebuch fragst: Warum hat mein Freund immer Glück und kommt mit seinem Blick durch...


Liebe Grüße
Gerda

Verfasst: 08.05.2007, 20:06
von Nifl
Willkommen C. T.

durch das Fenster diese komische gelbe Landschaft

Warum "diese"? und warum "gelb"?

anzustarren und die Flie-
gen zu zählen, die auf dem Glas zerplatzen.

Warum zerplatzen die auf dem Bierglas?
Wenn nicht, warum sollten sie an der Seitenscheibe zerplatzen? Hä? Sitzen die Beiden beim Zugführer?

Brieftasche

Ausdruck passt nicht zu den Figuren

Du machst dann wieder deinen Hundeblick, toll, wie du den immer hin bekommst.

Einen Blick "setzt man auf" oder?

dass du deinen Job verlierst, wenn das heraus-
kommt und ob man nicht...

Wat soll dat denn für ein Job sein, dass den Chef das interessiert?

Die Schaffnerin schüttelt dann energisch den Kopf,

Woher weiß der Erzähler das, wenn er auf dem Klo hockt und sie sich im Dienstabteil befinden?

Insgesamt ist mir die Geschichte zu unglaubwürdig. Du könntest den Text mE. aufwerten, wenn du die "Hundeblicksituation" schärfer zeichnen würdest…zB. durch "sich verstärkende Dialoge"… die Entwaffnung durch den Hundeblicker überzeugender ZEIGEN würdest… dass der Leser denkt: "Ja, klar, die Arme konnte gar nicht anders… bei seinem Charme und aus ihrer Situation heraus"

LG
Nifl

Verfasst: 08.05.2007, 20:38
von Chaostom
So, jetzt bin ich wieder da:
Erst mal Danke für die Kommentare und die Kritik und die ausführliche Beschäftigung mit dem Text und natürlich auch ein paar Entgegnungen:

Zum erst einmal: Die Geschichte und ihre Protagonisten sind allesamt erfunden, es gibt nichtmal Ähnlichkeit mit irgendwelchen mir bekannten Personen und Begebenheiten (also kein "Tagebucheintrag).

Die Kritik der Sprachlichen Schlichheit nehme ich an, aber ich denke, dass sie dem Inhalt gerecht wird.

Warum mein Ego die ganzen Vorgänge weiss, obwohl er sich auf dem Klo versteckt?
Ich hatte eigentlich gedacht, dass das Wort "wieder" es erklärt:
Er hat die ganze Situation und ihre Lösung schon unzählige Male erlebt.
Die Sache mit dem Hundeblick und den bösen Chefs ist nichts als ein Spiel, was eigentlich alle (inkl. Schaffnerin) wissen.

(Allerdings ist es Sache des Autors, eine Sache verständlich 'rüberzubringen. Wenn mir das nicht richtig gelungen ist, ist das natürlich meine Schuld.)

Verfasst: 08.05.2007, 21:28
von Gast
Okay, Chaostom,

also alles erfunden schön und gut, ist doch völlig legitim, aber dann sollte die Geschichte so gut erfunden sein, dass sie wirklichkeitsgetreu rezipiert werden kann, und die Leser nicht eine ganze Latte von Fragen, bei diesem doch recht kurzen Prosatext an dich stellen müssen.
Du sprichst von "Schuld", um ein Verschulden ;-) geht es nicht.
Aber es geht darum, ob dir daran liegt von deinen Lesern verstanden zu werden. Es ist also deine Sache so zu schreiben.

Mich würde es freuen, wenn du dich mit den Kritikpunkten im Einzelnen auseinandersetzen und an dem Text arbeiten würdest.

Liebe Grüße
Gerda

Verfasst: 09.05.2007, 11:10
von Lisa
Hallo Chaostom,

ich finde den text gar nicht so schlecht - kann sein, weil ich zuviel hereininterpretiere, aber immerhin ist es mir möglich ;-). Für mich ist das lyr. Du gefühlt eine sie, das macht für mich mit den Charme aus - aber wahrscheinlich liege ich damit falsch? Und dann lese ich um den text intuitiv andere Texte mit, ich finde, der text wirkt wie ein Ausschnitt....für mich gehts um das Verhältnis der beiden...ob nun Liebe oder schon ewige Freudnschaft...die ein wenig nagt, aber doch schon was echtes ist...

Nifls Bemängelung der "komischen gelben" landschaft stütze ich übrigens nicht - natürlich ist das poetisch hingerotzt, so sind ja auch die beiden Typen oder der typ und die Typin ;-), aber für mich passt das.

Fazit: ganz allein find ich den Text auch zu wenig - ich kann mir vorstellen, dass er entweder in einer Reihe solcher Texte oder in einem geschlossenen, deutlich längerem Text durchaus wirkt. Das ist dann zwar nicht meine Welt, aber irgednwie doch ;-).

Das "Sie" solltest du noch groß schreiben.

Pandoras Kritik mit dem Klo teile ich - ich würde vielleicht dafür einen rahmen schaffen - bei einer relativ kurzen RE Fahrt kann ich mir vorstellen, dass das hinhaut, aber im IC etc. prüfen die Schaffner ja immer das Klo, schon oft gesehen...es muss noch andere Tricks geben?

Liebe Grüße,
Lisa

Verfasst: 09.05.2007, 17:31
von MarleneGeselle
Hallo Chaostom,

auch für mich klingt es unglaubwürdig, dass die beiden Schwarzfahrer mit ihren Tricks durchkommen. Bei uns treten die Kontrolleure i. d. R. zu Zweit auf, da nützt Charme nicht viel. Und die Klos werden auch genau beobachtet.

Liebe Grüße
Marlene

Verfasst: 09.05.2007, 22:48
von Chaostom
Habe das "Sie" jetzt gross geschrieben

@ MarleneGeselle
Also ich weiss nicht, wo Ihr alle wohnt, aber bei uns in Thüringen rennt immer nur ein Kontrolleur durch die Züge und ich könnte mir schon ganz gut vorstellen, dass man mit dem Trick - wenigstens einmal - durchkommt, so bissig sind die Schaffner nun wirklich nicht.
Das mit den Klos hab ich bislang noch nicht ausgetest.

@ Lisa:
das lyrische "Ich" zwar keine Frau, aber mir ging es in dem Text schon sehr stark um die Beziehung der beiden, in der neben Freundschaft auch ein bisschen Neid mitspielt.

zur "gelben Landschaft" und den "zerplatzenden Fliegen":
Zumindest von der gelbenLandschaft möchte ich mich ungern trennen. Beides sind Stimmungsbilder, die ein wenig die Athmosphäre der Zugfahrt vorwegnehmen sollen. Allerdings habe ich mit den Fliegen leider wirklich ein Logikproblem, da die beiden -wie schon gesagt- ja nicht beim Zugführer sitzen.

@ nifl
das "mit dem Blick aufsetzen" überdenke ich gerade, weiss noch nicht, ob es nach meinem Dafürhalten zum Sprachbild passt.

Ich seh mir den Text jetzt auf jeden Fall noch mal durch.

Tschüss Chaostom

Verfasst: 10.05.2007, 07:39
von Sam
Hallo Chaostom,

da wurde ja schon viel berechtigte Kritik geübt. Dennoch möchte ich sagen, dass mir eine Stelle in deinem Text sehr gut gefallen hat:

Die Schaffnerin schüttelt dann energisch den Kopf, aber sie hat halt schon 6 Stunden Dienst hinter sich, hat geschimpft und Leuten verboten, ihre Schuhe auf die Sitze zu legen und die meisten haben sie nicht mal angeschaut, als sie die Fahrkarten herüberreichten.
Doch du machst deinen Hundeblick mit diesem Lächeln.


Das finde ich schon gelungen. Der Rest des Textes hinkt da leider, aus den schon genannten Gründen, hinterher.

Liebe Grüße

Sam

Verfasst: 14.05.2007, 11:25
von MarleneGeselle
Hallo Chaostom,

ich wohne im Südwesten, da ist man kontrollwütiger als in Neufünfland. Dass mit den Klos kontrollieren ist schon uralt, gehört bei den Schaffnern vermutlich zur Grundausbildung. Zu Zweit sind die Leute deshalb, damit keiner ausbüchsen kann.

Liebe Grüße
Marlene

Verfasst: 14.05.2007, 20:53
von Max
Lieber Chaostom,

auch von mir ein Willkommen.

Mit dem Inhalt Deines kurzen Textes kann ich mich eigentlich anfreunden. Ich will schon wissen, was passiert, insofern muss da eine gewissen Spannung vorhanden sein.
Wo es für mich hapert, sind die Details, die mich eben an der Glaubhafftigkeit der Geschichte zweifeln lassen. Beispiele sind die von Gerda angesprochene Toilette, die mir einfach nicht als Versteck zu taugen scheint (und wenn der Protagonist sich regelmäßig dort versteckt, wieso muss er denn dann nachzahlen?) und die von Nifl angesprochenen Fensterscheiben. Wenn auf Seitenscheiben regelmäßig Fliegen zerplatzen, denkt man dass die Geschichte erfunden ist oder in einem Land spielt, in der Fahrtwind von der Seite kommt.

Liebe Grüße
Max

Verfasst: 16.05.2007, 00:20
von Chaostom
Hallo an alle:

Ja, ich sehe schon, von meinen liebgewonnenen zerplatzenden Fliegen muss ich mich wohl verabschieden, hoffentlich fällt mir ein anderes Bild ein.
Mit dem Klo ist das leider eine andere Sache. Ich muss natürlich zugeben, dass der Trick uralt ist und vermutlich -wie MarleneGeselle meinte, zur Grundausbildung gehört, aber was nun.
Ich werd mich noch mal 'reinknieen in Handlung, mal sehen.


Tschüss chaostom