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ankommen

Verfasst: 17.04.2007, 20:32
von Thomas Milser
ankommen

[align=justify]ockerner sonntag...ich lenze faul und gehe müßig...unterm arm so etwas wie methan...auf dem bildschirm reiben sich spärlich bekleidete damen aneinander...ich blättere in den aufzeichnungen einer ätherischen jugend...meißele schwungvoll fossile inschriften in die granitfarbene tastatur des lebens...auf dem halben glas roten von gestern schwimmen staubfasern...die dosenravioli blubbern auf dem panierten herd...irgendwo da draußen kreischen türkenkinder...eine kirre fliege brummt den ahnungslosen vorhang an...ich werfe mich auf dreckige laken...etwas von der roten brühe kleckert ins bett...ich wische sinnlos rum, lasse es wieder sein, und mache schnalzende geräusche mit den lippen, während ich mir die kochend heißen dinger reinlöffel...ich rülpse und lasse die sich auftürmende arbeit links liegen wie einen lallenden schnorrer in der fußgängerzone...mit gedanken an masuren wühle ich mich in speichelduftende kissen...mein schwanz wittert deinen geruch unserer ersten nacht...der mittagsschlaf kommt sanft daher...nichts ist wichtig...das tor ist verrammelt...treibenlassen...heute abend werden sie unten in der stadt texte vom dirty old man geben...muss noch beim gärtner vorbei und etwas gras kaufen...den polnischen wodka auf den edelstahlflachmann ziehen, zum dran nuckeln ...

und in der kalten und stillen stunde der späten nacht werde ich wieder über die brücken des hafens laufen...heimkehren...und endlich ankommen...
...in mir.[/align]

Verfasst: 17.04.2007, 21:51
von leonie
Tohom, Staubfasern sind immer klein!

Ansonsten: Gefällt mir, der Text hat was "Sattes" im Sinne eines gestillten Säuglings. Das vorweggenommene Ankommen wirft sozusagen seine Schatten voraus.

Liebe Grüße

leonie

(Kleiner Tipp: Anstelle des Herdes das Schnitzel panieren. Soll angeblich besser schmecken und wird auch besser warm...)

Verfasst: 17.04.2007, 22:04
von pandora
hallo tom,

mir gefallen diese aneinandergereihten männergedanken.
allerdings wirken sie in summe auf mich eigenartig uneinheitlich. ich weiß gar nicht richtig, wie ich das erklären soll.

das hier zum beispiel liest sich wie eine deiner kolumnen: "ich wische sinnlos rum, lasse es wieder sein, und mache schnalzende geräusche mit den lippen, während ich mir die kochend heißen dinger reinlöffel...ich rülpse und lasse die sich auftürmende arbeit links liegen wie einen lallender schnorrer in der fußgängerzone..." irgendwie eine andere wortwahl. zu viel informationen, denke ich fast. zu viele adjektive.

dieser passus hier ist beispielsweise viel "einfacher" gehalten: "mit gedanken an masuren wühle ich mich in speichelduftende kissen...mein schwanz wittert deinen geruch unserer ersten nacht...der mittagsschlaf kommt sanft daher...nichts ist wichtig...das tor ist verrammelt...treibenlassen..."
er ist auf eine angenehme art und weise schlicht und berührt mich viel mehr als die eben geschilderte geräuschkulisse.

fazit: ich würde versuchen, den text stilistisch einheitlicher zu gestalten. (die letzten drei zeilen sind klasse)

fazit zwei: lies mal dbc pierre. wird dir gefallen.

lg
p.

Verfasst: 18.04.2007, 09:04
von Thomas Milser
Le-ooo:
Da kennst du meine Staubvorkommen aber schlecht :o)))
Und der Herd (damals noch eine uralte Zwei-Kochplatten-mit-kleinem-Backherd-untendrunter-Kombination meiner Ommagotthabsieselig) war paniert. Mit dem Unterschied zum Schnitzel, dass die Panade eher einer Einbrennlackierung entsprach und nicht mehr von selbst abbröselte, sondern mit einem Winkelschleifer hätte entfernt werden müssen. Isso!

Pandora:
Hab Dank für deine einfühlsame Interpretation. Ich habe eine Ahnung, was du meinst, aber anhand deines Beispiels (zuviele Adjektive?) erschließt sich mir die Kritik nicht so ganz. Ich denke, dass die Abwechslung von kurzen, knappen Beschreibungen mit etwas längeren Satzteilen wichtig ist, damit das Ganze nicht allzu sehr im Telegrammstil daherkommt. Es ist aber auch schon die dritte Variation, ich werde das diesbezüglich nochmal in mir nachklingen lassen...
Oder kann es sein, dass die beiden Textstellen dir inhaltlich unterschiedlich gefallen? Die erste ist ja *ähem* eher etwas ordinär bis großkotzig, in der zweiten schwingt zumindest etwas *räusper* zarte Romantik mit...?

Eine Frage an alle zum Ende:
Ich hatte da vorher stehen:
"...und endlich ankommen...im Ich." (statt "in mir")
Das erschien mir zu abgeschmackt, aber mit dem "in mir" werde ich auch nicht so ganz fröhlich. Jemand eine Meinung dazu?

Tom.

Verfasst: 18.04.2007, 09:12
von Traumreisende
hallo tom

zu deiner frage...
ankommen steht für sich allein im zusammenhang mit den kettengedanken, ich spüre den wirbel und dass es gut ist sich auch so freizudenken,

deshalb recht es ohne zusatz im Ich, in mir, bei mir ect.

- mir jedenfalls :-)

lg silvi

Verfasst: 18.04.2007, 09:23
von Thomas Milser
Hallo Silvi,

interessante Alternative.
Das Problem ist immer, wenn man schon so lange schwanger geht mit einem Text, da plötzlich den (vermeintlichen?) Aufhänger rauszustreichen. Deswegen will ich das Vorhandensein der letzten zwei Wörtchen zumindest pro forma mal mit einer Gegenfrage zu verteidigen suchen:
Bleibt, wenn man das Ende streicht, der Gegensatz des 'Ankommens', welches oberflächlich einen Ort bezeichnet (heimkehren), in Wirklichkeit aber die Beschreibung eines Geisteszustandes liefert (den des In-Sich-Ruhenden), noch erhalten?

Tom.

Re: ankommen

Verfasst: 18.04.2007, 09:30
von Elsa
Hallo Tom,

schön ist das. Ein Mann mit seinem Leben, seinen Gefühlen, seiner Suche.

Ockerner Sonntag wäre mein Titel.

ankommen

[align=justify]ockerner sonntag...ich lenze faul und gehe müßig <- das finde ich in diesem Text zu "witzig". Es ist ein Registersprung.

...unterm arm so etwas wie methan...auf dem bildschirm reiben sich spärlich bekleidete damen aneinander...ich blättere in den aufzeichnungen einer ätherischen jugend...meißele schwungvoll fossile inschriften in die granitfarbene tastatur des lebens...auf dem halben glas roten von gestern schwimmen kleine staubfasern...die dosenravioli blubbern auf dem panierten herd <- wenn du so etwas schreibst, bedarf es einer kleinen Erklärung, da der unbedarfte Leser grübelt, was das sein soll.
...irgendwo da draußen kreischen türkenkinder <- nur türkenkinder? ...eine kirre fliege brummt den ahnungslosen vorhang an...ich werfe mich auf dreckige laken...etwas von der roten brühe kleckert ins bett...ich wische sinnlos rum, lasse es wieder sein, und mache schnalzende geräusche mit den lippen, während ich mir die kochend heißen dinger reinlöffel...ich rülpse und lasse die sich auftürmende arbeit links liegen wie einen lallender <- zu viele Adjektive in dem Abschnitt (hellblau hervorgehoben) schnorrer in der fußgängerzone...mit gedanken an masuren wühle ich mich in speichelduftende kissen...mein schwanz wittert deinen geruch unserer ersten nacht...der mittagsschlaf kommt sanft daher...nichts ist wichtig...das tor ist verrammelt...treibenlassen...heute abend werden sie unten in der stadt texte vom dirty old man geben...muss noch beim gärtner vorbei und etwas gras kaufen...den polnischen wodka auf den edelstahlflachmann ziehen, zum dran nuckeln ... und in der kalten und stillen stunde der späten nacht werde ich wieder über die brücken des hafens laufen...heimkehren...und endlich ankommen... <- ein wundervoller Absatz ab Schnorrer!

...in mir. <- bei mir würde mir gefallen.[/align]

Lieben Gruß
Elsa

Verfasst: 18.04.2007, 09:35
von Klara
Hi Tom, lies mal DBC Pierre, Jesus von Texas, das magst du .-)

lg
klara

Verfasst: 18.04.2007, 09:36
von Klara
... und Philippe Sollers magst du vielleicht auch... der macht auch immer Pünktchen... - so gut wie nie einen Punkt..., aber gibt es das übersetzt? "Femmes" zum Beispiel...

zum Text komme ich später hoffentlich noch, sorry -

klara

Verfasst: 18.04.2007, 09:43
von Thomas Milser
Hallo Elsa,
auch dir schönen Dank für die Untersuchung. Wenn ich deine Betrachtung zu der von Pandora addiere, gerinnt meine Ahnung zur Gewissheit, dass hier irgendwas noch nicht stimmt. Obwohl ich noch herausfinden muss, ob die humorigen Elemente (lenze faul und gehe müßig...) nicht doch eine Berechtigung haben. Es soll bloß nicht so klingen, als läge da ein ungewaschener Psycho in seiner eigenen Lache und wüsste nicht mehr ein noch aus... Die Lust am Sich-Gehen-Lassen ist schon ein wichtiger Moment, ja, war gar der Auslöser für diesen Text...

Ein paar Adjektive darf ich aber behalten, ja? :o)
Immerhin hab ich schonmal den lallenden Schnorrer korrigiert.

Ich werde mal beizeiten eine zweite Version versuchen.

Tom.

Verfasst: 18.04.2007, 09:49
von Thomas Milser
Hi Klara:

Hört sich vielleicht bekloppt bis ignorant an, aber ich vermeide es tunlichst, Autoren zu lesen, die so ähnlich... (Ausnahme: Kolumnisten)
Eigentlich mag ich solche Texte nämlich gar nicht *hähä*

Es hat Jahre gedauert (und ist noch nicht ganz vollzogen), von den Eindrücken, die Charles Bukowski mir in meiner Jugend eingestempelt hat, loszukommen... heute, nach einem Jahrzehnt Auszeit kann ich ihn ganz vorsichtig wieder lesen...

Dieser Text ist eh eine Ausnahme, weil ich normalerweise mit vollständiger Interpunktion und nicht in Kleinschrift schreibe. Das kommt dabei raus, wenn man eigentlich ein Gedicht schreiben wollte... :o)

Tom

Verfasst: 18.04.2007, 09:52
von Traumreisende
hallo tom...


Bleibt, wenn man das Ende streicht, der Gegensatz des 'Ankommens', welches oberflächlich einen Ort bezeichnet (heimkehren), in Wirklichkeit aber die Beschreibung eines Geisteszustandes liefert (den des In-Sich-Ruhenden), noch erhalten?


ich gebe mal zu, dass das thema ankommen, das nichtörtliche... bei mir seit langem eine zentrale nachdenkposition einnimmt und ich vielleicht auf grunddessen nicht im geringsten an einen ort gedacht habe bei deinem ende.. lese ich es mal ohne meinen eigenen blickwinkel, könnte es auch örtlich sein...

vielleicht kannst du es so lösen, dass du irgendwo in dieser gedankenkette eine frage einbaust, die in der richtung: wass will ich, suche ich, oder so in der art... dann taucht das innere ankommen als weg schon mal auf.

lg silvi

Verfasst: 18.04.2007, 10:06
von leonie
Hallo alle,

mit den Adjektiven, das sehe ich anders. (Außer mit dem schon angesprochenen "kleine", da ich vermute, dass der geneigte Leser nicht anzunehmen bereit ist, im Laufe einer Nacht hätten sich Wollmäuse im Weinglas des Erzählers niedergelassen (trotz des an anderer Stelle erwähnten Staubsaugerproblems) :-) ). Die anderen Adjektive entbehren nicht einer gewissen Originalität und haben meiner Meinung nach deshalb eine Daseinsberechtigung. Aber nicht nur deshalb:
Ich finde, an der Masuren-Stelle ändert sich deutlich die Stimmung, sie markiert die Grenze zwischen adjektivreich, was eine gewisse Unruhe in den Text bringt und adjektivarm, was ihn ruhiger macht. Genau das ist dem Inhalt der jeweiligen Passagen und der vermuteten inneren Verfassung des Protagonisten angemessen.

Liebe Grüße

leonie

Verfasst: 18.04.2007, 10:51
von Klara
Hört sich vielleicht bekloppt bis ignorant an, aber ich vermeide es tunlichst, Autoren zu lesen, die so ähnlich...

sind nicht so ähnlich! nur so'n Gefühl, dass du sie mögen könntest.

lg
k